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Kolumne

Beat it

Montag, 25. März 2013 | Text: Wassily Nemitz

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Die Tür geht auf, drei oder vier Schüler kommen herein, einer von ihnen weint, die anderen reden aufgeregt auf Sepedi. Aletta und Yvonne unterbrechen ihre Arbeit und setzen eine böse Miene auf. Dann gibt es zehn Minuten lang aufgeregtes Herumgeschreie von Lehrern und Schülern, ab und an werden andere als Zeugen herbeigerufen, die weisen meist alle auf denselben, scheinbar Schuldigen – und irgendwann fällt das Urteil.

Eine der beiden zieht einen Stock hervor, der Schüler beißt die Zähne zusammen, dann gibt‘s, Piff-Paff, zwei oder mehr Schläge auf die Hand oder den Hintern. Der Schüler geht, die Lehrerinnen arbeiten weiter oder lachen sich über irgendwelche Rund-SMS von Kollegen kaputt. Den Fall der Schüler haben sie nach fünf Minuten wieder vergessen. So ein Szenario in Deutschland? Undenkbar.

Die Tür geht auf, drei oder vier Schüler kommen herein, einer von ihnen weint, die anderen reden aufgeregt auf Sepedi. Aletta und Yvonne unterbrechen ihre Arbeit und setzen eine böse Miene auf. Dann gibt es zehn Minuten lang aufgeregtes Herumgeschreie von Lehrern und Schülern, ab und an werden andere als Zeugen herbeigerufen, die weisen meist alle auf denselben, scheinbar Schuldigen – und irgendwann fällt das Urteil.

Eine der beiden zieht einen Stock hervor, der Schüler beißt die Zähne zusammen, dann gibt‘s, Piff-Paff, zwei oder mehr Schläge auf die Hand oder den Hintern. Der Schüler geht, die Lehrerinnen arbeiten weiter oder lachen sich über irgendwelche Rund-SMS von Kollegen kaputt. Den Fall der Schüler haben sie nach fünf Minuten wieder vergessen. So ein Szenario in Deutschland? Undenkbar.

Englischstunde in der sechsten Klasse: Ich stehe an der Tafel, unterrichte. Inmitten der Stunde kommt der Schulleiter, Mister Komana, herein. Er sagt: „May I kindly disturb you for two minutes?“ Natürlich, habe ich nichts dagegen. Komana liest die Namen von zehn Schülern vor, sie stehen auf, stellen sich vor die Klasse und kriegen hintereinander alle zwei Schläge mit dem Stock auf den Hintern. „Thank you very much!“, sagt Mister Komana und geht.

Ein Mädchen, Kholofelo, fängt an zu weinen. Ich gehe hin, versuche, sie zu trösten. Kaum kriegen die Klassenkameraden mit, dass es Kholofelo nicht gut geht, drehen sie sich um und fangen an zu lachen. Sie zeigen auf sie und sagen zu mir: „Sir! You must beat her! She mustn‘t cry!“ Ich drehe mich um, fahre die Klasse an, dass es eine Unverschämtheit sei, Klassenkameraden auszulachen, weil sie weinen. Es versteht keiner warum.

Zwar ist es nach südafrikanischem Gesetz seit dem Ende der Apartheid offiziell verboten, Kinder zu schlagen und auch in der Schulverfassung meiner Legoleng Primary School wird strikt auf das Gewaltverbot hingewiesen. Unterschrieben haben alle Lehrer, daran halten tut sich keiner.

Letzte Woche wurde es meinem Kollegen Florian Geismann und mir zu viel: Dienstagmorgen, wir wollen nach der Morning assembly in die 7.Klasse, zum Unterricht. Schon von weitem sehen wir, wie die Schüler zum Großteil einfach aus der Klasse gehen. Ich frage Mister Aphane, was das soll. „They are going to Stella. She wants to discipline them!“ Wir folgen den Schülern. In Stellas Klasse (sie unterrichtet Grade R, eine Vorschulklasse) reihen sich die Schüler wiederum auf, werden jeweils mehrfach auf die Hände geschlagen und gehen dann wieder. Wir können die Stunde erst mit Verspätung beginnen und sind noch geschockt von einer derart exzessiven Gewaltanwendung gegen insgesamt mehr als 40 Schüler.

Nach der Stunde, zurück im Lehrerzimmer. Wir wollen Stella zur Rede stellen. Andere Lehrerinnen bekommen es mit und fangen eine Diskussion mit uns an. Während wir uns bisher immer recht zurück gehalten haben, gehen wir jetzt in die Vollen. Wir äußern unsere Verärgerung ohne Umschweife darüber, dass es an der Schule nach wie vor üblich ist, Kinder zu schlagen. Yvonne und Aletta argumentieren am engagiertesten: „We are used to it! What else shall we do? These learners!“, versuchen sie sich zu verteidigen.

Immerhin sagt Aletta: „We know that this is wrong but we do not know what we can do instead!“ Die Gesamtsituation in Kgautswane sei schlecht, die Kinder würden zu Hause sowieso geschlagen und daher könnten sie gar nicht anders. Wir halten dagegen: „You are the ones who can make the changes!“, „There are alternatives“ oder „It is against the law“. All das scheint sie nur wenig zu beeindrucken. Zwar wirkt vor allem Aletta nachdenklich, doch wirklich überzeugen können wir sie nicht. Die alten Strukturen stecken immer noch zu sehr in ihnen drin. Immerhin erreichen wir, dass es ihnen peinlich ist, Kinder in unserer Gegenwart zu schlagen.

Florian und ich gehen in die Bibliothek, um dort weiterzuarbeiten. Derweil hat Stella von unserer Beschwerde Wind bekommen und kommt auf uns zu. Sie entschuldigt sich dafür, dass sie uns verletzt habe. Ernst nehmen kann ich das nicht. Geschlagen wurden die Kinder übrigens, weil sie in der morning assembly nicht laut genug gebetet haben. „If they do not praise the lord enough, what can I do?“. Ich fühle mich willkürlich an Nordkorea erinnert.

Florian und ich gehen vor die Tür. Irgendwann zeige ich die alle an, ereifere ich mich, das kann ja wohl nicht sein!“ Ich weiß, dass das Blödsinn ist. Erreichen würde ich damit nichts, die einzige Folge wäre vermutlich die Gefährdung des gesamten Projekts.
Ich versuche nachzuvollziehen, wie die Lehrer zu ihrer Einstellung gelangen. Und ich muss ehrlich sagen: Ich kann sie aus ihrer Sicht heraus verstehen. Warum sollte ich als Lehrer in Kgautswane meine Methoden ändern, wenn sie seit Jahren scheinbar funktionieren? Warum soll ich das, was mir selbst angetan wurde, nicht auch bei meinen Schülern anwenden? Warum soll ich mich auf Chaos einlassen, das entstünde, würde das Schlagen eingestellt?

Ich selbst erlebe es jeden Schultag am eigenen Leib: Die Schüler wissen, dass ich sie nicht schlage. Das Schlimmste, was ihnen passieren könnte, werde ich ihnen nicht antun. Und das nutzen sie schamlos aus. Ich muss mir durch permanente Ermahnungen und gelegentliches Herumbrüllen Gehör verschaffen, während meine schlagenden Kollegen einfach nur die Klasse betreten müssen, damit Ruhe einkehrt.
Ein solch eingefleischtes System zu ändern, ist wenn nicht unmöglich, dann zumindest äußerst schwer. Ich hoffe, dass ich zumindest einen kleinen Beitrag dazu leisten kann, dass sich die Situation ändert. Immerhin: Eine meiner Kolleginnen, Kwena, habe ich seit ich mich mit ihr einmal länger über das Thema unterhalten habe, nicht mehr schlagen gesehen.

Text: Wassily Nemitz

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