“Wie sieht eigentlich ein Deutscher aus?”
Sonntag, 12. Januar 2014 | Text: Aslı Güleryüz | Bild: Meyer Originals
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Das Kinder- und Jugendtheaterstück Taksi to Istanbul feierte am Samstag seine Uraufführung im Comedia Theater. Sein Inhalt ist das Ergebnis aus einer drei-monatigen Recherche in Köln: Ein präparierter PKW fuhr als türkisches Taxi durch die Kölner Viertel und das Schauspiel- und Theaterpädaogen-Team der Comedia führte Interviews mit Kindern und Jugendlichender Stadt. Herausgekommen ist ein rasantes Road-Theaterstück, das viele aktuelle Themen anspricht, zum Nachdenken anregt und dem Zuschauer auch viel Spaß bereitet.
Deutschland ist ein Einwanderungsland. Oder? Ja, und das schon seit den 60er Jahren also 1960er Jahren. Wenn man sich diese Aussage einmal bewusst macht und aktzeptiert, dann ist auch klar warum es dieses Stück im Comedia Theater gibt und worum es eigentlich geht. Und dann versteht man auch den Titel dieses Artikels. Denn wie sieht der Deutsche im Jahre 2014 aus? Hat der nur noch blonde Haare und blaue Augen? Wer sind die Deuschen heute? Oder wie sieht der Deutsche aus nach kanpp 50 Jahren kultureller Mischung?
Die türkischen Jugendlichen Sibel, Harun und Faris möchten nach Istanbul reisen in ihre Heimat. Oder, wessen Heimat ist das eigentlich? Für den Einen hat es keine emotinale Bedeutung, sondern ist einfach ein Urlaubsland. Für den Nächsten ist es die eigene Heimat und für den Dritten ist es die Heimat der Großeltern, aber auch ein bisschen die eigene Heimat. Mit dem Auto wollen die drei losfahren. Und schon beginnt die fiktive Reise. Das Auto steht im Mittelpunkt auf der Bühne und ist fast einziges Requsit. Wandlungsfähig stellt es in jeder Szene etwas anderes dar mal Haus, mal Bus, mal Ladenlokal.
Die drei sind aufgeregt und überlegen, was sie wohl in der Metropole Istanbul erwarten wird. Was für Gefühle weckt die Vorstellung der Stadt Istanbul in ihnen? Und was würden sie auf ihrer langen Reise fort von Deutschland vermissen? Was verbinden sie mit Deutschland? Was schätzen sie hier? Natürlich den Kölner Karneval! Die musikalische Einlage des Karneval-Evergreens Drink doch ene mit mit türkischen Beats und dazu einem türkischen Reigentanz ist sehr beeindruckend und zeigt, wie sich die Kulturen schon längst miteinander vermengt haben.
Ein roter Faden wird gesponnen und auf der fikitven Reise werden die heißen Themen rund um die Einwanderungsthematik angesprochen. Auf ihrer gedanklichen Reise kommen die drei durch Bayern, ein Zollbeamter hält sie an und fragt sie, wer sie sind, woher sie kommen, wohin sie wollen und warum sie dorthin wollen. In dieser amüsanten Szene werden Identitätsfragen aufgeworfen und Klischees aufgedeckt. Schließlich kommen sie in Istanbul an. Harun stellt sich vor, er würde dort der Sultan sein und zeichnet das Bild einer Gesellschaft, wie er sie gerne hätte und als mächtiger Sultan durchsetzen würde.
Mehr wird hier nicht verraten. Die jungen Schauspieler Faris Metehan Yüzba??o?lu, Harun Çiftçi (beide beeindrucken in ihrer ersten professionellen Produktion) und Sibel Polat ergänzen sich hervorragend, sie spielen rasant, mit viel Begeisterung und Energie, Humor und Wandlungsfähigkeit. In Sekundenschnelle schlüpfen sie in die unterschiedlichsten Rollen und überzeugen in scheinbarer Improvisation. Feinfühlig sprechen sie auf vielen Ebenen die vielen Aspekte des Themas Mulit-Kulti an. Das Publikum geht auf das Spiel ein, honoriert es mit vielen Lachern und viel Applaus. Grandios: Faris als Autoradio oder Navi! Die Kleinen im Publikum sind an einigen Stellen von dem Tempo und den vielen aneinandergereihten Themenaufschlägen überfordert. Das zeigen auch ihre an manchen Stellen unangemessenen Reaktionen auf das Geschehen auf der Bühne. Die phasenweise in das Stück integrierten Originalaussagen von Kölner Kindern aus der Recherche zu diesem Theaterstück, verstehen sie nur schwer. Das mindert allerdings nicht den Spaß, den die jungen Zuschauer bei dem Stück haben. Und einige der Fragen, die das Stück auf humorvolle Weise aufwirft, nehmen sie trotzdem mit.
Nach der Premiere verrät Regisseur Manuel Moser über die Produktion: Bis vor zwei Tagen sah das Stück noch komplett anders aus! Da haben wir noch viele der Originalinterviews als Projektion in das Stück mit einbezogen. Das Material hatten wir in vielen Stunden gesichtet. Dann haben wir uns lange darüber unterhalten und überlegt, welchen Weg wir gehen wollen. Wir haben auch eine Experten-Gruppe in den Entstehungsprozess des Stückes miteinbezogen. Das sind Jugendliche, die regelmäßig zu Workshops ins Theater kamen und mit uns gearbeitet haben. Im Sommer sollen sie jetzt ihr eigenes Stück auf die Bühne bringen. In der Produktion zu Taksi to Istanbul haben wir alle im Team sehr viel gelernt. Man denkt, man weiß schon viel, aber dann öffnen sich neue Aspekte. Das Thema ist sehr vielschichtig. Ab März werden wir mit dem Stück auf Tournee durch die Kölner Stadtteile und Bürgerhäuser und Jugendzentren gehen.
Weitere Termine für „Taksi to Istanbul„ im Comedia Theater
14. Januar 2014, 10:30 Uhr
15. Januar 2014, 10:30 Uhr
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