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Kultur

„So läuft das Leben nun mal nicht“

Donnerstag, 17. Oktober 2013 | Text: Reinhard Lüke | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Worum es in „Finsterworld“ geht? Um einen Polizisten, der nach Feierabend im Bärenkostüm nach Kuscheleinheiten lechzt, schnöselige Elite-Schüler auf Klassenfahrt in ein KZ, eine unglückliche Dokumentarfilmerin, einen Fußpfleger, der sich in eine betagte Kundin verliebt, einen Eremiten, der Krähen liebt, aber Menschen erschießt und um ein altlinkes Ehepaar, das im Luxusmietwagen nach Paris unterwegs ist und permanent auf Deutschland schimpft. Herrlich-abstruse Figuren, gepaart mit einer eigenwilligen Bildsprache, machen „Finsterworld“ zu einem der irritierendsten, aber auch interessantesten Spielfilme des Jahres.  Mit Regisseurin Frauke Finsterwalder sprach Rheinhard Lüke nachts gegen 23:00 Uhr nach der Erstaufführung im ODEON Kino.

 

Meine Südstadt: Was haben Sie gegen deutsche Dokumentarfilme?
Frauke Finsterwalder: Überhaupt nichts. Ich liebe Dokumentarfilme und habe schließlich selbst welche gedreht.

 

Die Dokumentaristin in ihrem Film gibt in ihrer verzweifelten Suche nach dem Authentischen aber keine sonderlich gute Figur ab….
Ich kenne das durchaus, dass man sich Themen und Menschen aussucht, die man zunächst für interessant hält, die sich dann aber als langweilig entpuppen, weil die Protagonisten doch nicht das sagen, was man sich wünscht.  

Was hat Sie veranlasst, diese Bestandsaufnahme der deutschen Befindlichkeit als Spielfilm zu realisieren?
Mag sein, dass Sie den Film so sehen, aber um solch eine Bestandsaufnahme ging es mir überhaupt nicht. In erster Linie ist es ein Film über meine persönlichen Befindlichkeiten, wenn ich in Deutschland bin. Ich denke nicht, dass ich diese subjektive Sichtweise als Dokumentarfilm hätte realisieren können. Außerdem lag mir viel an der Tragikomik mancher Figuren und die hätte ich dokumentarisch so nicht zeigen können.

Wie haben Sie denn die Finanzierung des Films hinbekommen, der ja in keine gängige Schublade passt?
Das war wirklich schwierig. Keine einzige Förderungseinrichtung wollte sich an dem Projekt beteiligen. Zum Glück landete das Drehbuch irgendwann bei Cornelia Ackers vom Bayrischen Rundfunk, die in der Branche für ihren Mut zu ungewöhnlichen Produktionen bekannt ist. Die wollte „Finsterworld“ unbedingt machen und so haben wir schließlich Bayrische Debut-Förderung bekommen. Das reichte zwar noch nicht, aber zusammen mit Sponsoren-Geldern war irgendwann genug Geld da, um den Film zu drehen.

 

Bekommt man von Fernsehsendern und Förderungseinrichtungen zusammen mit der Ablehnung eine Begründung?
In der Regel nicht. Nur in einem Fall hieß es, das Drehbuch sei „zu feuilletonistisch“. Womit man auch nicht viel anfangen kann. Was aber vor allem nervt, ist der Umstand, dass man endlos warten muss, bis man überhaupt eine Antwort bekommt. 

 
Wie haben Sie trotz des schmalen Budgets das hochkarätige Darsteller-Ensemble zusammenbekommen?
Corinna Harfouch und Sandra Hüller hatte ich schon beim Scheiben im Kopf. Als ich ihnen dann das Drehbuch geschickt habe, kam von beiden umgehend eine Zusage, obwohl die Finanzierung überhaupt noch nicht stand. Und schließlich haben sie wie der Rest des Ensembles auf einen Großteil ihrer sonst üblichen Gagen verzichtet.

Sie leben in Florenz und in Kenia. Ändert sich der Blick auf Deutschland, wenn man nur gelegentlich zu Besuch kommt? Schärft Distanz den Blick?
Vor allem die eigenen Befindlichkeiten ändern sich. Viele Dinge, die man früher im Alltag einfach so hingenommen hat, ohne darüber nachzudenken, fallen einem erst auf, wenn man nach längerer Zeit wieder nach Deutschland zurückkommt.  

Ich gestehe, ich fühlte mich in der Sequenz an der Tankstelle ertappt, in der jemand versucht, an der Zapfsäule exakt auf den Betrag von 20 Euro zu kommen. Sind Sie völlig frei von dieser Marotte?
Absolut. Was aber in erster Linie damit zu tun hat, dass ich keinen Führerschein habe. Aber wir haben mehrere Takes gebraucht, die Szene hinzubekommen. Wir haben es erst bei 5 Euro, dann bei 10 und 15 versucht, bis es bei 20 endlich geklappt hat.

Es gibt in Ihrem Film einen eigentümlichen Kontrast zwischen den Bildern, in denen Deutschland in leuchtenden  Farben mit viel Natur und permanentem Sonnenschein manchmal geradezu als stilisierte Idylle erscheint, und der Befindlichkeit der meisten Figuren, die sich in diesem Land in ihrer Haut nicht wohl fühlen. Wieso diese Kontrast?
Ich finde nicht, dass es da vornehmlich unglückliche Figuren gibt. Es sind Menschen, die sich irgendwo ihre Nischen geschaffen haben und darin eigentlich ganz zufrieden sind. Selbst die Dokumentarfilmerin Franziska, die an ihrem Film verzweifelt, liebt ja, was sie macht. Auch die beiden, die da ständig im Auto über Deutschland ablästern, mögen nicht sympathisch sein, sind aber eigentlich ein funktionierendes Ehepaar und haben Spaß zusammen. Und Fußpfleger Claude ist ein durchaus glücklicher Mensch. Aber sie leben alle in einer Art Kokon. Und wenn der zerbricht, kommt manchmal ein Schmetterling heraus, aber manchmal auch ein Monster.

Der Polizist hat seine Nische in seiner Vorliebe für flauschige Tierkostüme gefunden. Ware Sie schon einmal auf einer „Furry-Party“?
Vor dem Dreh noch nicht. Aber die deutsche „Furry“-Bewegung ist nach der in den USA die weltweit größte. Jedes Jahr gibt es in Magdeburg ein großes europäisches „Furry“-Treffen, bei dem tausende von Menschen zusammenkommen. Ich denke, dieses obsessive Hobby ist in solchen Ländern besonders verbreitet, in denen körperliche Berührungen im Alltag eher verpönt sind.

Einen Erzählstrang des Films bildet die Klassenfahrt der Schüler eines Elite-Internates zu einer KZ-Gedenkstätte, wo sich die einige von ihnen schnöselig bis rüpelhaft verhalten und schließlich sogar eine Mitschülerin in einen ehemaligen Verbrennungsofen schubsen. Geht Deutschland noch immer nicht ohne Nationalsozialismus?  
Für mich jedenfalls nicht. Vielleicht hätte es nicht unbedingt das KZ sein müssen, aber mir war von Beginn an klar, dass ich das Thema im meinem Film haben wollte. Und hier geht es ja nicht nur um die deutsche Vergangenheit, sondern auch so etwas höchst Aktuelles wie Mobbing. Die kluge und darum wenig beliebte Schülerin, die im Ofen landet, wird ja während dieser Klassenfahrt als Mensch gebrochen und läuft schließlich zu ihren Feinden über. Natürlich wünscht man sich als Zuschauer immer, dass so eine positiv besetzte Figur allen Widerständen trotzt und am Ende als Siegerin vom Platz geht. Aber so läuft das im Leben nun mal nicht immer. 

 

Wir danken für das Gespräch.

Regisseurin Frauke Finsterwalder, Jahrgang 1975, hat als Regieassistentin an verschiedenen Theatern gearbeitet und zwei Dokumentarfilme gedreht. Sie lebt mit ihrem Lebensgefährten, dem Schriftsteller Christian Kracht, mit dem sie auch das Buch zu „Finsterworld“ verfasst hat, in Kenia und Florenz.

 

Mehr im Netz: www.finsterworld.de

 

Text: Reinhard Lüke

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