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Kultur

Kein Kind mehr da

Montag, 16. Oktober 2017 | Text: Alida Pisu | Bild: Barbara Siewer

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Wer mögen sie sein, die letzten Überlebenden auf Erden, nachdem die Apokalypse alles zerstört hat? In Joe Knipps wort- und bildgewaltigem Stück „Die Käfer – das rote Album“, das im Theater am Sachsenring Premiere hatte, sind es die Insekten. Ausgerechnet. Denn egal, ob sie uns lästig oder nützlich sind, ob wir sie für schädlich halten oder auf sie angewiesen sind: mittlerweile sind viele von ihnen vom Aussterben bedroht. Schuld daran ist der Mensch. Natürlich, wer sonst.

Umso spannender, dass drei Käfer Träger der Erinnerung an den Menschen sind und ihn, seine Verhaltensweisen und Gefühlswelten gleichsam unter ein Mikroskop legen, sie betrachten und sezieren. Mit großen, erstaunten Augen, die es kaum fassen können. Und mit Versen und Liedern, die den Abgesang auf die Menschheit singen.
Aus dem dunklen Off ist ein Summen zu hören, das immer bedrohlicher anschwillt. Als es schließlich abbricht und es hell wird, kleben sie förmlich an den Wänden: drei schwarze Käfer, verkörpert von Heike Huhmann, Anna Möbus und Charlotte Welling. Sie sind jedenfalls die perfekte Illusion von Käfern, in ihren spinnwebenzarten Ganzkörperkostümen, mit denen sie eine unglaublich körperliche Präsenz ausstrahlen und eine wahre Augenweide sind. Als sie feststellen, dass niemand außer ihnen die Apokalypse überlebt hat, wird ihnen klar: „Nicht ein Kind wird um uns weinen… Denn es ist kein Kind mehr da“, erinnern sie sich: „Wisst ihr noch? Der Mensch war da.“ Und beschließen, Menschen zu spielen „und wie sie das Herzchen zu fühlen.“

Damit hebt eine Collage mit Episoden und Bildern menschlicher Befindlichkeiten und Gefühlswelten an, die uns einen Spiegel vorhalten. Es ist kein schönes Bild, das in ihm zu sehen ist, aber es ist ein wahres Bild. Mal von berückender Poesie, mal von tiefster Melancholie.  Alltäglichkeiten, aber auch existentielle Grenzerfahrungen wechseln einander in flottem Tempo ab, man findet sich in allem wieder. Letztlich sind es die großen, die ewig gleichen Themen von Liebe, von Angst, von Einsamkeit und vom Wahnsinn des Lebens. Für all das findet Joe Knipp starke Worte und hat Albrecht Zummach wunderbare Kompositionen geschaffen.

 

Surrealistische und dadaistische Anklänge./ Foto: Barbara Siewer

 

Knipp hat den Wortwitz eines Ernst Jandl, die Melancholie Wolfgang Borcherts. Es finden sich surrealistische und dadaistische Anklänge, und Zummach mischt munter musikalische Elemente wie Volkslied, Balladen, Musical und Pop-Musik zusammen. Die Songs, die zu hören sind, stammen aus dem Repertoire des Kölner Chanson-Trios „Zinnober“, zu dem neben Knipp und Zummach noch Clemens Dreyer gehört. Er ist ein kongenialer Begleiter der drei Darstellerinnen, der sie unaufdringlich unterstützt und ihnen Raum lässt. Den brauchen die Käfer auch, denn was sie auf der Bühne leisten, ist Schwerstarbeit. Ein Wechselbad der Gefühle, sie taumeln von der Angst, die ein Kind in ihren Fängen hält und das von der Mutter getröstet und gehalten wird, bis hin zu orgiastischen Szenen.

Da wird fein differenziert und ausgelotet. Zeigt die pantomimische Orgie mit „Saufen, ficken, Drogen konsumieren, ficken, totschießen“ die dunkle und zügellose Seite der menschlichen Seele, so lotet die Angst-Episode ihre Verletzlichkeit aus. Es ist schon erstaunlich, wie die Käfer, denen Gefühle ja unbekannt sind, sich so stark in menschliche Gefühlswelten hineinfinden können. Man sieht ihnen zunehmend an, wie sehr es sie mitnimmt und dass sie an den Gefühlen, die sie spüren, allmählich zugrunde gehen. Fast so wie ihre menschlichen Vorbilder, die ihrem Hass, ihrer Machtgier, ihrem Ausgeliefertsein an die Abgründe des Menschlichen zum Opfer gefallen sind.

Wunderschön anzusehen sind die Bilder ohne Worte. Etwa wenn ein Käfer einen Geigenbogen über den Körper eines anderen Käfers zieht, als wäre der Körper die Geige und man den Eindruck hat, es handele sich um einen Geschlechtsakt. Oder wenn zwei Käfer ihre Arme ausbreiten und sie zu Vogelschwingen werden, vielleicht mit der Sehnsucht, dass sie sich frei fliegen könnten. Aber es geht nicht, sie stecken in ihren Körper-Panzern fest. Und: sie werden den Menschen und die Welt wohl nie verstehen. Wie sollten sie auch, er ist doch gar zu seltsam.

„Die Käfer“ muss man sehen! Weil sie eben doch eine Vision zeigen und in den Texten und Liedern eine unglaubliche Kraft steckt, die die Hoffnung auf ein Morgen für die Menschen in sich trägt. Drei großartige Darstellerinnen, ein sensibel begleitender Musiker und eine beeindruckende Inszenierung, die man so schnell nicht vergessen wird.

 

„Die Käfer – Das rote Album“ mit Texten von Joe Knipp und Musik von Albrecht Zummach
Mit: Heike Huhmann, Anna Möbus, Charlotte Welling und Clemens Dreyer
Bühne und Kostüme: Hannelore Honnen

Theater am Sachsenring, Sachsenring 3, 50677 Köln
Weiteren Termine: 23., 24., 25., 30. November, 1. Dezember 2017

Text: Alida Pisu

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