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Südstadt

Verborgene Schätze: Ein Privatmuseum im Vringsveedel

Dienstag, 13. September 2011 | Text: Wassily Nemitz | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Als ich am Sonntagmorgen auf einer Party erwähne, jetzt doch langsam mal gehen zu müssen, weil ich im Laufe des Tages in einen Holzhandel gehen wolle, sind die Begeisterung und der Neid bei den anderen Gästen kaum noch in Grenzen zu halten – so etwas Spannendes erlebt man ja nicht alle Tage!

Und so mache ich mich am nächsten Nachmittag im strömenden Regen, es ist  auch noch der 11. September, auf zur Landsbergstraße 16 im Severinsviertel. Ein von außen unscheinbares Gebäude – hier sitzt die Firma „Holz Schumacher“, zwar ein wahres Traditionsunternehmen aus der Südstadt (seit 1830 im Viertel vertreten). Auf den ersten Blick tatsächlich nicht Besonderes, Holzhändler gibt es schließlich nicht nur in der Südstadt.

Doch einmal im Jahr wird „Holz Schumacher“ auch für all jene interessant, die kein Holz kaufen möchten: Am „Tag des offenen Denkmals“ Anfang September stehen die Türen offen an der Landsbergstraße. Das Grundstück ist ein Denkmal in vielfacher Hinsicht.

Es stehen bereits einige in Regenjacken verhüllte Interessenten in der Tordurchfahrt und schütteln ihre Schirme. Ein „Holz Schumacher“-Mitarbeiter in grünem Pullover begrüßt die Anwesenden und bittet sie hinein. Dieser Aufforderung kommen sie gerne nach und sehen sich mehr oder weniger interessiert die ausgestellten Parkett-Garnituren an. Diese Freude ist nur von kurzer Dauer, denn schon bald erscheint Wiljo Schumacher, Geschäftsführer und eine Art Firmen-Patriarch, im Türrahmen. Er selbst gehört schon zu den älteren Semestern, führt die Firma bereits in 5. Generation. Seine Vorgänger kann man in einer Art Ahnengalerie im Museumsraum bestaunen – allesamt ernst drein blickende Männer mit im Laufe der Zeit kürzer werdenden Bärten.

 

„Ich habe mich gefragt: Kann ich meine Interessensgebiete Kunstgeschichte und Handel miteinander verbinden?“, wird Wiljo Schumacher später sagen. Dass er die Frage mit „Ja“ beantworten konnte, zeigt ein Rundgang durch das „Privatmuseum 2.000 Jahre Geschichte im Severinsviertel“: Diese 2.000 Jahre Geschichte zeigen sich genau hier, an Ort und Stelle.

Wiljo Schumacher, gekleidet in einen schwarzen Anzug mit roter Krawatte, ergreift das Wort. In diesem Jahr sei das 19. Jahrhundert der Schwerpunkt des Tags des offenen Denkmals allgemein, berichtet er – deswegen wolle er sich in seinen Äußerungen vor allem auf diesen Zeitraum beschränken. An diesen Anspruch wird er sich kaum halten – schlimm finde ich das nicht, denn ich bin zum ersten Mal hier. „Um die Römer kommt man hier in Köln ja nicht herum – also beginnen wir mit denen!“, erklärt Schumacher und führt die Gruppe aus etwa 25 Personen, zumeist bereits leicht angegraut, durch die Holzlagerhalle hin zu einer alten Mauer. Diese begrenzte zwischen 1891 und 1945 eine „Volksbadeanstalt“ – von der Bevölkerung damals im Gegensatz zu heute als Reinigungs- und nicht als Vergnügungs- oder Sportstätte gedacht. Beim Bau des Schwimmbades mehr oder weniger achtlos weggerissen wurden römische Gräberfelder, die sich unterhalb des Geländes befanden.

 

Damals, also vor etwa 2.000 Jahren, lag die heutige Landsbergstraße vor den Toren der Stadt, die erst am Waidmarkt begann. Nahe der römischen Haupt-Nord-Süd-Achse, der heutigen Severinstraße, wurden Römer bestattet. An dieser Stelle vor allem weniger wohlhabende, sodass keine spektakulären, aufwendigen Urnen oder ähnliches aufgefunden wurden.

 

Wiljo Schumacher weist später, im Ausstellungsraum, auf eine „Urne“ hin, bei der es sich um einen ehemaligen Kochtopf zu handeln scheint: „Das kann gut sein, wenn der Opa gestorben ist, hat man seine Asche halt in den Kochtopf geworfen und anschließend bestattet.“

Auf dem ehemaligen Gräberfeld stehen auch sechs Pfähle aus Holz – die ältesten Kölns. Nachweislich stammen sie aus dem 1.Jahrhundert – und könnten genauso gut gerade von Schumachers Mitarbeitern vom LKW geladen worden sein. Bei Bauarbeiten zur Nord-Süd-Stadtbahn am Kurt-Hackenberg-Platz wurden sie gefunden, hier wird getestet, was mit ihnen passiert, wenn sie an der Luft stehen. Darüber hinaus gibt es noch andere Lagerorte, unter anderem im Sand.


Mehr als fünf Jahrhunderte stand auf dem Grundstück dann das so genannte „Kloster Sion“. Von dem 1246 errichteten und 1809 zerstörten Gebäude stehen heute noch einzelne Steine, die bei der Tieferlegung einer Halle wieder zum Vorschein kamen. Außerdem sind einige von ihnen im Ausstellungsraum zu sehen.
Im Laufe der Geschichte wurde das Gelände immer weiter genutzt – Schumacher schlägt mit seinen Erläuterungen den Bogen über ein Beginenkonvent (14./15.Jahrhundert) und ein Cellitinnenkloster der Heiligen Dreifaltigkeit bis hin zu einem Wohnhaus im Stile der Neogotik – gebaut 1843 und somit im Mittelpunkt der heutigen Führung.

 

Entworfen wurde das Gebäude von dem Architekten Friedrich von Schmidt, der u.a. mit dem Bau des Wiener Rathauses zu Berühmtheit gelangte. Im Krieg, 1943, wurde das Haus weitgehend zerstört und nach dem Krieg abgerissen – damals habe man sich, getrieben vom dringenden Wohnungsbedarf, nicht an der Ästhetik des Gebäudes (die man ohnehin wenig attraktiv fand) orientiert, sondern lediglich die Schaffung von neuen Wohnungen im Blick gehabt.

Schumacher, viele kölsche Anekdoten erzählend, hat es die Geschichte dieses Hauses ganz besonders angetan – er hat zahlreiche Objekte dazu in seiner Sammlung.
Seit 1910 residiert Holz Schumacher an der heutigen Stelle; nicht nur deswegen ist auch die Firmengeschichte ausführlich dargestellt.

Der Zahl der Ausstellungsstücke entsprechend sind die Besucher angetan – sie bekunden durch Ausrufe wie „Oh!“ oder „Wie interessant!“ ihre Begeisterung beispielsweise für ausgestellte Flößer-Bilder, deren Zusammenhang mit dem Grundstück nicht ganz klar wird. Aber wir befinden uns ja in Rhein-Nähe.

Zum Ende der Führung begibt sich die Gruppe der Besucher mit Wiljo Schumacher wieder vor das Gebäude – hier gibt es noch zwei Steinköpfe zu sehen, die das Verhältnis zwischen Adel und Bürgertum im 19. Jahrhundert ansprechend repräsentieren.

Warum hat Wiljo Schumacher diese Sammlung überhaupt zusammengestellt?  „Ich habe vor 14 Jahren angefangen, das mit der Zeit Aufgefundene zu strukturieren“, erzählt er, „mein Hauptanliegen ist es vor allem, die wirklich interessante Geschichte dieses Grundstücks einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen.“
Trotzdem ist das Museum nicht wirklich bekannt; auch wenn Schumacher aufzählt, worin es überall zu finden sei (u.a. „111 Orte, die ein Kölner gesehen haben muss“). Zu besichtigen ist es nur nach Voranmeldung – dann kann Schumacher auch auf spezielle Themengebiete besonders eingehen. Genaue Besucherzahlen möchte Schumacher nicht nennen, „es gibt aber schon viel Resonanz“, behauptet er.

Nach einer Stunde wird mir klar, dass meine zugegebenermaßen nicht wirklich große Erwartungshaltung vor dem Besuch mehr als erfüllt wurde – mitten in der Südstadt lagert ein Stück Geschichte, das vielen leider verborgen bleibt.
Das nächste Mal werden die anderen Gäste vielleicht also nicht nur im ironischen Sinne vor Neid erblassen, wenn ich ihnen von meinem bevorstehenden Besuch in der Holzhandlung erzähle…

 

 

Privatmuseum „2000 Jahre Geschichte im Vringsveedel“

Landsbergstrße 16, Toreinfahrt

Voranmeldungen für einen Museumsbesuch unter der Telefon-Nummer 0221-316065

Text: Wassily Nemitz

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