“Du bist undeutsch!”
Freitag, 22. November 2013 | Text: Aslı Güleryüz | Bild: Barbara Siewer
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
wurde Johann Wilhelm Trollmann in der NS-Zeit immer wieder mitgeteilt. Dabei fühlte der Sinto sich durchaus deutsch. Er hätte Deutschland auch gerne bei den olympischen Spielen im Boxring vertreten. Das wurde ihm verwehrt. Der Kölner Verein Rom e. V. hat im Kooperation mit dem Europäischen Roma-Theater TKO das Stück Rukeli auf die Beine gestellt. „Meine Südstadt“ besuchte die Proben.
Angefangen hatte alles mit der Initiate des Rom e. V., einem gemeinnützigen Verein für die Verständigung von Rom (Sinti und Rom) und Nicht-Rom in Köln. Der Verein wollte den Blick weg von Diskussionen über Armutszuwanderung und hin zum kulturellen Austausch lenken. Wir wollten positive Beispiele aufstellen und fanden Johann Wilhelm Trollmann, um den sich die Reihe Wir boxen uns durch! Vorbilder-Champions-Idole dreht, berichtet Iris Pinkepank von Rom e.V..
Wer kennt Johann Wilhelm Trollmann? Er kam 1907 in Wilsche, eine Stunde von Hannover entfernt, auf die Welt. Er war Sinto und sein Romanes- Name lautete Rukeli. Anfang der 30er Jahre wurde er zum Star im Boxring. Er wurde zum Idol für die Jugend. Ein Frauenschwarm, der es schaffte, Damen aus der höheren Gesellschaft, an den Boxring zu locken. 1933 wurde er sogar Deutscher Meister im Halbschwergewicht. Für drei Tage. Dann entzogen die Nazis ihm den Titel und ermordeten ihn schließlich 1944 im KZ. In diesem Jahr jährte sich seine Meisterschaft zum 80. Mal. Im Jahre 2003 70 Jahre nach seinem erfolgreichen Kampf um den Meistertitel überreichte der Bund Deutscher Berufsboxer Rukelis noch lebenden Verwandten seinen Meistergürtel symbolisch. Der Rom e. V. setzte sich dafür ein, dass dieser Gürtel im Deutschen Sport & Olympia Museum in der ständigen Ausstellung einen Platz neben Max Schmeling finden konnte. Der Verein entwickelte die Reihe Einer boxt sich durch und organisierte Lesungen, Filmvorführungen, eine Tagung und ein Jugendfußball-Turnier zu diesem Anlass. Die letzte Veranstaltung dieser Reihe ist das Theaterstück Rukeli.
Sie krümmen sich, wuscheln sich durch die Haare, wie einst Hans und Rukeli auf den Ring.
Das Bühnenbild im großen Saal des Kunsthaus Rhenania besteht lediglich aus zwei Stühlen. Zwei Männer stehen auf der Bühne. Sie krümmen sich, wuscheln sich durch die Haare, schmeißen sich auf den Boden, ringen mit sich, krümmen sich erneut wie unter Schmerzen. Der Schmerz der Erinnerung. Ich wollte wissen, ob es möglich wäre, vergessen zu lernen, sagen Rukeli und sein Freund Hans.
Iris Pinkepank und Theater Regisseurin Nada Kokotovi?.
Die kroatische Regisseurin Nada Kokotovi? hat das Stück inszeniert: Dem Stück liegen verschiedene Texte zugrunde. Zigeuner-Boxer von Rike Reiniger ist ein Ein-Mann-Stück. Wir haben eine zweite Figur hinzugefügt. Für uns war klar, dass es ohne nicht geht. Wir haben das Buch Leg dich Zigeuner von Roger Repplinger und viele andere Texte einfließen lassen. Außderdem gibt es Improvisationen auf Deutsch und Romanes. Das Stück wird zweisprachig aufgeführt. Wir machen dokumentarisches Theater.
Auf der Bühne lesen Arno Kempf (Hans) und Nedjo Osman (Rukeli) abwechselnd Texte vor. Das Tempo wechselt. Mal schnell, dann langsam, mal gleichzeitig, mal nacheinander. Zum Schluss steht der Satz Ich wollte wissen, ob es möglich wäre, vergessen zu lernen im Raum. Ist es? Ein intensives Spiel folgt. Das innige Verhältnis zwischen Rukeli und Hans wird auf der Bühne gelebt. Hans, der immer im Schatten von Rukeli steht, ihn bewundert und auch ein bisschen ausnutzt. Nedjo Osman, der als Rukeli glüht, ihn lebendig macht. Seine Augen funkeln, seine Stimme ist eindringlich und kommt aus dem tiefsten Inneren als er Rukelis Erfolg erklärt: Im Ring brauchst du Schläge, die von Herzen kommen. Wut hilft nicht. Nein. Und Rukeli entwickelt einen ganz neuen Boxstil. Hans kennt den Stil: Alle wussten, dass es wichtig war, zu schlagen. Aber Ruki wusste auch, dass es wichtig war, den Schlägen auszuweichen. Deswegen gewann er.
Die Nazis sind überhaupt nicht begeistert von diesem ausweichenden Boxstil. Sie deklarieren Rukelis Stil als tänzelnden Stil, als undeutsch. Ein Deutscher weicht nicht aus. Später werden die erfolgreichsten us-amerikanischen Boxer ebenso boxen. Rukeli boxt sich durch etliche Ringe. Gewinnt immer. Auch die Deutsche Meisterschaft im Halbschwergewicht. Der Zigeuner-Boxer hat undeutsch gekämpft titeln die Zeitungen. Rukeli will bei seinem nächsten Kampf, seinen Protest zum Ausdruck bringen: Er erscheint in einer SA-Uniform, mit wasserstoffblond gefärbten Haaren und mehlgeweißter Haut. Dies sollte sein letzter Kampf sein. Zunächst wird Rukeli zur Wehrmacht geschickt, dann ins KZ, wo er getötet wird.
Arno Kempf und Nedjo Osman (Foto) kämpfen sich auf der Bühne förmlich durch das Stück. Mal leichtfüßig, mal dramatisch entfaltet sich das Schicksal Rukelis. Sie thematisieren Freundschaft, Gerechtigkeit, Rassismus. Nada erinnert sich an die ersten Proben: Am Anfang haben beide bei der Schlussszene geweint. Der Grund für diese ausdrucksstarke Darstellung ist für den Schauspieler, Journalisten und Sozialarbeiter Nedjo Osman ganz klar: Theater ist Therapie. Ich bin auch ein Patient. Ich bin selber Roma und bearbeite meine eigenen Erfahrungen. Die Problematik meiner Vergangenheit, alles, was ich mache, ist Kunst. Die Roma fühlen, dassalles für sie unmöglich ist, nur weil sie Roma sind. Nichts ist unmöglich. Alles ist möglich. Das wollten wir zeigen.
Uraufführung und Premiere Rukeli
Montag, 25.11.2013 um 20 Uhr
Kunsthaus Rhenania, Bayenstr. 28, 50678 Köln
Eintritt: für Sinti und Roma frei, 17 Euro und 10 Euro
Kartentelefon: 2406172
und info@tko-theater.de
Weitere Vorstellungen
26.11.2013
2., 3. Und 4.12.2013
Parallel zur Theateraufführung findet ein Theater-Workshop für jugendliche Sinti und Roma und Nicht-Sinti und Nicht-Roma statt, das Nedjo Osman leitet. Dieses wird über die Aufführungstermine hinaus fortgesetzt.
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