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Umwelt

Klimaschutz gleich Artenschutz: Das Buch von fiesen Tieren, fabelhaft.

Mittwoch, 4. November 2020 | Text: Judith Levold | Bild: Judith Levold / Ludwig Verlag

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Gerade erst hat das Bundesamt für Naturschutz die so genannte Rote Liste der bedrohten Arten nach 10 (!) Jahren aktualisiert – von den untersuchten Säugetierarten sind demnach knapp ein Drittel bedroht, täglich verschwinden laut UN mehr als hundert Arten von der Erde. Dabei ist Artenvielfalt ein wichtiger Faktor für die Widerstandsfähigkeit von Ökosystemen.

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Im kürzlich erschienenen Buch „Die fabelhafte Welt der fiesen Tiere“, hält der Biologe und Regisseur, Autor und Producer von Naturdokumentarfilmen Frank Nischk daher ein engagiertes Plädoyer für den Artenschutz, der immer auch meint: Habitatschutz. Denn wo ihre Lebensräume vernichtet werden, da verschwinden folglich die Arten. „Ich wollte schon seit dem Studium ein Buch schreiben. Aber hab mir das nie zugetraut.“ sagt Nischk, Ex-Südstädter und seit Jahren im Belgischen Viertel lebend. Jetzt aber hat er es getan. Herausgekommen ist ein Ausflug in „Die fabelhafte Welt der fiesen Tiere“.

Frank Nischk im NeuLand-Garten – zwar nicht so artenreich wie der Amazonaswald, aber mit ziemlich viel Biodiversität mitten in der Stadt

Schon im Sommer hatte ich mich mit Frank Nischk getroffen, im NeuLand-Garten, denn auch dort gibt es fiese Tiere. Also auf den ersten Blick fies, Maden, Egerlinglarven, Asseln, sowas. „Säugetiere erforschen, pah, das kann ja jeder. Die sind ja süß und gucken einen so lieb an. Im Bio-Studium haben wir diese Kollegen `Streichelbiologen´genannt.“ erzählt Frank Nischk und erinnert sich, auch an seine Kindheit. Schon immer hätten „Fürsorgliche Schaben, tauchende Libellen oder boxende Krebse“, wie es im Untertitel seines Buches heißt, ihn am meisten interessiert. Zum Ende des Studiums ergatterte er einen Praktikumsplatz bei einer Forschungsmission im Regenwald Südamerikas, ein Traum für jeden Diplomanden.

Sind doch gar nicht soooo fies…

Reisetagebuch

In seinem Buch nimmt Frank Nischk uns mit auf seine erste und -Achtung Spoiler- gescheiterte sowie weitere Exkursionen in die artenreichste Gegend der Welt, das Amazonasgebiet. Unterhaltsam und vor allem sehr persönlich gibt er Einblicke in die Fortpflanzungs- und damit Überlebensstrategien von Grillen oder Treiberameisen, aber auch in die Forschung zur „Deutschen Schabe“. Dieser widmete er sich nach seiner Rückkehr aus Kolumbien nämlich im Forschungsprojekt seines Lieblingsprofessors, lange und ausgiebig. Seine Erkenntnisse beschreibt Frank Nischk in einer Art Reisetage- oder eher: Anekdotenbuch. Die einzelnen Geschichten sind gute Unterhaltung, zugleich auch überraschend informativ, also beste Form von Pop-Wissenschaft. Ich habe ein bisschen nachgefragt…

Was ist denn so spannend zum Beispiel an den Treiber-Ameisen, dass sie es in Dein Buch geschafft haben?
Naja, es gibt ungefähr 10 Millionen Insektenarten weltweit, das ist schon eine ungeheure Biomasse und ein ökologischer Faktor, also die haben eben Bedeutung auch für andere Tiere und Kreisläufe. Die Treiberameisen bewegen sich ja wie ein riesiger Teppich über den Boden, wie quasi ein Organismus aus ner Million Einzeltiere, und etwa weitere hundert Arten hängen von ihnen ab. Also Arten, die diesem Teppich folgen, sich von Resten ernähren undsoweiter…

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Ok, und die Schabe, bekannt als Kakerlake – also was soll ich als Leserin an der interessant finden, die will ich persönlich möglichst gar nicht antreffen…
Das geht den meisten so. Aber weltweit gibt es nur 20 Schabenarten, die irgendwie Probleme machen und nur 3-4, die in Häusern anzutreffen sind. Man kann an den Tieren aber spannende Erkenntnisse gewinnen, denn es gibt zum Beispiel Arten, die tragen ihre Eier bzw Larven unter den Flügeln, wo die Nachkommen dann Löcher durch den Panzer der Mutter bohren und deren Blut trinken – das ist praktisch eine Art Stillen…

Und das bei einer so genannten ´niederen Art´…
Ja, ich finde das im Prinzip aber sowieso Quatsch, diese Unterscheidung in höhere und niedere Arten oder Gattungen. Es geht ja im Grunde immer um die Weitergabe genetischer Informationen, wie kriegt eine Art es hin, dass sie sich praktisch unsterblich macht durch die garantierte Weitergabe ihres Genmaterials. Und da plädiere ich einfach eher für einen philosophischen Zugang: Wir sollten darüber nachdenken, was wir in Tieren sehen und ein Bewusstsein für ihre Nützlichkeit besonders für Kreisläufe, entwickeln. Es gibt eben eine Menge so genannter `Destruenten´, also Organismen, die die Reste anderer verwerten und wieder in einen Kreislauf einspeisen. Auch Schaben schließen den Kreis.

„Insektenlover und Nerd“ Frank Nischk weiß darauf eine Antwort…

Und deshalb soll man sie schützen?
Ja, denn nicht nur bedrohte Säugetierarten sind schützenswert, es geht ja nicht um Tierschutz im engeren Sinn, sondern um Artenschutz. Die Vielfalt ist schützenswert. Denn Systeme mit Vielfalt sind widerstandsfähig, einfaches Beispiel: Im tropischen Regenwald hast Du auf einem Hektar, sagen wir, hundert verschiedene Baumarten. Kommt ein Schädling, in der Regel auf einen ganz bestimmten Wirt spezialisiert, so befällt er eben diese eine Art, von der er leben kann. Stehen ringsherum aber viele andere Baumarten und der nächste für diesen Schädling nutzbare Baum erst hundert Meter weiter, dann befällt der Schädling nicht den ganzen Waldbereich, sondern erstmal nur einen Baum. Anders als bei monokultureller Forstwirtschaft, wie wir sie vielfach hierzulande kennen. Kommt der Borkenkäfer -begünstigt durch Hitze und bodenbedingte Schwächung der Bäume-, geht der ganze Fichtenwald kaputt. Klimaschutz gleich Habitatschutz gleich Artenschutz – das hängt eben alles eng zusammen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Coronabedingt mehr zu Hause, haben wir derzeit womöglich auch mehr Zeit zum Lesen – „Die fabelhafte Welt der fiesen Tiere“ ist eine unterhaltsame Lektüre, die überraschende Perspektiven auf Quallen, Grillen, Schaben und anderes „Getier“ eröffnet. Und sich vielleicht auch als Weihnachtsgeschenk eignet. Passend dazu für Kinder empfehle ich Wolf Erlbruchs „Die fürchterlichen Fünf“ aus dem Peter Hammer Verlag: Hier treffen sich Ratte, Spinne, Kröte&Co, um sich gegen ihren schlechten Ruf zu wehren und stattdessen zu zeigen, dass sie auch „was können“!

Text: Judith Levold

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