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Verkehr

Die Angst vor Abriss, Autos und den Anderen

Donnerstag, 31. Januar 2013 | Text: Doro Hohengarten | Bild: Barbara Siewer

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

„Herr Schaller, so geht es nicht“, ruft Bezirksbürgermeister Mike Homann durch die Aula der Europaschule, „wir haben hier Regeln“. Doch Herr Schaller schreit weiter. „Ist das hier eine Alibiveranstaltung oder was?“

 

Der aufgebrachte Anwohner aus Raderthal ist nicht der einzige – auch bei anderen kochen an diesem Abend die Gefühle hoch. Bei der Hebamme Gundula Jaskowsky zum Beispiel. „Uns droht die Zwangsenteignung“, bebt ihre Stimme ins Mikrofon, „Sie nehmen uns unsere Existenz!“

 

Die Stadt hat zu einer Informationsveranstaltung geladen. Es geht um die „3. Baustufe der Nord-Süd-Stadtbahn“. Auf der Bühne sitzen Kölns oberster Stadtplaner Franz-Josef Höing, Gerd Neweling vom Amt für Brücken- und Stadtbahnbau, Gunther Höhn von den KVB und der Chef vom Amt für Straßen- und Verkehrstechnik, Klaus Harzendorf. Rund 400 Bürgerinnen und Bürger bilden das Publikum.

 

Gleise auf der Bonner Straße

Die 3. Baustufe der Nord-Süd-Stadtbahn ist seit Jahren geplant: Auf der Bonner Straße wird die Bahnlinie 5 – wenn sie denn eines Tages fährt – ab der Haltestelle Markstraße oberirdisch verlaufen.  Die Gleise werden dann mitten auf der Bonner Straße bis zum Verteilerkreis am Militärring führen. Zwischen der neuen Haltestelle „Arnoldshöhe“ und dem Kölner Süden werden Busse verkehren. 2016 soll der Umbau beginnen, 2018 fertig sein.

 

Die Nord-Süd-Stadtbahn wird den Kölner Süden und die Stadtteile Bayenthal, Raderberg, Raderthal und Marienburg besser an den öffentlichen Nahverkehr anbinden. 28.000 Fahrgäste am Tag sind das Ziel. „Es ist absolut gewollt, dass mehr Menschen auf die Bahn umsteigen“, erklärt Klaus Harzendorf.

 

„Uns droht die Zwangsenteignung“: Hauseigentümerin Gundula Jaskowsky

 

Streitpunkt Park&Ride

Dass die Straßenbahnlinie kommt, gilt als wahrscheinlich – endgültig entscheidet der Rat aber erst in diesem Jahr. Die Stadtverwaltung steckt mitten in den Vorbereitungen. Ein Schweizer Verkehrsplanungsbüro hat konkrete Pläne geliefert, Gerd Neweling erläutert eine Auswahl davon. Sie zeigen, wo welche Haltestellen gebaut werden sollen, wie der Autoverkehr verlaufen wird (einspurig zwischen Schönhauser Str. und Gürtel, zweispurig zwischen Gürtel und Militärring), wo U-Turns entstehen und wo das geplante Park&Ride-Haus am Verteilerkreis gebaut werden soll – nämlich dort, wo derzeit eine Tennishalle steht. Wer aus dem südlichen Umkreis kommt, kann dort sein Auto abstellen und auf die Bahn umsteigen. 

 

„Endhaltestelle Köln“ /Grafik: StadtBahnGestaltung, Zürich

 

Der Standort des Parkdecks ist heiß umstritten. Herrn Schaller, der in einer angrenzenden Straße wohnt, stört es besonders. Ein dreietagiges Parkdeck an dieser Stelle – das weckt bei ihm wie bei vielen Anwesenden die schlimmsten Befürchtungen. Von einem „Angstort“, von „Dunkelräumen“ ist immer wieder die Rede. Herr Schaller spricht von „Nutten, die dort anschaffen gehen“. Viele sähen das Parkdeck am liebsten gar nicht, und wenn schon, dann auf der stadtauswärts gelegenen Seite des Verteilerkreises – also möglichst weit weg von ihnen. 

 

Die Jungs vom Kölnberg und die Sorge um die Ruhe

Auch dass die Nord-Süd-Stadtbahn eine neue Klientel durch die besseren Stadtteile Kölns spülen wird, beunruhigt so manchen. Wer etwa in Meschenich wohnt, einem der sozialen Brennpunkte Kölns, hätte mit der neuen Bus- und Bahnverbindung schnelleren Zugang zur Kölner Innenstadt.  „Aber ich hätte kein gutes Gefühl, meine Tochter mit den Jungs vom Kölnberg an der Arnoldshöhe warten zu lassen“, sagt eine Besucherin hinter vorgehaltener Hand. Kommt die Bahn, dann kommen die Anderen.

 

Am lautesten aber sind an diesem Abend die Stimmen derer, denen es um ihre eigene Ruhe geht. Sie fürchten, dass die Bonner Straße durch den Umbau weniger Autoverkehr aufnehmen wird. Dann könnten Autofahrer Schleichwege durch ihre Viertel nehmen  – durch die baumreichen Wohnstraßen des Villenviertels Marienburg zum Beispiel.

 

Gut organisierter Widerstand

Der Widerstand ist bestens organisiert. Der Bürgerverein Bayenthal-Marienburg fordert, man dürfe die Wohnqualität nicht der Straßenverkehrsplanung opfern. Die IG Marienburg warnt vor einem „Verkehrskollaps“ und sorgt sich um die Lebensqualität in ihrem einzigartigen Stadtteil. Sogar Anwohner einzelner Straßen, wie der Marienburger Grootestraße, schließen sich zu Interessengemeinschaften zusammen, um sich gegen fremden Autolärm zur Wehr zu setzen. 

 

Die Stadt sichert ihre Planung mit Verkehrsgutachten ab – die Bonner Straße werde nach dem Umbau überhaupt keinen Verkehrsinfarkt erleben, beruhigt Klaus Harzendorf. Doch beruhigen lassen wollen sich hier die wenigsten. Viele fühlen  sich eher überrollt als bürgerbeteiligt.

 

Vom Abriss bedrohte Häuser auf der Bonner Straße Nr. 329, 331, 333

 

Das Haus der Hebamme Jaskowsky

Die wenigsten trifft die 3. Baustufe allerdings so existenziell wie die Hebamme Gundula Jaskowsky. Ihr Haus mit der Nummer 329 zählt zu den zehn Häusern an der Bonner Straße, die laut Plan abgerissen werden müssen. Auf Höhe der Annastraße soll die Fahrbahn verbreitert werden. Dort soll eine Wendemöglichkeit, eine U-Turn-Spur für Autofahrer entstehen. Allein an dieser Stelle müssten dafür fünf der zehn Häuser weichen. 

 

Die Stadt bietet Geld, sie will Gundula Jaskowsky ihr Haus abkaufen. Doch das nützt ihr nicht. An dem Haus hängt ihr Leben – ihr jetziges und ihr späteres. Die 53-Jährige hat ihre Hebammenpraxis in dem Gebäude, das sie 1990 gekauft hat. Damals verdiente sie als Hebamme nicht schlecht. Doch heute bekommt sie brutto weniger als Hartz-IV-Empfänger – die Folge der Hebammenreform. Müsste Jaskowsky woanders Miete bezahlen oder eine solche Praxis neu kaufen – „es würde nicht gehen“, sagt sie.

 

Die Stadt bietet zwar Einiges für das Haus – aber viel weniger als es eigentlich wert ist. Vor einigen Jahren musste sie eine Wertsteigerungsverzichtserklärung unterschreiben, im Gegenzug für eine Umbaugenehmigung. Die Stadt hatte die Nord-Süd-Stadtbahn damals schon auf dem Plan und spielte mit offenen Karten: Eines Tages könnten Häuser aufgekauft und abgerissen werden. Dass es wirklich sie selbst trifft, hat Gundula Jaskowsky dann aber doch eiskalt erwischt. „Was sie mir anbieten, würde für eine Praxis und als Altersabsicherung niemals reichen“, sagt sie. 

Haltestelle Cäsarstraße. Die rot umrandeten Flächen kennzeichnen die Häuser, die abgerissen werden sollen./ Grafik: StadtBahnGestaltung, Zürich

 

„Nur zwei Dinge sind alternativlos“

Nun kämpft sie mit Haut und Haaren um ihr Bleiben. Sie überlegt sich Alternativen: Wie könnte der U-Turn ersetzt oder verlegt werden? Ihre Idee, die sie auch als Vorschlag Nummer 167 im Bürgerhaushalt eingebracht hat: Ein Kreisverkehr wie am Chlodwigplatz, an der Kreuzung Bonner Straße/Gürtel. Dann könnten die Autofahrer dort die Richtung wechseln, wenn sie wollen. 

 

Zwar versichern die Vertreter der Stadt an diesem Abend: „Wir werden alle ihre Bedenken ernsthaft prüfen“. Doch daran hat Jaskowsky so ihre Zweifel. „Es gibt keine Alternative, haben die mir im Gespräch im letzten Jahr gesagt. Da hab ich geantwortet: Als Hebamme kann ich ihnen sagen, nur zwei Dinge im Leben sind alternativlos. Die Geburt und der Tod.“ Nun fordert sie eine Ombudsperson, einen unabhängigen Vermittler zwischen der Stadt und denen, die betroffen sind. 

 

Für die Villa Lenders, das alte Teppichhandelsgebäude an der Ecke Bonner Straße/Schönhauser Straße, kommt wohl jede Hilfe zu spät. „Wir brauchen dort 10 bis 12 Meter zusätzlicher Breite, es wird nicht anders gehen“, sagte Klaus Harzendorf. Der Abriss: alternativlos.

 
 
Die weiteren Bürger-Termine für die 3. Baustufe sind:
 
23.2., 14 Uhr: Begehung Bonner Straße, Abschnitt Marktstraße bis Gürtel. Treffpunkt: REWE-Parkplatz Bonner Straße
 
2.3., 14 Uhr: Begehung Bonner Straße, Abschnitt Gürtel bis Verteilerkreis, Treffpunkt: Kaiser’s Parktplatz Bonner Straße
 
16.3., 11 Uhr: Werkstattgespräch mit den Bürgern (Ort wird noch bekannt gegeben)
 
Vor den Sommerferien: Bürgerinformationsveranstaltung mit Vorstellung der Ergebnisse

Text: Doro Hohengarten

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