Leichen im Keller
Dienstag, 1. Oktober 2013 | Text: Nora Koldehoff | Bild: Dirk Gebhardt
Geschätzte Lesezeit: eine Minute
Gewisse Kellerfunde beschäftigen einen länger als andere, gerade dann, wenn sich historische Stadtgeschichte mit der eigenen Lebensgeschichte verknüpft.
Zu den Klassikern der Südstadt-Historie gehört ohne Zweifel die Geschichte der Entdeckung des Poblicius-Grabmals (Meine Südstadt berichtete). Doch auch heute, fast fünfzig Jahre später, scheint die Geschichte nicht abgeschlossen. Josef Gens, der zusammen mit seinem Bruder Heinz Mitte der Sechziger Jahre im Keller des elterlichen Wohnhauses am Chlodwigplatz auf den zweitausend Jahre alten Fund stieß, schildert in seinem gerade erschienenen Buch „Grabungsfieber“ die drei Aspekte des Fundes: Entdeckungsgeschichte, Grabungsgeschichte und die Forschungsgeschichte, welche bis heute andauert. Und er wartet mit einem Paukenschlag auf: Das wohl bedeutendste römische Grabmal, das je in Köln gefunden wurde, kann nach seinen Forschungen niemals so ausgesehen haben, wie es im Römisch-Germanischen Museum vom Bauhistoriker Gundolf Precht aufgebaut wurde und bis heute gezeigt wird. Mit dieser Meinung steht der pensionierte Manschinenbau-Ingenieur nicht allein. Verschiedene Fachkollegen beanstandeten bereits die stilistischen Unterschiede der verschiedenen Komponenten und stellten die Zusammensetzung zur Diskussion.
Grabmal des Poblicius um 40 n. Chr., Römisch-Germanisches Museum, Köln./ Foto: Nicolas von Kospoth/CC-BY-SA-2.5
Auch Gens bringt dazu verschiedene Argumente vor. So sind seiner Ansicht nach zum Beispiel die vorhandenen Figuren nur zur Frontansicht – und damit mutmaßlich in einer Nische stehend – gedacht gewesen: Sie sind auf der Rückseite nur grob behauen, während die Vorderseiten detailreich ausgeführt wurden. Außerdem gibt der Umstand, dass das Obergeschoss des Grabmals vergittert war, Anlass, über dessen Sockelhöhe nachzudenken: Eine schützende Vergitterung in 6 Metern Höhe, wie heute rekonstruiert, ergibt keinen Sinn.
Einen Skandal will der ehemalige Kellergräber und jetzige Autor damit allerdings nicht behaupten. Nach Ansicht von Josef Gens ist die Differenz zwischen seiner Auffassung, wie das Denkmal ursprünglich ausgesehen haben könnte, und jener von Marcus Trier, dem Direktor des Römisch-Germanischen Museums, gar kein so großer: Der Dialog zwischen ihm und dem Museum sei ein sehr offener und guter. Man tauscht sich in transparenter Weise aus und vertritt lediglich verschiedene Ansichten, wie die Funde zu interpretieren sind.
In der Südstadt stießen die neuen Erkenntnisse über das Grabmal aus dem Vringsveedel auch ohne Skandal noch immer auf große Resonanz. Als Josef Gens nun am Ort des Geschehens von vor fast fünf Jahrzehnten aus seinem Buch gelesen hat, war die Resonanz schon im Vorverkauf so groß, dass die Veranstaltung von der Maternus-Buchhandlung in die Severinstorburg verlegt werden musste: knapp zehn Meter von jenem Keller entfernt, in dem Josef Gens und seine Freunde erst nur einen Quader und dann ein ganzes Grabmal fanden.
Grabungsfieber Die abenteuerliche Entdeckung des Poblicius-Grabmals.
Josef Gens:
Verlag Kiepenheuer & Witsch
352 Seiten
19,99
Dir gefällt unsere Arbeit?
meinesuedstadt.de finanziert sich durch Partnerprofile und Werbung. Beide Einnahmequellen sind in den letzten Monaten stark zurückgegangen.
Solltest Du unsere unabhängige Berichterstattung schätzen, kannst Du uns mit einer kleinen Spende unterstützen.
Paypal - danke@meinesuedstadt.de
Artikel kommentieren