Mit Ludwig Sebus aufm Klo
Montag, 30. März 2020 | Text: Reinhard Lüke
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Ich wähne mich jetzt echt nicht als Influencer, aber okay, ich nehm´s auf meine Kappe. Als ich hier vor zwei Wochen die Konsumenten ermahnt habe, sie sollten das Horten von geschmacklosen Aufbackbrötchen lassen und sich stattdessen Mehl und Hefe kaufen, habe ich mit dieser Gefolgschaft nun wirklich nicht gerechnet. Aber prompt waren Mehl und das Treibmittel Mangelware in unseren Läden. Ist ja schön, wenn die Leute wieder ans Backen kommen, aber sie müssten doch nicht heute schon die Zutaten für die Weihnachtsplätzchen bunkern. Aber wer weiß in diesen Tagen schon, wie die Menschen ticken und vielleicht fällt Weihnachten ja genau so ins Wasser wie Ostern. Auch der Wettstreit um das Wort des Jahres, so er denn diesmal überhaut ausgetragen wird, ist vermutlich schon im März entschieden. Oder sollte es am Ende doch noch zum erbitterten Rennen zwischen Corona und Klopapier kommen? Wobei es Klopapier auch vor Corona eigentlich nirgendwo zu kaufen gab. Auf den Packungen stand schon immer „Toilettenpapier“. Klingt doch auch irgendwie eleganter. So nach einem Hauch von Eau de Toilette. Aber für solche Feinheiten ist momentan nicht die Zeit. Dennoch erscheint es mir noch immer absurd, wenn auf unserer facebook-Seite eine Frau nach Tipps fragt, wann und wo man trotz der grotesken Hamsterei vielleicht doch noch eine Packung 3-Lagiges erstehen könnte und daraufhin 250(!) Menschen antworten. Wobei die meisten allerdings nur überaus hilfreich kundtun, dass sie vor zwei, drei Tagen irgendwo noch was bekommen haben oder wissen lassen, dass sie auch nix wissen.
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Jidokan e.V. – Haus der Kampfkünste und FreundschaftNicht nachmachen!
Und dann kommt der EXPRESS und lobt den ewig fidelen Ludwig Sebus dafür, dass der sich in entsprechender Notlage mit Küchenkrepp beholfen hat. Wobei sich mir als erstes die Frage natürlich aufdrängt, wie die investigativen Journalisten an diese Exklusiv-Info gekommen sind. Wird der Mann überwacht oder rufen die in diesen Tagen reihum alle kölschen Promis an und fragen nach den Klopapier-Beständen? Oder hat die rüstige Frohnatur Sebus selbst zum Hörer gegriffen, um uns an dieser Begebenheit teilhaben zu lassen? Gab´s bei der Story überhaupt sowas wie einen redaktionellen Faktencheck? Egal. Jedenfalls fehlte dem brisanten Artikel entschieden der Hinweis: „Nicht nachmachen!“ Weiß man doch, dass dieses auf reißfest getrimmte Zeug die Abflüsse verstopft.
Integrierter Hamster
Dann doch vielleicht lieber zur analogen Zeitung greifen. Mit einer Ausgabe der ZEIT käme doch ziemlich weit und für alle, die sich schon immer mal mit BILD den Arsch abwischen wollten, wäre es jetzt an der Zeit. Und den darbenden Verlagshäusern wäre mit steigenden Auflagen auch geholfen. Aber vermutlich ist das mit den Zeitungen zum Stuhlgang doch keine gute Idee. Sind zwar nicht reißfest aber womöglich aus anderen Gründen für Abflüsse und Klärwerke ein Problem. Also: Anders als bei Mehl und Hefe ist das mit den Zeitungen jetzt ausdrücklich kein Tipp von mir!
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fbs – evangelische FamilienbildungsstätteKein Espresso, kein Film
Ansonsten kann ich persönlich mit all den Einschränkungen eigentlich ganz gut leben. Homeoffice mache ich seit Jahrzehnten und ein großer Kneipengänger bin ich auch nicht mehr. Finanziell schlägt der ganze Schlamassel für mich allenfalls in der Form zu Buche, dass es derzeit keine Filmkritiken zu schreiben gibt. Keine Ahnung, wie sich der Stau an Startterminen auflösen wird, wenn irgendwann die Lichtspielhäuser wieder öffnen dürfen. Was mir allerdings eindeutig fehlt, ist mein nachmittäglicher Espresso vorm Ludari. Natürlich könnte ich mir bei Ciro Espressobohnen kaufen (er hat ja durchaus noch geöffnet, darf nur nichts ausschenken), mir daheim einen kleinen Schwarzen aufbrühen und mich mit meinem Becher und einem mitgebrachten Klappstuhl bei ihm vor die Tür setzen. Aber die Live-Doku Severinstraße, die ich mir so gern ansehe, ist ja derzeit auch nicht sonderlich spannend. Das Flanieren über unsere Einkaufsmeilen ist wahrlich zum Trauerspiel geworden. Entdecke ich einen Laden, der dennoch geöffnet hat, durchzuckt mich inzwischen ein Kaufreflex, obwohl ich eigentlich nichts brauche. Schön, dass Trüffel Ullrich auf der Severinstraße nicht geschlossen hat. Wurde Schokolade also hierzulande ebenso als unverzichtbares Lebensmittel eingestuft wie Speiseeis und der Rebensaft, der in unseren Weinläden weiterhin feilgeboten wird. Gut so.
„Tod in Venedig“ eher nicht
Die unerwartete Muße in diesen surrealen Zeiten ist aber auch eine prima Gelegenheit, endlich mal all die Wälzer zu lesen, mit deren Lektüre ich irgendwann mal angefangen habe, um die Bücher dann doch wieder aus der Hand zu legen. „Don Quijote“, „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“, „Der Mann ohne Eigenschaften“, „Unendicher Spaß“ und, ach ja, „Ulysses“ natürlich auch. „Krieg und Frieden“ eher nicht. Vielleicht auch mal wieder was von E.T.A. Hoffman lesen. Oder von Thomas Mann. „Tod in Venedig“ hätte in diesen Tagen allerdings schon etwas Makabres. Geht „Der Zauberberg“ mit seinen Lungenkranken in der Schweiz noch? Ach ja, und irgendwann müsste ich mal wieder zum Friseur. Aber da bin ich vermutlich nicht der einzige. Ist letztlich aber doch ebenso wenig ein Problem wie das leidige Klopapier. Vielleicht trägt die Männerwelt ja bald wieder Matte. Wenn es das schüttere Haupthaar noch hergibt. Wenn nicht: zum Rasierer greifen und keine halben Sachen machen.
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