Glückwunsch, altes Haus!
Donnerstag, 31. Mai 2012 | Text: Gastbeitrag | Bild: Tamara Soliz
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Was für eine lange Geschichte Du bereits erzählen kannst. Sei es über die vielen Menschen, die bereits in Dich ein- und ausgegangen sind oder sei es über die Maschinen, die in dir gearbeitet haben. Es gibt Grund zum Feiern. Nachdem preußische Soldaten Dich im 18. und 19.Jh. besetzten, wurdest du nach dem Zweiten Weltkrieg von der Deutschen Bundespost genutzt. Dein Alter wurde dir erst zum Verhängnis. Um eine neue Wohnsiedlung zu errichten, solltest du in den 80er Jahren abgerissen werden. Doch es erklärten sich etwa 600 Kölner Südstädter bereit, dich zu verteidigen. Die Fabrik sollte ein Haus für die Bürger werden, ein kulturelles Zentrum und ein preiswerter Wohnraum. Nachdem einige Teile des Fabrikgeländes damals trotzdem abgerissen wurden, feiert das übrig gebliebene Stollwerckgebäude nun sein 25-jähriges Jubiläum als Bürgerhaus in der Kölner Südstadt.
Das Bürgerhaus Stollwerck bei der Jahrhunderthochwasser 1993 (Links). Das Haus in der 80er Jahre. / Fotos: Archiv Bürgerhaus Stollwerck.
Lange wohne ich noch nicht in der Südstadt, deswegen war ich umso gespannter, mehr über das alte Backsteinhaus für Bürger zu erfahren, das sich gleich um die Ecke meiner Wohnung, am Trude-Herr-Park befindet. Im Internet finde ich ein sehr großes Angebot an Kursen und Veranstaltungen, zu denen das Bürgerhaus Stollwerck alle Menschen einlädt. Ob Krabbelkind, Schulkind, Jugendlicher, Berufstätiger oder auch Hochbetagter, ob Musiker oder Künstler, Kölner oder Düsseldorfer, reich oder arm, behindert oder nicht behindert, deutsch oder ausländisch, groß oder klein, dick oder dünn… Jeder und ich meine wirklich jeder Bürger findet hier ein Freizeitangebot, das zu ihm passt. Fünf Stockwerke ist das alte Gebäude hoch Bis zu 170.000 Menschen besuchen es pro Jahr. Unter der Woche ist es von 7 Uhr morgens bis 3 Uhr nachts geöffnet und am Wochenende durchgehend. Diese Öffnungszeiten gewährleisten vor allem den Künstlern, ihre kreativen Phasen voll auszuschöpfen. Zehn Musikprobenräume, die mehrfach genutzt werden und zehn Ateliers gibt es hier, ein großer Veranstaltungsraum, der etwa 600 Personen fasst, wird für Konzerte, Lesungen und unter anderem auch für die Jubiläumsfeier genutzt. Induktionsschleifen für Hörgeschädigte befinden sich in drei Räumen des Gebäudes. Seit 2011 ist das Bürgerhaus auch offiziell barrierefrei. Es gibt einen Aufzug und automatische Türöffner. Gerne möchte der Leiter des Bürgerhauses Klaus Wyschka auch mehr Kursangebote für Menschen mit Behinderung fördern.
Ich entschied mich den Kurs Fit für 100 ein Fitnesskurs für Hochbetagte einmal zu besuchen. Mit meinen 24 Jahren kann ich mich ja auch einmal darum kümmern, welche Angebote im Rentenalter für mich in Frage kommen könnten. Während der Aufwärmphase treffe ich auf einige Teilnehmer und die Gruppenleiterin und Diplom Sportlehrerin Gudrun Körner. Nur Frauen nehmen teil, ganz selten verirrt sich ein Mann zwei drei Mal im Kurs. «Männer mögen Termine nicht so.», erklärt Körner. In dem Kurs trainieren Senioren ihre Muskeln und ihre Ausdauer durch angeleitete, gezielte Übungen. Dabei kommen sie ganz schön ins Schwitzen, genießen aber hier eine Alternative zum Alltag zu finden. Das Bürgerhaus ist eben ein Treffpunkt für Jung und Alt.
Für den Erhalt des Bürgerhauses und seiner vielfältigen Angebote wurde dieses Jahr ein Förderverein gegründet. Das Bürgerhaus Stollwerck als städtische Einrichtung ist, wie viele andere auch, von Kürzungen der Zuschüsse betroffen. Daraus resultierend mussten im letzten Jahr Programme, Standards und Ausstellungen, teilweise gestoppt werden. Manuela Krekeler-Marx hat ein Atelier im Bürgerhaus und wohnt in einer Wohnung auf dem ehemaligen Fabrikgelände. Auch sie war bereits von den Kürzungen betroffen. Vor Jahren hatte sie eine Galerie und gab Kurse. Doch da weniger Geld zur Verfügung stand, mussten diese Angebote gestoppt werden. Was dies für die Kölner Südstadt bedeutet, weiß sie genau: «Es ist bedauerlich, dass Kultur nicht mehr richtig gefördert wird. Die Kunst muss wieder einen anderen Stellenwert erlangen. Der Rahmen ist zu eng. Die Stadt braucht eine andere Haltung.» Um seinem Ruf als Haus für jeden Bürger gerecht zu bleiben, dürfen die Mieten für die Räume und die für die Kurs- Beiträge nicht gesteigert werden“. Das Bürgerhaus hofft, dass sich bei der Jubiläumsfeier weitere Mitglieder für den Förderverein finden, die ebenso an der Tradition des Bürgerhauses festhalten möchten.
Klaus Wyschka, Leiter der Bürgerhaus Stollwerck.
Am Samstag, 2. Juni 2012, feiert das Bürgerhaus in der Dreikönigenstr.23 sein Jubiläum und lädt ein. Unter der Moderation des Kabarettisten Thilo Seibel gibt es ein dreistündiges Programm, in dem sich sämtliche Kurse vorstellen, Musikgruppen auftreten, die hier üben, Künstler ihre Ateliers öffnen, Kinder spielen können, usw. Auch für Verpflegung ist gesorgt. Bei freiem Eintritt kann man jederzeit ein- und ausgehen, eine Runde durchs Gebäude drehen, sich bei gutem Wetter in den Biergarten setzen ganz nach Laune und ohne Zwang, das gesamte Programm anzuschauen.
Jenny Mühlmann ist Redaktionspraktikantin und Schulbegleiterin eines körperlich und geistig behindertes Kindes an der KGS Mainzer Straße.
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„Annosaal, maschinenhalle und dann kam das Bürgerhaus Stollwerck“
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