„Ein Maßschuh ist kein Einbauschrank“
Dienstag, 17. Mai 2022 | Text: Reinhard Lüke | Bild: Gaby DeMuirier
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Nein, Schlüssel kann er nicht. Und er hat auch keine Ahnung, wie es zu diesem sonderbaren Geschäftsmodell kommt, wonach in oft kleinen Läden Schuhreparaturen und Schlüsseldienste gleichzeitig angeboten werden. Ansonsten weiß Markus Dreiling aber so ziemlich alles über Schuhe. Und über Füße. Seit 1998 betreibt er sein Geschäft im Ferkulum, gleich in der Nähe des Platzes An der Eiche. Und es dürfte nicht viele Menschen im Vringsveedel geben, deren Schuhe der Mann noch nicht in der Hand gehabt hat. Neue Sohlen, zerschlissene Nähte oder ein abgebrochener Absatz bei den High Heels? Macht Markus alles. Selbst bei Sneakern kann er meist helfen. Und man getrost davon ausgehen, dass die Treter dann auch wieder lange Zeit halten. Dabei sind die Reparaturen für ihn allenfalls ein Nebenerwerb. Schließlich ist er Schuhmachermeister. Genauer gesagt: Orthopädie-Schuhmachermeister. Was keineswegs nur eine Zusatzausbildung umfasst, sondern ein eigener Lehrberuf ist.
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SchokoladenmuseumAufgewachsen ist Markus in Brauweiler und irgendwie ist ihm, wie man so schön sagt, das Handwerk in die Wiege gelegt worden. „Mein Vater war Schuhmacher und betrieb einen sehr gut gehenden Laden in Köln-Braunsfeld. Und ich glaube, für ihn stand von meiner Geburt an außer Frage, dass ich das Geschäft mal übernehmen würde. Worauf ich zu seiner großen Enttäuschung aber keine Lust hatte. Ich wollte Schuhe machen und nicht wie mein Vater nur welche reparieren.“ Denn die Schuhmacherei ist ein seit Jahrzehnten aussterbender Beruf. Menschen, die sich Maßschuhe anfertigen lassen, sind überaus rar gesät. Schließlich müsse man dafür, so Markus, mindestens 1500 Euro berappen. Und es sei ein überaus aufwendiger Prozess, einen ganzen Schuh herzustellen. „So ein Schuh“, sagt er, „ist ja kein Einbauschrank, wo man einmal ausmisst und dann passt das Ding für alle Zeiten. Ein Schuh verändert sich wie die Füße durch Bewegung. Zudem gibt es ja inzwischen viele durchaus passable Schuhe von der Stange, mit denen die Leute zufrieden sind.“
Fußkranke Diabetiker
Orthopädische Spezialschuhe gibt’s hingegen nicht von der Stange, sondern müssen einzeln gefertigt und angepasst werden. So wie es der Meister mal gelernt hat. Er habe einfach den Ehrgeiz, deformierte Füße möglichst schön und elegant zu verpacken, umschreibt Markus sein Berufsethos. Obwohl auch bei ihm die Anfertigung eines kompletten Spezialschuhs nicht häufig vorkommt. Sein Kerngeschäft sind Einlagen, die er je nach Bedarf individuell herstellt. Noch alles reine Handarbeit. „Doch womöglich kommen solche Gehhilfen demnächst auch aus dem 3-D-Drucker“, sagt der Schuhmacher und macht dabei nicht den Eindruck, als würde ihn die Perspektive sonderlich schocken. Auch damit, dass die Krankenkassen orthopädische Spezialanfertigungen heute weit weniger bezuschussen als früher, und Fehlstellungen zunehmend operativ beseitigt werden, kommt er klar.
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Stadtgeschichten Köln – Besondere StadtteilführungenAls Markus den Laden im Ferkulum 38 übernahm, war dort zuvor bereits seit zwei Generationen eine orthopädische Schuhmacherei beheimatet. Deformierte Füße gab´s schon immer, aber in den 50er, 60er Jahren hat das Gewerbe auch nicht zuletzt von Kriegsversehrten gelebt. Heute hat es Markus vorwiegend mit altersbedingten Deformationen oder angeborenen Fehlstellungen zu tun. Hinzu kommen in letzter Zeit viele Diabetiker. Diabetes geht auf die Füße? „Unbedingt“, erklärt der Mann vom Fach. „Alles was mit der Zirkulation von Flüssigkeiten im Körper zu hat, landet irgendwann in den Füßen“.
Der Schuhmacher trägt Lunge
Wer an dem Laden vorbei geht, sieht nicht auf den ersten Blick, was sich in dessen Innerem anspielt. Und die braungelockte Mischlingshündin Polli, die da manchmal hinter der Scheibe döst, lässt auch nicht viel erahnen. Schaufensterdeko sei einfach nicht sein Ding, erklärt der Ladeninhaber. Aber vielleicht mache es ja die Passanten auch neugierig, wenn nicht gleich klar sei, was das für ein Geschäft sei. Und wer nahe genug rangeht, entdeckt auf einer Stellage im Inneren drei, vier farbenfrohe Schuhe, die nagelneu aussehen. Sind sie auch. Und man kann sie im Ferkulum käuflich erwerben. Ist der Schuhmacher jetzt auf dem Weg zum Schuhverkäufer? Markus winkt ab. Das werde die Ausnahme bleiben. Die Schuhe verkaufe er nur aus Überzeugung. Die Sneaker stammen von der Hamburger Firma Lunge, werden in Deutschland aus nachhaltigen Materialen produziert und verbinden exzellente Formgebung mit Stabilität und Leichtigkeit. Vegan und langlebig sind sie auch noch. Sagt der begeisterte Schuhmacher, der sie auch selbst trägt. Und falls doch mal was dran sei, könne man die auch wunderbar reparieren. Was für ihn ja auch nicht unwichtig ist.
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