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Kultur

„ge-changed“

Mittwoch, 4. April 2012 | Text: Susanne Finken | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Carmen Losmann, Jahrgang 1978, Filmemacherin, lebt und arbeitet in Köln und Berlin. Ihr Dokumentarfilm „Work Hard Play Hard“ über die neuen Arbeitswelten im Dienstleistungsbereich erntete auf der Dok Leipzig, dem zweitgrößten europäischen Dokumentarfilmfestival, Publikumsbeifall und Kritikerzuspruch, ab dem 12.04.2012 ist er im Odeon zu sehen.
Wir haben die Filmemacherin anlässlich einer Vorpremiere im Odeon zum Gespräch getroffen.

Meine Südstadt: Von der Planung im Architekturbüro über die Trends zukünftiger Arbeitsplatzgestaltung bis zur Profilanalyse einer Unternehmensberatung kreist du dein Thema – Arbeit im Dienstleistungsbereich des 21. Jahrhunderts –  in klaren Bildern ein. Wieso hast du  dich in deinem Langfilmdebüt für dieses Thema entschieden?
Carmen Losmann: Schon während meines Studiums an der KHM habe ich ja drei kurze Dokumentarfilme über Arbeit gemacht. Arbeit ist ein gesellschaftlicher Spiegel, in dem wir etwas über uns erkennen können. In meiner Diplomphase bin ich neugierig geworden auf die neue Arbeitswelt und eine Dienstleistungs- und Unternehmensberatungsbranche, die sich um das Human Ressource Management und Change Management dreht. Interessiert hat mich dabei der Satz „Der Mensch steht im Mittelpunkt.“ Da hab ich mich gefragt, was das heißen könnte, was genau das Menschliche ist, und habe angefangen zu recherchieren, hauptsächlich in großen Unternehmen, bei Unternehmensberatungen, auch im Bereich Architektur. Für mich war die Frage, inwieweit soll denn dieser Mensch jetzt „ge-changed“ werden.

Und wie soll er ge-changed werden?
Diese Frage kann ich nicht abschließend beantworten. Ich bin ja noch an der Frage, inwieweit das Menschliche vorhanden ist in diesem „Der Mensch steht im Mittelpunkt“-Slogan. Geht es vielleicht auch darum, den Menschen mit seinen Emotionen, seiner Persönlichkeit für eine Produktivitätssteigerung des Unternehmens zu vernutzen? Diese Frage stellt der Film. Nicht mehr und nicht weniger.

Du hast mit deinen Beobachtungen offensichtlich einen Nerv getroffen, wie den Reaktionen von Kritik und Publikum zu entnehmen ist.
Ich glaube, dass sich jeder Zuschauer dazu seine eigenen Fragen stellen kann. Es ist ja mein Anspruch, einen Film zu machen, bei dem die Leute nicht sagen können, ja das sind ja die anderen und das hat nichts mit mir zu tun. Bei einem Film über Arbeit kann man das kaum komplett von sich weg halten. Ich bin zum Beispiel freiberufliche Filmemacherin, ich habe entgrenzte Arbeitszeiten und muss dann auch über diese Themen, also über mich nachdenken. Ich hoffe, dass andere Leute, wenn sie den Film sehen, genauso über ihr eigenes Leben und ihre Triebfedern nachdenken.

Der Film beginnt in einem großen deutschen Architekturbüro…
In erster Linie ging es mir dabei um den Konzeptionsaspekt: Was passiert, wenn Architekten sich zusammensetzen und darüber nachdenken, wie und wo in Zukunft gearbeitet werden soll. So ein Gebäude muss die nächsten Jahrzehnte halten, da muss man in der Planung einen Blick in die Zukunft wagen und Hypothesen aufstellen.

Danach begibt sich dein Film zum Human Ressources Management, zu den Diensten einer Personalberatung.
Mein Thema war ja wie gesagt der Aspekt des Menschlichen in der Arbeitswelt-Optimierung. In den Potenzialanalysen, die wir mit der Kamera begleitet haben, werden einzelne Mitarbeiter auf ihr Potenzial hin getestet. Da fand ich vor allem spannend, was gefragt und was geantwortet wird. Die Ideologie des Fragebogens, das Menschenbild, das durchschimmert. So ein Interview dauert allerdings zwei Stunden, also haben wir den gesamten Ablauf im Film entsprechend verdichtet und zugespitzt. Am Ende bleibt vielleicht die Frage: Entspricht jetzt tatsächlich das der Persönlichkeit des Menschen, dessen Potenzial dabei analysiert wird?

Als Zuschauer wusste ich an einigen Stellen nicht, soll ich lachen oder mich gruseln über die offensichtlich antrainierte Sprache der Kandidaten und der Berater. Zeuge einer Verformung zu werden, die dem Verformten vielleicht nicht einmal bewusst ist. Oder?
Ich kann nicht beantworten, ob die Verformung wirklich in diesen Momenten, z.B. in einer Potenzialanalyse, stattfindet oder schon viel früher, peu à peu, subtiler. Vielleicht schon zu Schulzeiten, wo uns allen klar gemacht wird, das und das braucht ihr, so und so müsst ihr sein, um in der Arbeitswelt bestehen zu können. Wir alle werden ja hineingeworfen in eine sogenannte Leistungsgesellschaft. Ich habe mir Situationen gesucht, wo von diesem Prozess der Verformung etwas sichtbar und deswegen filmisch erfahrbar wird, und habe das mittels Montage versucht herauszuarbeiten.

Ihr erzählt in sehr klaren Bildern, auch das trägt zum nachhaltigen Eindruck bei.
Das Kamerakonzept habe ich gemeinsam mit meinem Kameramann Dirk Lütter entwickelt. Wir haben davor ein paar Kurzfilme gemeinsam gemacht, also waren wir uns, was die Filmsprache betrifft, in Grundsätzen einig. Dieses Mal haben wir Breitbild Cinemascope als Bildformat gewählt. Cinemascope trägt als Bild praktisch das Versprechen von Freiheit mit sich, das ist das Format, was für den Western erfunden wurde, das Abbild einer freien Welt in der ganzen Größe und Weite. Gleichzeitig fanden wir es interessant, dass bei Cinemascope das Bild oben und unten verengt wird – es ist also weit und eng zugleich. In dieser Enge können zwei Menschen im Bild weit voneinander entfernt wirken. Das alles fanden wir als Bildformat für diesen Film interessant.

Filmkritiker benutzen in diesem Zusammenhang gerne das Adjektiv „kühl“. Damit bist du aber nicht ganz einverstanden…
Ich weiß nicht, ob das stimmt. Ob das Kühle an den Bildern oder doch eher an der Welt liegt, die dort zum Ausdruck kommt. Hat die Architektur, diese Gebäude, dieses Gläserne, dieses Metallische, was man da vorfindet, nicht per se etwas Kühles? In unserem Film fällt es auf,  weil wir im Gegensatz zu einem Image-Spot keine filmischen Verschleierungsmittel hinzufügen: keine treibende Musik, keine schnellen dynamischen Schnitte. Wir stellen die Kamera auf ein Stativ, versuchen einfach, sie so zu setzen, dass der Bildaufbau klar ist und etwas über die Welt erzählt. Alles andere ist die Beobachtung dessen, was vor der Kamera vonstatten geht.

 

Wir danken für das Gespräch.
 

Text: Susanne Finken

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