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Kultur Südstadt

„Ich wollte immer auf die Bühne“

Donnerstag, 10. März 2022 | Text: Reinhard Lüke | Bild: Martin Ruppert / Comedia Theater

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Schauspielerin Sibel Polat führt in der Comedia erstmals Regie

Als ich Sibel Polat vorm Filos treffe, muss sie kurz überlegen, bestellt dann aber einen Kräutertee. Nicht unbedingt ihr Lieblingsgetränk, sagt sie, aber ihre Stimme sei inzwischen arg angegriffen. Die Schauspielerin befindet sich seit Wochen in den Proben für das Stück „Eltern outta space“ in der Comedia. Diesmal steht sie allerdings nicht auf der Bühne, sondern führt Regie. Zum ersten Mal. Weshalb sie bei den Proben besonders viel reden muss. Darum der Kräutertee. Nein, besonders aufgeregt sei sie zwei Wochen vor der Premiere noch nicht. Es laufe ganz gut, aber die Anspannung werde sicherlich noch kommen. Zumal Sibel Polat gleich ein doppeltes Risiko eingeht. Sie gibt nicht nur ihr Regie-Debut sondern hat das Stück auch mit ihren drei Schauspieler:innen selbst entwickelt. (Da Polat beim Sprechen flüssig gendert, soll das hier auch im Text eine Entsprechung finden.)

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Worum geht’s? „Wir erzählen aus der Perspektive von Jugendlichen, wie sie mit den unterschiedlichen Lebensformen und Erwartungshaltungen ihrer Eltern umgehen. Nicht nur in prekären häuslichen Verhältnissen, in denen etwa Gewalt oder Alkohol eine Rolle spielen, sondern auch in vermeintlich intakten Familien, wo Kinder mit der Bürde leben müssen, sie seien für das Glück ihrer Eltern verantwortlich. Trotz aller Konflikte bringen wir aber kein klassisches Problemstück auf die Bühne. Vielmehr wollen wir die kreativen Überlebensstrategien von Kindern und Jugendlichen zeigen, bei denen es auch durchaus humorvoll und komisch zugeht.“

Bettler im Sauerland

Sibel Polat steht seit 2013 regelmäßig auf den Bühnen der Comedia und anderer Freier Theater in Köln. Als Kind kurdischer Aleviten 1986 in der türkischen Stadt Mesrin geboren, landete sie nach der Emigration mit ihrer Familie Anfang der 90er Jahre im Sauerland und erlebte in der Grundschule ihre schauspielerische Feuertaufe. „Erst wollte ich im Krippenspiel einen Engel darstellen, aber ich war viel zu überdreht. Da ist dann nichts draus geworden. Aber später durfte ich dann in der Rolle des Bettlers den halben Mantel von St. Martin entgegennehmen. Von da an wusste ich, was ich werden wollte.“ Natürlich habe sie als „Migrantenkind mit Abitur“ zwischendurch auch mal an einen „seriösen“ Beruf gedacht, aber eigentlich habe sie immer auf die Bühne gewollt. Um dahin zu kommen, besuchte sie die Arturo Schauspielschule in Köln und gehörte anschließend für zwei Jahre zum Ensemble beim städtischen Jungen Theater Heidelberg. Dann die Abkehr vom Angestelltendasein und der Sprung ins kalte Wasser der Freien Szene.

Kinder sind gnadenlos

Beim Kinder- und Jugendtheater ist sie seitdem dennoch weitgehend geblieben. Und natürlich kennt auch Sibel Polat die Sprüche, ob es für Erwachsene womöglich nicht gereicht hätte. „Das ist absoluter Quatsch“, sagt sie. „Gutes Theater für junge Leute, wie es in der Comedia gemacht wird, ist nicht weniger anspruchsvoll und für mich als Schauspielerin sogar noch anstrengender. Kinder sind ein gnadenloses Publikum, das du die ganze Vorstellung über vorn auf der Stuhlkante halten musst. Wenn du da auf der Bühne schlampst oder eine Minute mal nicht bei der Sache bist, merken die das sofort und werden unruhig. Erwachsene dämmern in solchen Situation einfach mal weg.“ Das einzige, was Sibel Polat am Kindertheater nicht unbedingt behagt, sind die Arbeitszeiten. Schließlich finden die von Schulklassen besuchten Vorstellungen manchmal schon morgens um 9 statt. Und bloße Anwesenheit ist auf der Bühne definitiv nicht genug.
Von daher kommt der inzwischen mehrfach ausgezeichneten Schauspielerin – 2020 heimste sie beim Kölner Theaterpreis gleich drei Trophäen ein – durchaus entgegen, dass die Comedia nach Ausdünnung ihres Kabarett-Programms zunehmend auch Stücke für Jugendliche produziert, die eher abends gezeigt werden.

Sibel Polat / Foto: Comedia Theater

Comedia als Homebase

Auch „Eltern outta space“ ist für eine Zielgruppe ab 14 Jahren vorgesehen. Natürlich muss man freiberufliche Schauspieler:innen in diesen Zeiten auch fragen, wie sie durch die Pandemie gekommen sind. Schließlich bekommen sie am Theater zwar eine Probenpauschale, werden anschließend aber nur noch für jede Vorstellung bezahlt. „Das war schon hart“, erinnert sich Sibel Polat. „Vor allem während des Lockdowns, als die Theater komplett geschlossen waren. Früher hab´ ich gekellnert, wenn es mal finanziell eng war. Aber das ging ja auch nicht. Gerettet hat mich, dass sich viele Freie Theater und vor allem die Comedia sehr loyal gezeigt und sozusagen auf Halde produziert haben. So gab es wenigstens etwas Geld zu verdienen. Überhaupt fühle ich mich der Comedia total verbunden. Das ist eindeutig meine Homebase.“ Aktuell ist Sibel Polat dort in den Produktionen „Wegklatschen“, „mutig, mutig“ und „33 Frauen“ zu sehen.

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Und dann hat sie Corona doch noch erwischt. Eine Woche vor der geplanten Premiere von „Eltern outta space“ am 5. März haben sich Sibel Polat und ein Teil der Mitwirkenden quasi auf der Zielgeraden infiziert. Die Premiere ist nun für den 13.3. um 19 Uhr in der Comedia geplant.

Text: Reinhard Lüke

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