Bis zur Endstation der Südstadt.
Montag, 29. August 2011 | Text: Sonja Alexa Schmitz | Bild: Sonja Alexa Schmitz
Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten
Es ist der Morgen nach diesem heftigen Gewitter. Ich werde früh wach, vielleicht weil ich ahne, dass die Welt da draußen auf mich wartet, gesehen zu werden. Ich sehe den Chlodwigplatz wach werden, die Menschen bei Merzenich und Backwerk frühstücken, und warte auf den Bus. Zuerst steige ich in den Falschen. Die 132 fährt nicht nach Marienburg. Der freundliche Busfahrer erklärt mir, ich müsse die 106 nehmen. Er erklärt ausführlich, und ich habe schon ein schlechtes Gewissen, denn seine Fahrgäste warten. Ich steige also um, und lasse mich mit der 106 an die Endstation bringen.
Während der Fahrt denke ich über das Leben eines Busfahrers nach. Die Busse machen ihre Türen auch hinten auf, vorne steigen nur wenige ein, und die, die das tun, grüßen den Fahrer nicht. Nicht mit dem Fahrer sprechen. Nicht mal ein Guten Tag !? Das kenne ich anders. Ich habe in Paris gelebt, und bin oft und sehr gerne dort mit dem Bus gefahren. Pariser grüßen den Busfahrer. Und der grüßt zurück. Viele, viele Male am Tag. Auf Schildern wird da sogar hingewiesen auf Freundlichkeit im Bus le bus attitude- heißt das da.
Ich fahre bis zur Endstation. Wenn der Fahrer nicht gleich weiterfährt, dann will ich ihm ein paar Fragen stellen, nehme ich mir vor. Ich habe sechs Minuten, sagt mein Busfahrer. Er heißt Conny, ist 48, und fährt seit 20 Jahren (!) Bus. Stimmt, die meisten grüßen nicht. Das liegt immer ein bisschen dran, durch welches Viertel man fährt. Hier in Marienburg wird schon eher gegrüßt. In Kalk und Meschenich eher nicht. Ist das nicht langweilig, wenn man den ganzen Tag mit keinem spricht? Eine Schicht dauert immerhin acht bis neun Stunden. Nein, es fühlt sich an wie mein eigenes Ding. Ich mache hier meine Arbeit. Ich fahre. Irgendwann schließe ich den Bus ab, gehe nach Hause und freue mich, weil ich meinen Job getan habe. Fühlt man sich denn nicht manchmal einsam als Busfahrer? Ehrlich gesagt, es gibt Kollegen, die hätten am liebsten, wenn hier meine Fahrerkabine ganz geschlossen wäre. Man hat halt auch oft Ärger. Man muss Verbote aussprechen und Streite schlichten. Da gibt es manchmal unschöne Situationen. Da wäre es einem schon lieber, man hätte hier seine Ruhe, und könnte einfach nur fahren. Ich habe gedacht, ich würde lieber auf den Aufkleber schreiben Bitte mit dem Fahrer sprechen, statt Schweigen zu verordnen. Aber dann wohl eher doch Fahrer in Ruhe lassen. Ich bin noch ein wenig neugierig, und erfahre, dass ein Fahrer immer die Route wechselt. Manchmal dreimal am Tag. Schade, denke ich, so kann man ja keine Stammgäste haben, die einen Plausch erlauben. Aber es hat einen Grund, nämlich die Fahrer wach zu halten. Zu viel Routine durch immer dieselbe Strecke führt scheinbar schneller zur Ermüdung und Unaufmerksamkeit.
Irgendwas piepst und ich frage, ob das sein Zeichen zum Weiterfahren ist. Ja, in 20 Sekunden geht´s weiter, sagt der freundliche Conny.
Ich steige also aus, und gucke mir meine Umgebung an. Schön hier! Ich stehe vor einem Kiosk?/Café?. Ein Häuschen mitten auf dem Platz, der linke Teil sieht aus wie ein klassisches Büdchen mit Zeitschriften, Zigaretten und Ritter Sport, der rechte Teil sieht aus wie ein sehr persönlich gestalteter Shop mit Café-Charakter. Auf der Scheibe steht Emma Deli-Kiosque. Ich gehe rein. Als erstes fällt mir die Musik auf. Südamerikanisch, aus einem mir unbekannten Radiosender. Dann staune ich über Weine vom Weingut Kirsten, schön angeboten in an die Wand genagelten Holzkisten. Dann begrüße ich die Frau hinter der Theke. So ein schöner Ort, lobe ich. Die junge Frau freut sich mit mir: Ja, nicht wahr! Und ich denke mir, sie muss froh sein, so einen netten Platz zum Jobben gefunden zu haben. Der Laden gehört mir und meiner Freundin. Wir haben ihn im März eröffnet. Na, dann ging das Kompliment ja gleich an die richtige Stelle. Wie kam das? Was macht ihr sonst? Du bist noch jung? Ich will alles wissen. Ich bin 31, meine Freundin 29. Ich bin eigentlich Sporttherapeutin und Sarah Modedesignerin. Wir hatten vorher schon ein Business zusammen. Wir machen Catering mit einer Suppenkanone. Unser Fleisch beziehen wir vom Hennes. Der kannte uns nun ganz gut, und sagte irgendwann, dass da ein Laden frei wird , das wäre was für uns. Der Vorbesitzer, Thomas, fährt jetzt mit dem Motorrad durch Turkmenistan.
Ein Paar kommt rein, sieht sehr marienburgerisch aus und fragt nach Frühstück. Kaffee, frisch gepresster O-Saft und Salamibrötchen bekommen sie raus serviert, an den einzigen Tisch , eine charmante Flohmarkt- Holz – Sitzgruppe. Das heißt, so einfach ist das nicht, denn plötzlich steht halb Marienburg vor und im Laden. Vorne brauchen sie Zeitungen, Latte Macchiato, Zigaretten, drinnen steht ein Trupp Bauarbeiter und verlangt nach geschmierten Brötchen. Ich fühle mich heute irgendwie leicht gestresst. Weiß gar nicht warum, sagte mir die junge Inhaberin, noch bevor die Meute zu sehen war. Kann ich dir helfen? Nein, nein. Aber irgendwann wird die Not wohl zu groß. Wenn du mir wirklich helfen magst, dann könntest du die Orangen dort auspressen. Ich presse Orangen aus, ich bringe den Saft an den Tisch, Noch zwei Kaffee bitte!, mache ich auch. Die Thermoskannen sind leer. Also setze ich gleich noch neuen Kaffee auf. Salamibrötchen sind fertig. Sehen schön aus, mit frischen Salat drin, schön auf dem eckigen Teller angerichtet. Ich bringe sie raus. Immer kommen neue Leute. Anouschka, sagt mir meine neue Chefin, und reicht mir die Hand. Freut mich! Sonja. Ich kassiere einen Stadtanzeiger und einen Spiegel, und dann steht plötzlich mein Busfahrer Conny vor dem Verkaufsfenster. Ich mache ihm seinen Kaffee (für kvb-Fahrer nur einen Euro), stecke zwei Weckchen in die Tüte und sage: Gut, dass ich mich mit Ihnen nicht länger unterhalten habe, sonst müsste ich jetzt Bus fahren.
Dann lerne ich Harald kennen. Ein Mann im Anzug, der am Stehtisch eine Latte macchiato trinkt und ein Weckchen mit Marmelade ißt. Was macht es denn heute? fragt er, und Anouschka und er lachen. Sie scheinen da so einen running gag zu haben. Harald kommt jeden Tag, und jedes Mal muß er einen anderen Betrag zahlen. Im Rechnen sind wir halt sehr kreativ.
Hinterher, als die Welle abgeebbt ist, und wir gemeinsam einen Cappuccino trinken, erzählt mir Anouschka, daß Harald Chef einer großen Firma ist. Die machen Waffeln für Hanuta und sowas. Der lebt in seiner Wirtschaftswelt, geht mit Millionen um, und jeden Morgen schmiere ich ihm sein Marmeladenweckchen und wir plaudern aus unserem Alltag.
Ein anderer Kunde kommt, sie nennen ihn den iranischen Gärtner, und er schenkt ihr Tomaten und Gurken. Du glaubst nicht, wie oft wir hier Gemüse geschenkt bekommen. Frisch aus den Gärten hier ringsrum.
Was noch fehlt, ist die zündende Idee. Was kann man den Menschen noch anbieten, außer den üblichen Kiosk-Dingen? Ich schlage verpackte Salate und geschnittenes Obst vor. Das können die Leute gleich mit in die Mittagspause nehmen. Ich überlege hier Zettel zu verteilen an die Kunden. Was wünscht ihr euch von einem Kiosk? würde drauf stehen.
Das kann ich doch auch machen. Über meine Südstadt, biete ich an.
Also Aufruf an Euch: Was soll ein Kiosk mehr können außer Kaffee, Zigaretten und Zeitungen?
Anouschka Brosowski und Sarah Dudda freuen sich über eure Ideen und Anregungen! Schreib uns deine Idee als Kommentar.
Und ich freue mich diesen charmanten Zipfel am äußersten Ende der Südstadt kennengelernt zu haben.
Emma Deli-Kiosque
Am Südpark 0
Tel: 0221-34211
Öffnungszeiten:
Mo-Fr 7- 19 Uhr
Sa und So 8.30 bis 15.30 (da gibt frisch gebackenen Kuchen)
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