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Kultur

Die Versuchung im Kopf

Mittwoch, 8. November 2017 | Text: Alida Pisu | Bild: Kimberly Pottkaemper

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Das Ensemble des Theater Köln-Süd hat sich nach dem „Sommernachtstraum“ eines weiteren Stückes von Shakespeare angenommen: „Macbeth“ steht auf dem Programm. „Meine Südstadt“ hat sich mit Regisseurin Franziska Winterberg über das Böse in uns allen, über Ehrgeiz, Machtgier und das Schicksal unterhalten. Allesamt große Themen, die in dem Stück über den Königsmörder zur Sprache kommen.

Meine Südstadt: Ihr Regie-Konzept für „Macbeth“ lautet: Die Zuschauer sollen in Macbeths Hirn eintauchen, durch seine Augen schauen, seine Träume, Ängste und Gefühle erleben. Steckt Macbeth ein Stück weit in jedem von uns, sollen wir ihn verstehen oder was ist Ihre Intention?
Franziska Winterberg:  Ich bin darauf gekommen, weil ich ein Ensemble habe, das aus siebzehn Leuten besteht, aber „Macbeth“ nur zwei Hauptfiguren hat. Darum habe ich überlegt, wie ich dieses Ensemble so in das Stück einbinden kann, so dass da nicht nur zwei Menschen und ansonsten Statisten agieren. Und dass wir uns mit dem Phänomen auch gemeinsam beschäftigen. Ich sehe es eben nicht so individuell: Da ist ein Bösewicht und der Bösewicht ist damit abgehakt und ich stelle mich moralisch darüber und sage: „Ist halt schlimm mit den bösen Menschen.“ Ich denke, dass ein Teil von Macbeth in jedem von uns steckt. Es ist ein Stück über Ehrgeiz, über Machthunger. Gut, es handelt sich hier um einen Mord. Das steckt sicher nicht in jedem. Aber das Mittel ist meiner Meinung nach nicht das Wichtigste an dem Stück. Zur Zeit Shakespeares war Königsmord an der Tagesordnung und ich denke, hier geht es eher um Ehrgeiz und Karriere. Wir haben auch die Proben so begonnen, dass wir gesagt haben: Wir stellen uns mal vor, wir sind in einer Firma und da gibt es Konkurrenzkampf und jeder will ins obere Management. Es ist eben eine Welt für sich. Und deswegen haben wir diesen Rahmen für uns gewählt. Ich habe den Schauspielern die Aufgabe gestellt: „Eigentlich seid Ihr alle Macbeth und die Hexen, die in dem Stück herumspuken, das sind Eure Phantasien. Das ist die Versuchung in Eurem Kopf. Jeder möchte das gerne.“

 

„Eigentlich seid Ihr alle Macbeth und die Hexen sind Eure Phantasien“ / Kimberly Pottkaemper

Es gibt aber doch einen Unterschied zwischen Macbeth und Anderen: Er ist Soldat, er hat viele Schlachten geschlagen, hat sicherlich andere Soldaten getötet und die Brutalität des Mordens erlebt. Man weiß ja heute, dass Soldaten dadurch schwer traumatisiert werden können. Ist Macbeth auch ein Typ, der geprägt ist durch die Gewalt???

Franziska Winterberg: Die Gewalt ist klar, die ist da alltäglicher. Aber als Soldat tötet er auch aus Profession. Das ist sein Job. Da ist er ein Held und wird gefeiert. Er besäuft sich vielleicht nach einer gewonnenen Schlacht, aber nach dem Königsmord plagt ihn das Gewissen. Den begeht er aus aus eigenem Egoismus und Ehrgeiz – und hat ganz massive Skrupel. Von da an nimmt sein Leben einen negativen Verlauf. Der Krieg hat ihn nicht zerstört, aber der Mord am König zerstört ihn. Im Gegensatz zu seiner Frau. Seine Frau unterstützt ihn bei diesem ehrgeizigen Projekt. Sie denkt sich nichts Böses dabei und warum soll sie ihn auch nicht unterstützen, wenn er ehrgeizige Pläne hat? Sie stellt sich vor: hinterher geht es uns gut. Und sie versteht nicht, warum ihr Mann so darunter leidet und sich so verändert. Aber das sehe ich als etwas, das uns nicht fremd ist. Jemand, der die Leiter zu hoch gestiegen ist und dann unter dem Druck zerbricht, weil er zu viel Ehrgeiz hatte, dass er dem nicht mehr standhält. Er hat Angst, dass er gestürzt wird. Wenn man oben ist, kann man stürzen. Wenn man unten ist, kann man nicht stürzen.

Aber Lady Macbeth wird doch auch von ihrer Schuld in den Wahnsinn getrieben.
Franziska Winterberg: Ich denke nicht, dass es die Schuld ist. Ich glaube, dass sie ihren Mann verliert. Er wird ihr fremd. Meine Interpretation ist, dass sie es sich ganz anders vorgestellt hat. Deshalb habe ich sie auch sehr jung besetzt. Junge Leute, die Träume haben, dass es aufwärts geht, die Welt einem zur Verfügung steht. Alles ist gut. Dann habe ich mein schönes Haus, mein Boot und alles, was man mir so vorgaukelt. Und dann ist es so weit und dann kann der Mann mit ihr gar nichts mehr anfangen, weil er so von seiner Angst besessen ist. Sie kann das nicht nachvollziehen. Dass er weitermorden muss, versteht sie gar nicht. Und daran zerbricht sie. Der Mann geht ihr verloren, die Liebe geht ihr verloren.

Wie frei sind eigentlich alle Charaktere in ihrem Handeln und ihren Entscheidungen, angefangen bei Macbeth?
Franziska Winterberg: Sie sind nicht wirklich frei. Es gibt einen wunderbaren Satz, noch vor dem Mord. Gleich nach der ersten Versuchung von Macbeth, wo er sagt: „Wieso erschrecke ich mich denn bei dem Gedanken, es ist doch alles nur Phantasie.“ Und er schließt den Gedanken ab: „Ach, wenn das Schicksal das haben will, dann soll das Schicksal das auch machen. Ich mache nichts.“ Er gibt sich hinein in sein Schicksal, das ist er selbst. Er ist eben so und wird es nicht verhindern.

 

Foto: Kimberly Pottkaemper

Das heißt, der Mensch ist nicht frei, sondern das Schicksal entscheidet?
Franziska Winterberg: Es wird passieren, aber du entscheidest, ob es passiert. Du wirst dem Schicksal den Raum geben. Das tut er ja. Diese Entscheidung trifft er selbst. Es entschuldigt Macbeth nicht, dass das Schicksal ihm die Wahl gestellt hat. Daran zerbricht er ja auch.

Sehen Sie im Heute Parallelen zur Figur des Macbeth?
Franziska Winterberg: Ja, ich sehe sie, aber ich klebe sie nicht darauf. Ich denke, der Zuschauer macht sich seine eigenen Gedanken. Bei den Menschen, an die ich da denke, glaube ich, dass sie einfach zu viel Macht haben, mehr als sie ertragen können. Man verliert dann jedes Maß. Bei Macbeth ist es ja auch so. Vor lauter Angst, entdeckt zu werden, vor lauter Angst, das Falsche zu tun, macht er das Falsche.

Ihre Inszenierung setzt sich also auch mit der inneren Zerrissenheit Macbeths auseinander?
Franziska Winterberg: Das ist das, was ich versuche und was auch das Ensemble mitträgt. Denken Sie an die Szene, nach der er von dem Mord am König zurückkommt. Da stellt man sich vor, dass er alleine mit seiner Frau da steht und völlig blutverschmiert ist. Das ist er bei uns nicht. Es wird ans Tor geklopft und es ist das Schicksal, das da klopft. Aber den Schrecken, den körperlichen in den Augen, das Entsetzen, die Angst davor, hat das Ensemble.

Die Figuren sind zeitlos, Morden, Tyrannei und Schreckensherrschaft gibt es heute ebenso wie gestern. Wir  befinden uns in einer Spirale der Gewalt. Haben Sie als Regisseurin eine Vision, wie man diese Gewalt-Maschinerie durchbrechen könnte?
Franziska Winterberg: Nein, ich weiß es auch nicht. Ich denke mal, es wird Revolutionen geben. Aber die Erfahrung zeigt ja auch, dass Revolutionen das nicht aufhalten. Es ist in unserer Natur, animalisch und brutal sein zu können. Das kriegen wir nicht weg. Es sind nur die Situationen, die sich ändern.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

„Macbeth“ mit dem Ensemble Theater Köln-Süd ist zu sehen in der Theo-Burauen-Realschule, Severinswall 40, 50678 Köln
Die Termine: 10., 11., 12., 17., 18., 19., 24., 25., 26. November

Text: Alida Pisu

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