Aus für Südstadt-Theater: Traurigkeit auf beiden Seiten?
Mittwoch, 30. Oktober 2019 | Text: Susanne Wächter | Bild: Judith Levold
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Glaubt man der Stadt, bedauert sie das Ende vom Theater am Sachsenring. Glaubt man Betreiber Joe Knipp, hat die Stadt das Theater am langen Arm verhungern lassen. Eine Chronologie der Missverständnisse?
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Dreiling Orthopädie-SchuhmacherDas Aus des Theaters kündigte Theaterleiter Joe Knipp auf seiner Webseite an (wir berichteten). Realisiert aber habe er das Ende noch nicht wirklich, wie er sagt. Und noch steckt er tief in der Theaterarbeit. Eine Premiere steht noch aus. Ganz anders ergeht es seinen Schauspielern. Diejenigen, die bereits ihre letzte Vorstellung gebeben haben, heulten zum Schluss wie die Schlosshunde, wie Knipp erzählt. Das ginge auch ihm nahe, aber bis Ende des Jahres liefe der Betrieb ja noch.
Die Theaterszene nicht nur in der Südstadt benötigt Zuschüsse von der Stadt. Auch Oper und Schauspiel der Stadt könnten nicht ohne überleben. Während die städtischen Betriebe jedes Jahr automatisch mit insgesamt mehr als 70 Millionen Euro bezuschusst werden, muss die freie Theater-Szene um jeden Cent kämpfen. Ohne Anträge zu stellen läuft gar nichts.
Mehrere Zuschüsse erhalten
Auch das Theater am Sachsenring stellte Anträge. Für Projektzuschüsse, für die Miete oder um liquide zu bleiben. In den Jahren 2017 bis 2019 seien das insgesamt knapp 53 000 Euro gewesen, ohne die „Liquiditätshilfe“, wie die Stadt auf Anfrage mitteilt. Auskünfte über letztere seien nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Knipp spricht von 15 Prozent, die gewährt worden seien. Zu wenig, um das Theater zu halten. Knipp sagt aber auch, man habe „über drei Jahrzehnte und 14 Jahren ohne Betriebsförderung auskommen müssen“. Das sieht die Stadt anders. 2017 zahlte sie nach eigener Auskunft einen Projektzuschuss für die Produktion „der Käfer“ von 9000 Euro, gleichzeitig erhielt das Theater einen Mietkostenzuschuss in Höhe von 5000 Euro, nochmal 5000 Euro für die Vorbereitung der Inszenierung „die Möwe“ und 5000 Euro für den Druck von Programmheften zum 30-jährigen Jubiläum. Ein Jahr später, 2018, erhielt das Theater einen Projektkostenzuschuss für „Püdel Tam Tam“ und „Tür auf, Tür zu“ in Höhe von 13.400 Euro. Für das laufende Jahr einen Mietkostenzuschuss in Höhe von 7680 Euro und eine nicht öffentliche Summe als Liquiditätshilfe.
Stadt verlangte wirtschaftliche Unterlagen
Grundsätzlich bedauert die Stadt nach eigenen Angaben das Aus des Theaters. Die aktuelle Lage betrachtet die Leiterin des Kulturamtes, Barbara Förster, im Zeitstrahl der Aktivitäten seitens der Stadt. In ihrer Antwort auf unsere Nachfrage heißt es, dass „das Theater am Sachsenring nach dem Ausbleiben der Konzeptionsförderung im Jahr 2005 in immer größere wirtschaftliche Not geraten ist, da es seinen Spielbetrieb in erheblichem Umfang mit Hilfe privater Geldgeber auf Darlehensbasis aufrechtzuerhalten versuchte. In dieser Situation hatte das Theater mehrere Schreiben an die Spitze der Verwaltung und die Kulturpolitik gerichtet, mit der Bitte, durch einen Schuldenschnitt sowie die Gewährung von institutioneller Förderung sofort Abhilfe zu schaffen.“
Die Stadt sei nicht abgeneigt gewesen und habe zur Prüfung des Sachverhaltes das Theater aufgefordert, Einblick in die wirtschaftlichen Daten des Hauses anhand eines aktuellen Wirtschaftsplanes zu gewähren sowie einen inhaltlichen und wirtschaftlichen Konsolidierungsplan mit einer Perspektive von vier Jahren aufzustellen. Die gleichzeitige Überprüfung der Gesamtsituation anhand der eingereichten Unterlagen des Theaters habe mehrere beunruhigende Ergebnisse gezeigt, die an einer ordnungsgemäßen, den wirtschaftlichen Möglichkeiten des Hauses angepassten, planvollen Lenkung des Theaters zweifeln lassen würden. „Mit Entscheidung vom Juni hat der Kulturausschuss die Verwaltung beauftragt, 2019 einen einmaligen Liquiditätszuschuss an das Theater zu gewähren, dies wurde auch realisiert“, so Förster, die bedauert, dass sich das Theater offensichtlich nicht wirtschaftlich stabilisieren konnte. Es sei außerdem verabredet worden, in einem Gespräch im Herbst die weitere Existenz des Theaters zu besprechen. „Auf mehrfache Nachfrage des Kulturamtes wurden vom Theater jedoch nicht die nötigen Unterlagen vorgelegt, damit sich das Kulturamt einen vollumfänglichen Überblick über die wirtschaftliche Situation machen konnte, stattdessen wurde die Schließung des Theaters angekündigt.“ Diesen Schritt bedaure das Kulturamt sehr.
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Ralph Ley – SteuerberaterIrgendwie wird was weitergehen
Für Knipp scheint es an diesem Schritt nichts zu rütteln zu geben. Für ihn werde es irgendwie weitergehen. „Ich bin ein guter Regisseur, ich werde Engagements erhalten.“ Und womöglich gebe es auch irgendwann einen anderen Ort. Zur Zeit probt Knipp noch für das Weihnachtsstück mit den beiden Engeln, die letzte Vorstellung im kleinen Theaterraum am Sachsenring gibt am Sylvester-Abend Kabarettist Thomas Reis. „Ich hoffe, dass hier ein Theater bleibt – wer immer es auch leiten mag!“ sagt Joe Knipp niedergeschlagen.
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