Herzlich willkommen?
Montag, 17. Juni 2013 | Text: Karsten Schöne | Bild: Karsten Schöne
Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten
Das Flüchtlingsheim des Deutschen Roten Kreuzes in der Vorgebirgsstraße ist ein Stück Wirklichkeit, das zur Kölner Südstadt gehört. 100 Menschen wohnen hier zur Zeit, entweder in der Notaufnahme oder im Regelwohnheim.
Meine Südstadt war dort zu Besuch, weil die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg (DPSG Köln) sich für das Wochenende ein Ziel gesetzt hatte: sie wollte in 72 Stunden einige Räume des Flüchtlingsheims verschönern. Denn: das Wohnheim sieht – bei allem Engagement der Heimleitung – ziemlich trist aus. Als wir durch die Flure gehen, drängt sich uns ein Gedanke auf: Sollte Deutschland Flüchtlinge auf diese Art und Weise willkommen heißen?
Die gute Nachricht: Die 72-Stunden-Aktion (initiiert von der Katholischen Jugend) war ein Erfolg. Was sich doch mit ein wenig Farbe, mit Kreativität, mit Sachspenden und freiwilliger Helfer-Geist alles ausrichten lässt. Darüber sprechen wir am Samstagmorgen das erste Mal mit David Dressel von den Kölner Pfadfindern. Warum macht er mit bei der Aktion?
Wir wollen erreichen, dass sich die Ankommenden hier wohler fühlen. Das heißt nicht nur Farbe. Das heißt Bilder, Gardinen, Lampen – ein bisschen Wärme eben. Wir haben uns gestern schon ein bisschen mit den Bewohnern unterhalten. Da ist reges Interesse an dem, was wir tun. Ob die Bewohner bei der Aktion mithelfen werden? Wir hoffen darauf. David versteht sein Engagement im Übrigen ausdrücklich auch als Aktion gegen Rechtsextremismus.
Es ist 11 Uhr an diesem Samstagvormittag. Draußen dröhnt ein Güterzug nach dem nächsten vorbei. Im Speisesaal der Notaufnahme sind Simone Braun und Jens Pusch im Einsatz. Sie streichen die Wände des Saales in Weiß. Uns ist die Aktion wichtig, sagen beide, damit wir nicht nur im eigenen Saft herumrühren. Der Saal hat sechs kleine Fenster und eine Tür. An der Stirnseite die Essensausgabe, vor der eine Jalousie heruntergelassen ist. Der Boden: graue Vierecke aus PVC, an der Decke Neonröhren.
Unrenovierte Flur in Krankenhausgelb.
Es ergibt Sinn, dass die Pfadfinder diesen Raum schöner machen wollen: Schließlich bekommen die Flüchtlinge, die zum Beispiel am Bahnhof aufgegriffen werden, hier möglicherweise ihr erstes warmes Essen in Deutschland. So ein Raum darf ruhig etwas mehr her machen, denken wir. Heimleiter Alfred Hungenbach hat denn auch vorgeschlagen, an die neu gestrichenen Wände zum Beispiel in verschiedenen Sprachen Herzlich Willkommen zu schreiben. Das soll im Flur geschehen. In 30 Sprachen.
Bislang begrüßt einen der Flur in Krankenhausgelb. Wir treffen die Pfadfinder Sebastian Janosch Jansen und Stefan Pankoke. Sie haben sich mit einer Schleifmaschine an den gelben Wänden versucht, um sie für den Anstrich vorzubereiten. Doch ein Anruf bei einem Malermeister ergab: Ein einfacher Überstrich mit ordentlicher Dispersionsfarbe in Weiß dürfte genügen. Dann die Willkommen-Schriftzüge drauf: fertig.
Am Ende des Flures liegt dann noch das Lernzimmer: Bislang ein kleiner rechteckiger Raum, ein paar graue Metallschränke, einige Stühle, ein Tisch: keine sehr inspirierende Umgebung. Hier hilft IKEA weiter: Das Möbelhaus hat unter anderem Sitzsäcke und Decken gespendet, damit auch dieser Raum schöner wird und zum Lernen animiert. Die Pfadfinder selbst haben durch ihr Singen am Chlodwigplatz 130 Euro eingenommen.
Wir kommen mit Alfred Hungenbach ins Gespräch, der uns durch das Wohnheim führt. Er leitet die DRK-Einrichtung seit Dezember 2012. Die Fakten: Auf dem ganzen Gelände, also im Hauptgebäude und in den 12 Containern, können theoretisch bis zu 170 Personen untergebracht werden – die meisten Plätze gibt es in der Notaufnahme. Dorthin gehen wir. Im Flur riecht es nach Essen, wir schauen uns Zimmer 103 im ersten Stock an. Dort stehen zwei Bettgestelle aus Metall, darauf eine Decke und ein Kissen, außerdem eine Spüle mit Heißwasser-Boiler und ein Herd. Das Nötigste eben. Und wieder der graue PVC-Boden. Nein, gute Laune verströmt der Ort nicht.
Herr Hungenbach berichtet, dass in der Notaufnahme Menschen aus Tschetschenien, Afghanistan und afrikanischen Staaten wie Ghana, Guinea und Nigeria ankommen. Sie bleiben erst mal für eine Nacht, dann müssen sie zum Ausländeramt, und danach werden sie meistens woanders untergebracht, oft gar nicht in Köln. Bei Herrn Hungenbach und seinem Team erhalten sie frische Bettwäsche, warme Mahlzeiten und Essenspakete.
Alfred Hungenbach (Heimleiter) finde die Aktion der Pfadfinder super.
Im Regelwohnheim ist das anders: Dort versorgen sich die Menschen selbst. Sie erhalten keine Sachleistungen, sondern Geldleistungen, etwa vom Sozialamt. Manche verbringen in den Kölner Heimen zehn Jahre – und das mit dem rechtlichen Status der Duldung, der es ihnen nicht erlaubt, zu arbeiten. Kein schöner Gedanke. In der Vorgebirgsstraße leben vor allem Roma-Familien aus dem früheren Jugoslawien: Kosovo, Mazedonien, Montenegro, Bosnien, Serbien.
Wir dürfen im Regelwohnheim kurz bei einer Familie aus dem Kosovo vorbeischauen. In dem kleinen Zimmer wird gerade gegessen, ein Fernseher läuft, im Nebenzimmer schreit ein Baby: Ganz schön eng für eine Familie, die hier zwei Zimmer hat. Es ist nicht leicht, ins Gespräch zu kommen – es gibt auf beiden Seiten Berührungsängste und die Sprachbarriere.
Was uns Sorgen macht, sind das Treppenhaus und die Flure: Die Wände sind vollgekritzelt und schmuddelig, auf den Treppenstufen liegt viel Müll. Der Eindruck ist ganz schön trostlos und alles andere als einladend. Alfred Hungenbach berichtet, dass bis zu drei Mal am Tag geputzt werde und dass er eine Renovierung der Flure plane (an der Außenfassade wird schon gearbeitet).
Uns kommen zwei Gedanken: Was für einen Lebensstandard sollte eine multikulturelle Stadt wie Köln den Menschen bieten, die hier aus ganz verschiedenen Gründen stranden? Und: Wie bringen sich die Bewohner selbst ein? Was könnten auch sie tun für die Umgebung, in der sie leben müssen/wollen?
Unser Kontakt zu den Kölner Behörden ist sehr gut, betont Alfred Hungenbach. Sein Team besteht aus sechs Personen: zweimal Hausmeister/Reinigungspersonal, zweimal Küche, zweimal Heimleitung. Hinzu kommt noch die Adlerwache der Stadt Köln, so dass rund um die Uhr, 24 Stunden lang, jemand im Haus ist.
Nach und nach dann doch ein kleiner Erfolg für Pfadfinder David Dressel.
Von den 24 Stunden zurück zur 72-Stunden-Aktion der Pfadfinder: Am Samstag Nachmittag rufen wir David Dressel wieder an. Er berichtet, dass die Malerarbeiten fertig seien. Allerdings, die Bewohner haben nicht mitgeholfen. Sie waren zwar da und haben gefragt, was wir tun. Vor allem Kinder kamen vorbei. Aber wir konnten sie nicht animieren. Vielleicht am Sonntag, wenn wir auf die frisch gestrichenen Wände noch Zeichnungen aufbringen wollen.
Dazu hatte auch Herr Hungenbach, der Heimleiter, schon etwas gesagt: Er finde die Aktion der Pfadfinder super, sagt er. Aber es sei schwierig, die Kinder und Jugendlichen aus dem Heim kurzfristig dazu zu motivieren, sich zu beteiligen. Dafür, sagt er, hätte es mehr Vorbereitung gebraucht.
Am Sonntagnachmittag dann noch ein kurzer Besuch im Heim – und eine positive Überraschung. Die Räume sehen jetzt ganz anders aus, versprühen Heiterkeit und eine gesunde, angenehme Stimmung. An den Wänden im Speisesaal hängen Bilder, an einer Wand eine Weltkugel aus bunten Motiven wie Tieren und Pflanzen. Da hätten auch die Kinder aus dem Heim mitgeholfen, berichtet Jens Pusch – und zeigt uns dann den Flur: Auch hier herrscht eine ganze andere Atmosphäre. Es ist viel heller, und an den Wänden steht tatsächlich in 30 Sprachen: Herzlich willkommen. Auch David Dressel berichtet, dass die Bewohner nach und nach dann doch hier und da mitgeholfen hätten. Noch ein kleiner Erfolg.
Wir denken: Wie schön, dass sich mit drei Tagen Arbeit und einem knappen Dutzend Freiwilliger soviel bewegen lässt. Kompliment an die Pfadfinder. Und dem Flüchtlingsheim an der Vorgebirgsstraße bleibt zu wünschen, dass auch für die anderen Flure und Zimmer schon ganz bald das nötige Geld bereitgestellt wird, um hier ebenfalls zu signalisieren: Köln heißt jeden willkommen.
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