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Kultur

„Was macht Ihr nur mit den Klassikern?“

Samstag, 14. Juli 2012 | Text: Jasmin Klein | Bild: Barbara Siewer

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Jedes Jahr, wenn es Juli wird in Köln und die Wolken den Regen über die Stadt tragen, startet das N.N. Theater Freiluftfestival. In der Festungsanlage des Friedensparks sitzen 500 Menschen unter einer Regenplane und starren gebannt auf die Bühne. Der ‚Brandner Kaspar’ steht dort oben und will nicht sterben. Warum geht er denn nicht? Er ist doch alt und so verwirrt, dass er schon seine Schuhe vergisst und barfuß auf die Straße läuft. Auch der Tod steht ihm bei und redet ihm gut zu. Plötzlich beginnt der Regen, den die Wolken bisher über den Spielort hinweggetragen haben, auf die Zuschauer in den ersten Reihen zu fallen. Erste Plastikcapes werden ausgepackt, die zuvor vom Team des N.N.Theaters kostenlos verteilt wurden. Das Publikum raschelt. Der Schauspieler geht in seinem Spiel auf die Geräuschkulisse ein. Alle lachen. Das Spiel geht weiter.

Rückblende: vor 25 Jahren –
Irene Schwarz und Ute Kossmann, zwei junge Schauspielerinnen, lernen sich bei einer grauenhaften Inszenierung Mitte der Achtziger Jahre kennen. Und weil in allem Schlechten auch irgendwo etwas Gutes steckt, bleibt nach dieser gemeinsamen Erfahrung etwas übrig: Die Idee, Theater für Menschen zu machen, die sonst nicht ins Theater gehen. Sie beginnen mit reinem Straßentheater, spielen Klassiker wie ‚König Lear’ in Köln direkt am Rhein und in der Bochumer Fußgängerzone. Die Herausforderung besteht darin, die Klassiker, die allgemeingültig sind, für ein Publikum von heute zu übersetzen und zugänglich zu machen, sie zu den Leuten zu bringen, komödiantisch, mit großer Liebe zu Stoff und zu Publikum, und dabei den Spagat zwischen Komödie und Tragödie hinzukriegen.
Sie lernen George Isherwood kennen, einen Amerikaner aus Amsterdam, der sie lehrt, Leichtigkeit in noch so schweren Themen zu finden. Die Fallhöhe zwischen Komödie und Tragödie aufzuspüren ist das große Anliegen des N.N.Theaters. So wird Goethes ‚Faust’ als Western inszeniert, oder Shakespeares ‚Macbeth’ in das Chicago der Dreißiger Jahre verlegt.
Mit den Jahren wächst die Erfahrung, wie man ein Theater ohne festes Haus, ohne Subventionen und ohne Sponsoren lebendig hält. Sie touren durch Deutschland, treten auf Festivals auf und erspielen sich ein Publikum, das bunter nicht sein könnte. Kinder, Verliebte, Großeltern, Freundinnen. Mittlerweile gibt es eine große Fangemeinde, die die Stücke regelrecht abfeiert.

 

 

Heute Abend spielen Michl Thorbecke (als Brandner Kaspar ständig präsent und mit bayrischem Zungenschlag) und Gregor Höppner (der eifrige Tod mit den roten Ohren) um Leben und Tod. Mit den beiden Hörnern, die das Stück eröffnen, wird nicht nur Musik gemacht (hier auch auf der Bühne und für die Musik zuständig: Bernd Kaftan). Sie dienen als Fernrohr, als Biergläser, als Zapfhahn, Pissoir. Die komplette Kulisse besteht aus einem großen, runden Iglu-Zelt. Das Zelt ist weiß. So dient es als Vorhang, als Garderobe, als Leinwand und Kulisse. Die Requisiten sind sparsam, aber sehr vielseitig zu nutzen. Einfallsreichtum und Licht erschaffen eine Atmosphäre, die vergessen lässt, dass es hier keinen üppigen Staatsetat für einen Bühnenbildner gibt. Überhaupt ist es erstaunlich, wie erfinderisch die Macher sind. Die Hirsche, die der Brandner Kaspar schießt, werden mittels Händeschattenspiel des zweiten Schauspielers an die weiße Zeltwand geworfen. Wie charmant –  das Publikum lacht. Will man den Tod zeigen, werden Kreuze an die weiße Wand projiziert. Dann donnert es laut aus den Laut

sprechern. Oder ist es der Regen? Die nahe vorbei fahrende Bahn rauscht, oder ist es der Regen? Es ist der Regen. Das Spiel wird unterbrochen, kichernd suchen die Zuschauer Schutz unter mitgebrachten Schirmen oder den von Kinderhand gezimmerten Bretterverschlägen, die den Rand des Bauspielplatzes und Spielortes säumen. Die ungeplante Pause wird zum Rauchen oder Kölsch holen genutzt. Wohl dem, der zufällig seine Gummistiefel trägt.

 

Das Basis-Team des in Köln beheimateten N.N.Theaters besteht aus vier Schauspielern mit Gästen. Die Schauspieler sind nicht nur Schauspieler, sie müssen auch anpacken können. Es werden alle Arbeiten um den Auf- und Abbau und die Inszenierung aufgeteilt, es wird geschminkt, musiziert, Kaffee gekocht. Man spielt nicht nur eine Rolle, sondern oft gleich mehrere. Ein Traum für jeden Schauspieler. Daher wohl auch die geringe Fluktuation. Und auch das Team ist so bunt wie seine Zuschauer. Ute lernte Schauspiel in Paris, Irene in Köln, Michl Thorbecke an der Dimitrischule im Schweizer Tessin, Didi Jünemann in New York, und der Regisseur vieler N.N.Theaterinszenierungen, George Isherwood, kommt aus den USA. Die Art der Inszenierung ist auch so undeutsch, dass sie von Zuschauern beim ‚International Festival’ im schottischen Edinburgh gefragt werden: „Wo habt Ihr denn diesen wundervollen deutschen Akzent her?“
Auch die sehr deutsche Unterscheidung zwischen E und U inklusive deren Wertung wird vom N.N.Theater abgelehnt. Ute Kossmann: „Für mich ist es eins der schwierigsten Dinge, die Leute zum Lachen zu bringen. Das hat hier in einem bestimmten Bildungsmilieu einen ganz komischen negativen Touch. Das ist ja in England ganz anders, da wirst Du dafür angebetet, mit Recht. Bring´ die Leute zum Lachen, finde das! Das ist auch das, was wir suchen, dieses Spannungsfeld. Bisher ist es uns geglückt!“
Der Name N.N. kommt daher, dass die beiden Gründerinnen keinen schicken, sprechenden Namen wollten, wie er in den Achtziger Jahren en vogue war. ‚Reibekuchen-Theater’, wie würde das denn heute klingen? Da kamen sie auf die Idee, es wie den noch unbekannten Dozenten an der Uni zu nennen: N.N., Nomen Nominandum. ‚Der Name ist hier einzusetzen’-Theater. Und als Untertitel ‚Neue Volksbühne Köln’.

Der Regen hat ein Einsehen. Unter dem Jubel der Zuschauer wird er literweise mithilfe eines Besen von der Schutzplane gefegt, die über den Bierbänken hängt, auf denen die Zuschauer sitzen. Der Regen dient dem Stück als zusätzlicher Kitt zwischen Zuschauern und Schauspielern. Ein gemeinsames Abenteuer. Und diese Spannung: Wird es weitergehen? Ja, es geht weiter. Bitte alle wieder auf die Bänke!

 

Nach dem Stück gehen die Zuschauer erfüllt über den Platz zu den Ständen. Musik aus Alphörnern ertönt. Die Eifler Alphornisten spielen zu Bratwurst, Kölsch und Fanta. Trauben von Menschen knubbeln sich im Innenhof, die Luft ist erfüllt vom gerade Erlebten. Noch bis Mittwoch, den 18. Juli 2012 spielt die Truppe um Kossmann und Schwarz im Innenhof des Bauspielplatzes Klassiker der Weltliteratur, für Menschen, die sonst nicht ins Theater gehen, und für alle anderen sowieso. Auch Kinder sind herzlich willkommen, besonders die Nibelungen eignen sich gut für sie. Fast wie ein Märchenstück. Karten gibt es an der Abendkasse oder bei http://www.koelnticket.de/suchergebnisse.html?cs=N.N.+Theater. Gummistiefel, Regenkleidung und festes Schuhwerk nicht vergessen!

Beginn 20:30 Uhr, Einlass ab 20 Uhr, freie Sitzplatzwahl
Sonntag, 15.07.2012, Romeo und Julia
Montag, 16.07.2012, Aus dem Leben eines Taugenichts
Dienstag, 17.07.2012, Michael Kohlhaas
Mittwoch, 18.07.2012, Die Nibelungen
 
Kölner Friedenspark
Oberländer Wall 1
50678 Köln

www.nntheater.de

Text: Jasmin Klein

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