Die mit dem Hund spricht
Mittwoch, 6. April 2022 | Text: Bettina Brucker | Bild: Bettina Brucker
Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten
Wie jeden Morgen tummeln sich Hunde auf den Wiesen im Volksgarten. Ihre Besitzer*innen halten ein Schwätzchen. Dazwischen Sylvia Weber mit ihrem Hund Loki.
Bei ihrer Runde durch den Park bleibt Sylvia immer wieder stehen, beobachtet aus der Ferne oder sucht das Gespräch. Zurzeit trifft sie sich mehrmals in der Woche mit Lena und ihrer einjährigen Hündin Effi. Sylvia unterstützt die frische Hundebesitzerin bei der Hundeerziehung. Der Austausch mit Sylvia gibt Lena Sicherheit im Umgang mit ihrem Tier. Und der achtjährige Loki ist Vorbild für das pubertierende Hündchen. Anders als Sylvia, die mit Tieren groß geworden ist, hat es bei Lena über 30 Jahre gedauert, bis sie sich ihren Wunsch erfüllen konnte. „Es ist noch schöner, als ich es mir erträumt hatte. Und was mir auffällt: Ich bin durch den Hund mehr bei mir und teile mir meine Zeit besser ein. Was ich für mich selbst nicht geschafft habe, hat mir der Hund beigebracht“, sagt sie mit einem Kopfnicken.
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in.form – Köln SüdstadtDie beiden Frauen stehen entspannt auf der Wiese. Sie reden und lachen miteinander, ihre Hunde beschnuppern sich freundlich. Doch allzu lang darf die Plauderei nicht dauern. Denn wer mit dem Hund draußen ist, sollte ihm Aufmerksamkeit schenken. „O ja, wenn wir zu viel quatschen, macht der Hund Quatsch“, weiß Lena lachend zu berichten. „Effi nutzt das dann voll aus. Frisst Gänsekacke und wenn sie Erfolg hat, versucht sie das weiter. Sie testet ihre Grenzen aus.“
Beobachtung und Verständnis
Sylvia Weber hat unter anderem Sozialarbeit und Tierpsychologie studiert. Doch am meisten hat sie aus der Praxis gelernt. Sie beobachtet ihren Hund und die anderen Hunde, die ihr begegnen, und vor allem das Verhalten der Menschen. „Hunde machen klare Ansagen. Wenn Effi auf Loki zugeht und spielen will, der aber keine Lust dazu hat, gibt er ein eindeutiges Signal. Vielleicht auch ein kurzes Knurren. Und dann weiß Effi, woran sie ist. Die Grenzen sind bei Hunden immer eindeutig abgesteckt. Als Mensch muss man lernen, diese Art der Kommunikation zu verstehen.“
Ein Kommunikationsproblem ganz anderer Art hat Sylvia gelöst, als ihr Hund aus Mallorca zu ihr kam. Damals hieß er Thor, wie der Gott des Donners. Doch der Name gefiel ihr nicht. „Außerdem war es am Wochenende ziemlich komisch „Thor, Thor“ zu rufen, wenn der FC gerade wieder mal am Verlieren war“, lacht sie. „Und so habe ich ihm den Namen des Götterbruders gegeben. Loki. Das ist übrigens der Gott des Schabernacks“, schiebt sie mit einem verschmitzten Lächeln hinterher.
Belohnungen und Geduld
Und schon ist sie mit ihren Erzählungen beim Thema Verhalten angekommen. „Schau, da jagt gerade mal wieder einer die Gänse. Sprich: Er folgt seinem Instinkt. Und er denkt, dass er alles richtig macht.“ Doch für die Menschen ist dieses Hundeverhalten unerwünscht. „Viele Menschen geraten hier schnell an ihre Grenzen. Ich versuche, die Perspektive des Hundes zu übersetzen, um Verständnis als Grundlage der Beziehung zu eröffnen.“ Dazu gehört es, den Hund direkt zu belohnen, wenn man ihn gerufen hat und er zurückkommen ist. Menschliche Schimpftiraden oder Wutausbrüche wegen der Gänsejagd versteht er nämlich nicht. Er hat die Situation schon längst vergessen. Und auch erlerntes Verhalten „vergisst“ ein Hund. Um den Jagdtrieb umzuleiten, braucht es deshalb Geduld und ständige Auffrischung.
„Hunde sind Wesen, die sich unterordnen dürfen“, erklärt Sylvia. Damit sie das vertrauensvoll können, brauchen sie einen Menschen, der Verantwortung übernimmt. „Manchmal höre ich Begriffe wie ‚Rudelführer‘ oder ‚Alpha-Tier‘. Ich bin aber ein Mensch und kein Tier“, sagt sie. „Ich übernehme die ‚Cheffunktion‘ und werde für den Hund zum Mittelpunkt der Welt. Das bedeutet: er will mir gefallen und der tut alles für mich.“
Hunde, Jogger und Kinder
Ein Hund braucht aber auch Zeit und kostet Geld. Bei einem 14-jährigen Hundeleben kommen durch Futter, Impfungen, Routineuntersuchungen, Steuern usw. etwa 25.000 – 30.000 EUR zusammen. Und wenn der Hund nicht krankenversichert ist, „kann eine Operation zur finanziellen Last werden, denn die kann durchaus mehrere Tausend Euro kosten.“ Sie stupst den Ball vor ihren Füßen einige Male an, denn Loki möchte jetzt gerne ein bisschen spielen.
„Hallo, Sam!“ Der vorbeilaufende Hund wird freundlich begrüßt, ein kurzes Nicken zum Hundebesitzer. Sylvia genießt die Morgenrunde im Volksgarten. „Der Park ist sehr schön. Richtig idyllisch.“ Und das wissen auch viele Nachbarn und Südstädter zu schätzen. Doch nicht alle Parkbesucher*innen mögen Hunde. Beim Joggen oder auf dem Spielplatz werden sie als störend empfunden. Deshalb sei ein Miteinander wichtig. „Wenn ich sehe, dass die Kita kommt, nehme ich meinen Hund zurück. Auch wenn Loki eine Ausbildung als Kinder- und Jugendtherapeut hat und gerne mitspielen würde.“
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Mainzer Hof – Traditionskneipe für Jung & AltDie Meinungen hinsichtlich Hundeerziehung und Beziehung Hund/Mensch ist in der Hunde-Community, die sich allmorgendlich im Volksgarten begegnet, sehr unterschiedlich. Und so würden Sylvias Ansichten durchaus ambivalent gesehen, wie sie selbst sagt. Doch sie steht zu ihrem Standpunkt, gibt ihr Wissen gerne und ausführlich weiter und vertritt ihre Meinung unbeirrt – wobei sie sich durchaus andere Ansichten anhört. Einen ungefragten Ratschlag gibt sie nicht, wie sie betont, denn ein Rat-Schlag sei auch immer ein Schlag.
Fehlende Sicherheit Richtung Gleise
Lena verabschiedet sich mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck. Sie und Effi haben heute wieder eine Menge gelernt. Bevor Sylvia mit Loki wieder Richtung Martin-Luther-Platz nach Hause geht, erzählt sie noch von einer Sache, die ihr wichtig ist: Zum Üben vor allem für Hundeneuanfänger*innen gibt es neben dem Volksgarten eine Freilauffläche. Doch die ist nicht an allen Seiten umzäunt. „Da ist erst kürzlich ein Hund zu Tode gekommen, als er von einem vorbeifahrenden Zug erwischt wurde.“ Andere Hunde erkranken schwer oder sterben, weil sie die menschlichen Hinterlassenschaften von Junkies im nahen Gebüsch fressen. Doch die Stadt sieht keinen Handlungsbedarf. Das kann Sylvia nicht verstehen. Immerhin kommen bei 39.000 gemeldeten Hunden und 156 Euro Hundesteuer jährlich pro Hundebesitzer:in 5,9 Mio. Euro zusammen. Allerdings ist das Geld nicht sachgebunden. So ein Zaun würde 25.000 Euro kosten und das Training könnte dann sicher stattfinden. Zumindest für die Hunde. Denn inzwischen gibt es in der Wiese viele tiefe Löcher, die man leicht übersehen kann. Sylvia selbst hat sich dort ein Bein gebrochen. Wie die Löcher entstehen? „Zum Wesen eines Hundes gehört buddeln. Und wenn die Menschen mit anderen Dingen beschäftigt sind, hat der Hund viel Zeit, Löcher zu graben.“ Sie fände es toll, wenn alle auf dem Platz „einfach die Löcher wieder zumachen würden, damit sich niemand auf der Wiese verletzten kann.“
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