„Schicht im Schacht!“: Danke, KSZ!
Donnerstag, 22. Dezember 2011 | Text: Betsy de Torres | Bild: Hans Wrobel
Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten
Vor einem Jahr hieß es: Glückwunsch zum Geburtstag, jetzt heißt es: Adieu. Mit 12 Jahren fing Wassily Nemitz mit dem Zeitungsprojekt Kölner Südstadt- Zeitung an. Zusammen mit Maxime Kaspers, Paul Tellmann und Thomas Zittlau, haben sie, neben ihrem Gymnasiastenalltag, ein kleines Zeitungsunternehmen geführt. Fast 7 Jahre lang haben die vier Schüler die Kölner Südstadt- Zeitung, nach dem Motto: Learning by doing in eigener Regie erstellt.
Jetzt ist die Zeit gekommen, sich vom Projekt KSZ zu verabschieden. Ich treffe drei der Redakteure, Paul Tellmann , Maxime Kaspers und Wassily Nemitz, den Initiator, bei diesem zu Hause. Dort wo im vergangenen Jahr eine Modell-Eisenbahn-Stadt stand, steht jetzt, in voller Größe, ein ICE 2 Sitz der Ersten Klasse (er hatte immer ein Faible für die Bahn!).
Meine Südstadt: Letztes Jahr hat die KSZ ihren sechsten Geburtstag gefeiert, jetzt tragen wir dein Baby
WN: in den Ruhestand. Es ist sehr schnell erwachsen geworden…
Was für Gefühle bringt das hervor? Warum gebt ihr auf?
WN: Es ist natürlich schade, wenn man die Zeitung nach so langer Zeit aufgibt. Anderseits, muss man sagen, ist es jetzt auch eine Erleichterung. Die Zeitung hat sehr viel Arbeit produziert, der Aufwand war groß. Wir machen alle unser Abitur, da muss man die Prioritäten verlagern.
Ihr habt Euch nie als Schülerzeitung gesehen?
WN: Nein, wir haben zum Beispiel die Leserinnen und Leser gesiezt. Wenn wir uns gezielt auf jüngere Leute gerichtet hätten, hätten wir sie geduzt.
PT: Übrigens, wir haben uns auch immer bei den Redaktionskonferenzen gesiezt.
Im Ernst?! Warum?
PT: Wir wollten es so machen, wie bei einer richtigen Redaktionskonferenz. Wir waren zwar noch nie bei einer richtigen Konferenz, aber vermuteten, dass es so abläuft. Wir haben Protokolle geschrieben und uns mit dem Nachnamen angesprochen.
Wer hat euch gelesen? Wer war eure Zielgruppe?
WN: Am Anfang waren es die Verwandten, doch dann kauften die Zeitung auch die, die wir gar nicht kannten! Wir hatten nie eine Zielgruppe. Die Zeitung war zeitlos, die 85-jährige Oma aus dem Altenheim konnte sie lesen, aber auch der Schüler.
Was war euch wichtig?
WN: Wir haben versucht, uns den Anstrich einer seriösen Zeitung zu geben, auf einem halbwegs professionellen Niveau. Das ist nicht immer so gewesen (lacht). Eine der ersten Schlagzeilen, DB Bahn call Bikes sind wieder da!, würden wir heute nicht mehr machen. Aber ich glaube, im Laufe der Zeit haben wir uns ganz gut entwickelt.
PT: Wir haben mehr Qualität als der Kölner Stadtanzeiger (lacht)
WN: Ja, das auf jeden Fall. (alle lachen).
Ein Rückblick. Was war euer erster Bericht?
WN: Kanalarbeiten am Oberländer Wall beendet, das war das Top Thema damals (alle lachen)
Was war die lustigste Geschichte?
MK: Die über Klaus Meyer.
PT: Wer ist Klaus Meyer?
MK: Das ist der Musiker-Friseur auf der Darmstädter Straße. Wir waren mit ihm in der Kneipe von nebenan. Er erzählte uns, was er alles so erlebt hat. Waren schon lustige Sachen dabei.
MS: Was war die traurigste Geschichte?
WN: Traurig? (überlegt) Natürlich, der Stadtarchiv-Einsturz.
Ist das nicht die spannendste?
PT: Ja, aber es sind zwei Menschen gestorben…
MK: aber die Ursachen zu recherchieren, war schon spannend.
PT: Besonders hat sich unser Video im Internet verdient gemacht, (alle lachen), wo Wassily am Tag des Einsturzes vor Ort stand und berichtete. Wir haben es bei YouTube hochgeladen und innerhalb von ein paar Tagen, hatte es Zehntausend Aufrufe. Wir haben, wie so häufig bei YouTube, auch beleidigende Kommentare bekommen..
WN: So schlimm war es auch wieder nicht
PT: naja, du hast aus Versehen Kampfhunde statt Spürhunde gesagt. (alle lachen)
PT: Lustig war auch unsere Internet Seite. Wir haben ein Werbevideo für die Kölner Südstadt Zeitung hochgeladen, aber ohne Ton und mit der Anmerkung wird in Kürze vertont werden. Sie dürfen gespannt sein
WN: das steht immer noch da!
Wen hättet ihr gerne interviewt?
PT: Ich hätte gerne Jürgen Becker interviewt
WN: und ich Wolfgang Niedecken . Leider hat es bei beiden nicht geklappt.
Welche Menschen sind in Erinnerung geblieben?
WN: Ich fand Gottfried Schweitzer (den ehemaligen Leiter des Jugendzentrums Baui im Friedenspark, Anm. d. Red.) interessant – in jeglicher Hinsicht .
PT: Ich habe ihn nie getroffen, aber wir haben viele Artikel über seine Kündigungs-Geschichte verfasst.
WN: Wir haben ein Redaktions- Protokoll, in dem sich jemand beschwert, dass zu oft über Gottfried Schweitzer berichtet wurde (lacht)
PT: Ich fand Hans Mörtter interessant, weil das kein normaler Pfarrer ist. Er macht Musikveranstaltungen und Tanzpartys in seiner Kirche. Das gibt es normalerweise nicht. Er hat in Deutschland das erste Schwulenpaar verheiratet, er hat ein Projekt in Südamerika durchgeführt. Es war wirklich interessant mit ihm.
Wann habt ihr gemerkt, dass ihr auf dem richtigen Weg seid?
PT: Als jemand vom Kölner Stadtanzeiger anrief und wissen wollte, woher Wassily die Information zu einem Artikel hatte. Da haben wir gemerkt, dass wir sehr professionell sind. Was hast du nochmal gesagt?
WN: Das sie selber recherchieren können. (alle lachen)
Wie sieht die Headline für eure letzte Ausgabe aus?
WN: Die Topgeschichte ist, dass die Südstadt Zeitung eingestellt wird.
Was hat euch das Projekt gebracht? Seid ihr daran gewachsen?
WN: Auf jeden Fall! Mit der KSZ habe ich gelernt, journalistisch zu arbeiten. Ich glaube, dass ich sehr davon profitiert habe. Ich bin irgendwann auf deine Initiative hin zu Meine Südstadt gekommen und hab mich da weiterentwickelt. Das gibt mir jetzt natürlich auch wieder die Möglichkeit noch eine Etage höher zu gehen.
Nun geht ihr getrennte Wege. Was möchtet ihr studieren?
PT: Ich möchte was in Richtung erneuerbare Energien studieren.
MK: Ich will Architektur studieren. Es kann in Köln, München oder Berlin sein.
WN: Nach dem Abi will ich erst mal ein halbes, freiwilliges soziales Jahr machen. Am liebsten in Osteuropa. Ab 2013 möchte ich Politikwissenschaft in Dresden studieren. Danach möchte ich ein Volontariat machen, am liebsten beim öffentlich- rechtlichen Radio.
Ein letztes Statement ?
MK: Es war eine interessante Zeit, viele Menschen kennengelernt, viel Neues erlebt. Ich würde es jedes Mal wieder gerne tun. Aber erstmals ist Schicht im Schacht!
WN: Alles hat ein Ende nur die Wurst hat zwei (lacht)
Ich schreibe das!
WN: Schreib aber bitte, dass es ironisch gemeint war. Es war eine gute Entscheidung, die KSZ zu betreiben. Es hat sehr viel gebracht. Wir haben viel dazu gelernt. Wir haben den Leuten eine Freude bereitet und uns selbst natürlich auch. Ich würde es wieder machen, wenn ich jetzt noch mal 12 wäre.
PT: Ich stimme den Anderen zu und füge noch hinzu, dass wir durch die Arbeit alle selbstbewusster geworden sind. Es war eine schöne Zeit.
Und nun?
WN: Kaufen sie die letzte Ausgabe, meine Damen und Herren. Bleiben sie uns treu, hmm können sie nicht mehr . (lacht)
Aber du bleibt uns treu. Du schreibst weiter für Meine Südstadt.
WN: Genau!
Darauf freue ich mich sehr! Vielen Dank für dieses Gespräch!
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