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Sport

Suchtfaktor Rennradsport

Freitag, 10. Mai 2013 | Text: Roger Lenhard | Bild: Christoph Hardt

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Am Sonntag wird der Radklassiker „Rund um Köln“ zum 97. Mal ausgetragen. Ein guter Anlass, sich mit dem Radfahren und seinen Sportlern zu beschäftigen. Der Blick soll diesmal nicht auf die Profis oder gar auf die Heroen der Vergangenheit dieser Disziplin der Mühe und Anstrengung, sondern auf die vielen Amateure und Hobbyathleten, für die der Radrennsport eine selbstverständliche Lebensbegleitung ist, gerichtet werden. Vielleicht ist es daher sinnvoll, am Anfang der Überlegungen zu unterscheiden zwischen Sportlern und Leuten, die Fitness machen.

Für mich sind Sportler Menschen, für die der jeweilige Sport ein unverzichtbarer Bestandteil ihres Lebens ist, während Fitnesstreibende in erster Linie aus gesundheitlichen oder ästhetischen Gründen ihren Körper ertüchtigen. Zu den Sportlern gehören ganz gewiss Radrennfahrer, die bis ins hohe Alter einfach immer weiterfahren – mehrmals in der Woche, Jahr für Jahr, bei Wind und Wetter. Wer hat noch nicht auf gerader Strecke einen betagten Herren mit deutlichem Bauchansatz in beißend-schriller Radfahrermontur überholt, der dann beispielsweise beim Anstieg in der Voreifel oder der Ville wieder an einem vorbeizog, ohne die Trittfrequenz zu variieren. Es handelt sich hierbei um einen der  vielen verrückten Pedaltreter, die sich schon seit 30, 40 oder 50 Jahren diesem zeitintensiven Hobby verschrieben haben und sich erfahrungsklug die Kräfte gut einzuteilen wissen.

?Dabei wirft diese Hingabe Fragen auf. Sich immer weiter fortzubewegen, um nicht aus der Balance zu kommen, eignet sich als Sinnbild des Lebens. Doch die Hingabe für diesen Sport ist damit nicht erklärt. Gerade wenn das gelebte Leben in Balance ist, ist es geprägt durch Gewohnheiten und Arbeitsroutinen. Diesen alltäglichen Trott hinter sich zu lassen durch den ermüdenden Trott der Pedalumdrehungen leuchtet einem Außenstehenden nicht sofort ein. Warum die Tretmühle durch eine andere Tretmühle ergänzen? Um etwas mehr von der Begeisterung verstehen zu lernen, verabredete ich mich mit Ole Buckendahl von der Scuderia Südstadt, einer Thekenmannschaft für Radsport. Ole (31 Jahre und Lehrer von Beruf) fährt  auch dieses Jahr wie die Jahre zuvor bei dem Jedermann-Rennen des Tagesklassikers „Rund um Köln“ mit.
 

Meine Südstadt: Wie bist Du zum Radsport gekommen?
Ole Buckendahl: Ich bin in Göttingen groß geworden und habe mir als Kind die Tour de France-Etappen angeschaut. Bis ich mir mit Anfang zwanzig ein eigenes Rennrad durch ein unerwarteten Geldsegen leisten konnte, vergingen einige Jahre. Seit dieser Zeit bin ich dabei und betreibe das Radfahren als Hobby.

Erklär‘ mir das mal. Was ist das Faszinierende an deinem Sport?
Wie bei vielen Ausdauersportarten spielt der Suchtfaktor sicherlich eine große Rolle. Mir fehlt schlicht etwas, wenn ich nicht fahre. Obwohl ich nach einer Tour oft erschöpft bin, habe ich währenddessen auch Glücksgefühle.

Wieviel Zeit wendest du auf?
Das schwankt etwas und hängt von der Arbeit und den sonstigen Verpflichtungen ab. Ich muss dazu sagen, dass ich das Fahrrad auch als Fortbewegungsmittel nutze und auch nach Pullheim zu meiner Schule mindestens dreimal die Woche mit dem Rad hin und zurück fahre. Ich komme bestimmt auf 10 bis 12 Stunden die Woche. Mit größeren Ausfahrten am Wochenende werden es noch mal mehr.

Ist dieses stundenlange Kilometerbolzen nicht eintönig und langweilig?
Ich bin frei und kann alleine fahren oder in der Gruppe mit der Scuderia Südstadt. In der Gruppe kann man sich unterhalten und gemeinsam auspowern, und wenn ich alleine fahre, komme ich aus der Stadt raus in die Natur und genieße die Landschaften. Das bieten andere Sportarten nicht, und es ist überhaupt nicht eintönig. Daneben spielt der Faktor Sucht eine Rolle. Es kribbelt einfach in den Beinen, wenn man länger nicht gefahren ist. Der Körper vermisst dann die Glücksgefühle. Das kennt man von anderen Ausdauersportarten.

Darius Kaiser, ein Ex-Profi, beschrieb Training und Wettkampf als Tortur und Schinderei: Fahren bis der Körper schmerzt und die Schmerzen ertragen zu lernen, das ist Radsport. Das kann es doch für einen Hobbyfahrer nicht sein. Versuch mal deine Gefühle während des Fahrens näher zu beschreiben.
Um nach der anstrengenden Arbeit auf den Sattel zu steigen, muss ich manchmal den inneren Schweinehund überwinden, und ist manchmal das Bergfahren auch mit Schmerzen verbunden, aber die positiven Gefühle überwiegen. Ich schalte, je länger ich fahre, immer besser ab und komme mir selbst wieder näher. Die Grenzen der Belastbarkeit auszutesten gibt mir ein Gefühl der Stärke. Und wenn die Erschöpfung erst vorbei ist, fühl‘ ich mich richtig gut. Ich bin nicht Mitglied in einem Verein und fahre nicht dauernd Rennen, deshalb ist das mit den Schmerzen nicht so relevant – und das Positive überwiegt bei weitem.

 

Bei „Rund um Köln“ fährst du aber schon mit. Das erste Mal??

Ich bin seit 2005 dabei und bis auf zwei Mal immer mitgefahren. Das ist ein zusätzlicher Ansporn und motiviert mich, wenn ich mal keine Lust habe, doch meine Trainingsrunde zu fahren.

Bereitest du dich speziell auf das Rennen vor, und muss man bei einem richtigen Rennen anders fahren als in einer kleinen Gruppe von Gleichgesinnten??

Die Vorbereitung ist in meinen Sportalltag integriert. Ich fokussiere mich dann etwas mehr und versuche besser zu trainieren, aber viel verändere ich nicht. Es ist eine Motivationshilfe. Bei dem Jedermann-Rennen fährt man in einem riesigen Tross, und die Gefahr zu stürzen ist viel größer. Man muss höllisch aufpassen. Taktische Überlegungen spielen eine viel wichtigere Rolle. Gehe ich jetzt mit oder verlasse ich meine Gruppe am Berg und bin dann möglicherweise alleine. Aber es ist einfach super auf abgesperrten Straßen zu fahren vor den vielen Zuschauern am Rand.??

 

Ich habe gehört, dass jeder Radfahrer seine Hausstrecke hat. Was ist deine präferierte Ecke? Eher die Eifel oder das Bergische??

Ich ziehe das Bergische vor. Das ist auch schneller zu erreichen. Von der Südstadt fahre ich oft auf die andere Rheinseite, dann den Deutzer Postweg entlang bis zum Königsforst. Von da aus geht es dann weiter nach Bensberg, Bergisch-Gladbach oder Rösrath.??

 

Und jetzt zum Schluss ganz knapp. Warum sollte man Radfahren??

Es ist gesund, macht Spass, schult die Willensstärke und ist umweltfreundlich.??

 

Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg am Sonntag.?

 

 

Mehr zum Thema:
Jeden Dienstag findet die sogenannte Feierabend-Runde statt (Start um 18:00 Uhr, Treffpunkt: Merowingerstraße 43), an der sich Gleichgesinnte gerne beteiligen können.
Mehr Informationen zur Scuderie Südstadt gibt es im Netz unter www.scuderia-suedstadt.de – hier werden auch alle Termine der Gruppe eingepflegt. Jede/r ist herzlich eingeladen, sich anzuschließen. Dabei darf man die Hacken zeigen und anders herum erwarten, dass der Langsamste das Tempo bestimmt.
Wer mehr über den ehemaligen Rennrad-Profi Darius Kaiser und dessen Einstellung zum Rennradsport wissen will, klickt auf das Interview „Charakterstärke“, das Roger Lenhard mit ihm führte.
 

Text: Roger Lenhard

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