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Glaube

Geht Pfarrer Quirl in Rente, ist in St. Severin die Messe gelesen. Oder?

Donnerstag, 18. April 2019 | Text: Stefan Rahmann | Bild: Stefan Rahmann

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Eigentlich müsste die Gemeinde ihren Pfarrer auf Händen tragen. Das würde der natürlich niemals wollen. Aber rund um den Kirchturm von St. Severin ist jedem klar, dass es die Gemeinde in der jetzigen Form nur geben wird, solange Johannes Quirl dort die Messe liest. „Wenn unser Pfarrer in den Ruhestand geht, wird die Gemeinde Teil des Sendungsraums Köln-Mitte“, wirft Dr. Joachim Oepen, Mitglied des Kirchenvorstands von St. Severin, einen Blick in die Zukunft. Unter lautstarkem Beifall hat der 64-jährige Quirl kürzlich bei einer Gemeindeversammlung offenbart, dass er mindestens bis zu seinem 70. Lebensjahr Pfarrer in St. Severin bleibt. Die Regelung im Erzbistum laute: „Bis 70 muss ich, bis 75 darf ich“, so der Geistliche.

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Sendungsraum Köln-Mitte bedeutet, dass in der Innenstadt sechs Seelsorgebereiche zusammenarbeiten sollen. Jeder Bereich hat eine sogenannte Hauptkirche. Im Norden ist das etwa St. Agnes, im Süden ist es St. Severin. Zugeordnet sind dort als „weitere Kirchen“ St. Paul, St. Johann Baptist, St. Maternus und die Maria-Hilf-Kirche an der Rolandstraße. Das gilt heute schon. Koordiniert wird der Sendungsraum von Pfarrer Dr. Dominik Meiering, der auch in der Severins-Gemeinde höchsten Respekt für den Versuch genießt, diese Mammutaufgabe zu bewältigen. Das Ziel bezeichnet Meiering selbst als ehrgeizig: Die Kirche müsse sich etwas einfallen lassen, „damit sie ihrer Sendung nachkommt, damit Kirche – auch über den vertrauten Kontext der eigenen Gemeinden hinaus – bei den Menschen (wieder) als nah, wirksam und zugewandt erlebt wird, und der Glaube wieder als relevant und bereichernd.“ Was das alles konkret für St. Severin bedeutet, ist Oepen und Elisabeth Wessel, Vorstand im Pfarrgemeinderat, noch nicht wirklich klar. Klar ist beiden aber auf jeden Fall: Ohne haupt- und ehrenamtliche Laien wird es nicht gehen. „Die Kirche der Zukunft wird weniger klerikal sein müssen“, ist sich Wessel sicher. Weil es schlicht und ergreifend weniger Kleriker geben wird.

Wessel Oepen

Elisabeth Wessel und Joachim Oepen im Gespräch mit meinesuedstadt.de.

Der Weg führe zurück in Richtung christliche Urgemeinde. Ob der Erzbischof das wolle? Wessel und Oepen sind sich da nicht so sicher. Aber die beiden Laien haben Ideen. „Beispielsweise muss ein Pfarrer nicht automatisch Verwaltungs-Vorgesetzter sein“, sagt Oepen. Das Erzbistum müsse den Gemeinden hauptamtliche Vorgesetzte finanzieren. „Geld ist ja nicht das Problem“, sagt Oepen und lächelt: „Da die Zahl der Pfarrer ja bis 2030 auf die Hälfte des heutigen Standes sinken wird, spart das Bistum in diesem Bereich enorme Personalkosten.“

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Auch die Gottesdienste würden sich verändern. „Vielleicht kommt dann nur noch sonntags ein Priester, um die Messe zu lesen. Und wir erleben unter der Woche priesterlose Gottesdienste.“ Schon heute gebe es in der Gemeinde zwölf Menschen, die regelmäßig „Wortgottesfeiern“ leiteten. „Ein seltsames Wort“, findet Wessel. Auch Beerdigungen in der Gemeinde von St. Severin sind nicht mehr alleinige Sache der klerikalen Profis. „Beispielsweise beerdigt die ehemalige Leiterin der Kita An der Eiche bei uns. Sie kennt viele Leute aus dem Severinsviertel und der Südstadt. Und viele Leute kennen sie. Da ist Vertrauen entstanden“. „Es geht darum, wie nah wir als Kirchenleute bei den Menschen sind“, ergänzt Oepen.

Severinale

Im September werden wieder die Bänke aus der Kirche entfernt.

Trotz der demographischen Entwicklung und den damit einhergehenden sinkenden Kirchensteuereinnahmen hat die Severins-Gemeinde mehr Spielraum als viele andere. Die Katholiken dort darf man bei aller gebotenen Zurückhaltung wohl vermögend nennen. Das verdankt man Karl Brust und der Parkstadt Süd. Der Reihe nach: Brust war von 1777 bis 1802 Stiftsherr an St. Severin. Er starb 1838 und vermachte einer Stiftung Ackerland vor den Toren der Stadt, aus dessen Erträgen die Verehrung des heiligen Severin materiell sicher gestellt werden sollte. Die Erträge hielten sich in Grenzen. Vor nicht allzu langer Zeit wurde das Land gar als Schrottplatz genutzt. Dann wurde über Nacht aus Schrott Gold. Die Gemeinde konnte das Grundstück für sechs Millionen Euro als Parkstadt-Bauland verkaufen. Das Geld investierte man in den Kauf von 40 Wohnungen im Veedel. Damit verfügt die Gemeinde St. Severin über insgesamt 100 Wohnungen in der Südstadt, die sozial verträglich vornehmlich an Familien vermietet sind. 60 Prozent der Stiftungserlöse, also der Mieten, werden für den Unterhalt der Severinskirche verwandt, 37 Prozent für pastorale Aufgaben in der Gemeinde und drei Prozent für das alljährliche Severinusfest. Die pastoralen Aufgaben übernehmen etwa eine junge Pädagogin mit einer halben Stelle und eine Sozialarbeiterin im Familienzentrum der Gemeine, die Caritasberatung leistet für die vielen Hilfe suchenden Menschen, die sich in ihrer Not an die Gemeinde wenden.

Severinale

Spektakulär war die Lichtinstallation vor zwei Jahren in der Severinskirche.

„Zur Zeit steckt die Gemeinde in den Vorbereitungen auf die Severinale“, berichtet Elisabeth Wessel. Vom 31. August bis zum 15. September ist ein abwechslungsreiches Programm in St. Severin geplant. Wie vor zwei Jahren nach dem Ende der Kirchensanierung werden die Bänke herausgeräumt. Dann wird es wieder eine Lichtinstallation geben. Dazu ein Mitsing-Konzert, Lesungen und eine Filmnacht. Es tut sich was in dieser lebendigen Gemeinde. Auf allen Ebenen.

Text: Stefan Rahmann

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