Es steht viel rum im öffentlichen Raum: Das soll so schnell wie möglich weg
Mittwoch, 11. Dezember 2019 | Text: Stefan Rahmann | Bild: Stefan Rahmann
Geschätzte Lesezeit: 2 Minuten
Paul Intveen benutzte ein eindrückliches Sprachbild, um das Problem zu verdeutlichen. „Was finden Sie im öffentlichen Raum vor: Dinge, die Sie umschubsen können, Dinge, die Sie umschubsen, und Dinge, die nicht umgeschubst werden können“, sagte der Bankkaufmann in der
Lindenthaler Bezirksvertretung. Intveen, Jahrgang 1965, ist Mitglied der Stadtarbeitsgemeinschaft Behindertenpolitik und des Arbeitskreises „barrierefreies Köln“. Der Langstocknutzer ist aufgrund einer degenerativen Netzhauterkrankung blind.
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Café Kult – hier ist der Name ProgrammIntveen war in das Stadtteilparlament gekommen, um als Experte über die Verwaltungsvorlage „Herstellung von Barrierefreiheit auf Kölner Gehwegen“ zu sprechen. Die Vorlage macht derzeit die Runde durch die neun Bezirksvertretungen. „Ich möchte dafür werben, dass Sie sich von dem Bild trennen, hier würden wir nur über Menschen mit Behinderungen sprechen. Ich möchte,dass sich alle Fußgänger frei, sicher und bequem im öffentlichen Raum bewegen können.“ Die Realität sei eine andere. Überall stünden unterschiedlichste Dinge dieser Forderung buchstäblich im Weg. „Werbetafeln, Bänke, Bäume, E-Scooter und Autos, deren Fahrer rücksichtslos die Bürgersteige als Parkplätze nutzen.“
Die Verwaltung hat in ihrer Vorlage Entscheidungsalternativen vorgestellt (siehe unten), um die Barrierefreiheit herzustellen. Während die Alternative 1 einzelfallbezogene Prüfungen vorsieht, zeigt sich die Alternative 2 deutlich strenger. Die Stadtarbeitsgemeinschaft Behindertenpolitik lässt an ihrer Meinung keinen Zweifel zu. „Wir haben uns für die Alternative 2 entscheiden“, erklärte Intveen. „Für uns ist die Alternative 1 viel zu weich.“
Eine generelle Aussage müsse her, um ein grundsätzliches Umdenken einzuleiten. „Schon seit vielen Jahren wird versucht, den öffentlichen Raum freizumachen von Dingen, die im Weg stehen. Erfolgreich war man dabei nicht“, fuhr er fort. Die Alternative 1 verweise auf eine Anlage. „Gefühlt 37 Ämter haben in dieser Anlage ihre Bedenken formuliert. Es gibt gegenläufige Interessen. Das Ordnungsamt etwa hat nicht genügend Personal, um die Barrierefreiheit zu kontrollieren. Ämter, die mit Parken befasst sind, monieren, dass Parkplätze wegfallen. Die Verwaltung möchte nach der Devise handeln ,Wir gucken mal, wie es im Einzelfall ist’. Das lehnen wir ab.“
Ausdrücklich lobte Intveen die Initiative „Sitzen statt Parken“. Außengastronomie auf Parkplätzen vor den Kneipen bedeute mehr Platz auf dem Bürgersteig. Danach meldete sich die Seniorenvertreterin Anne Klug zu Wort und brach eine Lanze für die Älteren: „Sie haben gesagt, dass auch Bänke im Weg stehen. Wollen Sie zum Beispiel die Bänke vor dem Clarenbachstift abbauen?“ Nein, so rigoros wollte Intveen weder gegen Bänke noch gegen Bäume vorgehen. Aber: Ginge es nach Alternative 2, würden Ersatzbäume für gefällte „Kollegen“ nicht an Stellen gepflanzt, an denen sie die Barrierefreiheit verhindern.
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Das Musikhaus Süd – lebendiges Kulturzentrum für alleDie Bezirksvertreter konnten und wollten sich während dieser Sitzung nicht zu einer der Alternativen durchringen und beschlossen auf Intervention von Bezirksbürgermeisterin Helga Blömer-Frerker, die Entscheidung auf die nächste Sitzung zu vertagen. Auch die Bezirksvertreter aus der Innenstadt haben den Beschluss in der Sache während ihrer jüngsten Sitzung zurückgestellt.
Im Wortlaut:
In der Alternative 1 wird einzelfallbezogen geprüft: „Die Barrierefreiheit ist bei Entscheidungen, die den öffentlichen Raum betreffen, besonders zu berücksichtigen. Um in beengten Bestandssituationen einen Ausgleich zwischen allen Akteuren im öffentlichen Raum zu schaffen, ist weiterhin jeder Einzelfall zu betrachten und unter Berücksichtigung von sachlichen und objektiven Kriterien zu entscheiden. Eine starre Regelung ist im Bestand nicht praktikabel.“
Die Alternative 2 ist rigoroser: „Auf allen Gehwegen innerhalb der Stadt Köln soll unverzüglich eine barrierefreie Mobilität gewährleistet werden. Das Amt für öffentliche Ordnung ist angehalten, für die Aufrechterhaltung der barrierefreien Mobilität zu sorgen und die Gehwegbreite von 1,50 Meter zuzüglich 0,2 Metern zum Haus und 0,3 Meter zu den Pkw und Begegnungszonen nach 15 Metern mit geeigneten Maßnahmen zu realisieren. Eine Unterschreitung ist nur dann möglich, wenn der Gehweg eine bauliche Breite von zwei Metern nicht aufweist.“
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