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Südstadt

Unaufdringliches Gedenken

Montag, 19. Mai 2014 | Text: Jörg-Christian Schillmöller | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 2 Minuten

17. Mai 1933. Mitten in der Südstadt, vor dem Haupteingang der Universität (heute FH) werden die Bücher von weltberühmten Autoren verbrannt: Franz Kafka, Egon Erwin Kisch, Bertha von Suttner, Arthur Schnitzler, Rosa Luxemburg… ihre Werke fallen den Flammen zum Opfer.
?“Die Urheber der Bücherverbrennung waren die Studentenschaft und die Professoren. Die Nazis haben sich da eingeklinkt“, sagt Walter Vitt. Er ist Südstädter und Journalist, und er hat das Mahnmal vor der FH initiiert.

Es ist der 17. Mai 2014, die Mittagssonne strahlt, und eine kleine Gruppe von Menschen steht vor dem Haupteingang in der Claudiusstraße. Die Kunstaktion srmeo hat den 81. Jahrestag der Bücherverbrennung zum Anlass genommen, auf das Mahnmal hinzuweisen und den ganzen Tag über mit den Südstädtern ins Gespräch zu kommen.

Das Mahnmal für die Bücherverbrennung ist nicht leicht zu finden. Es will entdeckt werden, kann leicht übersehen und im Wortsinne übergangen werden. Denn es ist in den Boden graviert, genauer gesagt: in die wuchtigen Basalt-Platten vor dem Hauptportal. Dort sind sie zu lesen, die Namen der verfemten Autoren, schon 75 sind es, insgesamt 100 sollen es einmal werden.

„Meine Südstadt“ fragt an diesem 17. Mai ungefähr 20 Studentinnen und Studenten, die vor der FH direkt auf dem Mahnmal stehen und auf ihre Vorlesung warten. Niemand von ihnen weiß, worauf er oder sie gerade seine Füße setzt, niemand hat von dem Mahnmal auch nur gehört, obwohl ein Schild an der Wand neben dem Haupteingang darauf hinweist.

Walter Vitt findet das nicht besonders tragisch. Für ihn ist das Geheimnisvolle durchaus ein prägender Zug dieses Mahnmals: „Es ist für diejenigen, die sehen können. Und für die Raucher“. Vitt lächelt. „Die drücken ihre Zigarette zum Beispiel auf dem U von Tucholsky aus und fragen sich: Was ist denn das da für ein Namenszug?“

Das Mahnmal ist ein work in progress, eine Kooperation mit den Steinmetz-Lehrlingen der Berufsschule an der Ulrepforte. Alle zwei Jahre dürfen die Studenten zehn neue Namen in die Basaltsteine vor der FH eingravieren, dafür lernen sie in 14 Tagen in der Dombauhütte Königslutter in Niedersachsen das „Schriftschlagen“. Und sie müssen sich nicht nur handwerklich, sondern auch konzeptuell mit den Autoren befassen, zum Beispiel mit einem Plakatentwurf oder einer Jahresarbeit.

Gedenken 2014 in der Südstadt: Bis zum Abend bleiben die Künstler von srmeo, allen voran Thomas Behrendt, im Dialog mit dem Viertel. Nach dem Vortrag von Walter Vitt vor der FH ziehen alle zum Eierplätzchen. Dort stellen sie Pappkisten mit den Werken der gebrandmarkten Autoren auf und sprechen mit Passanten. Die Verbindung durch den Römerpark bis hin zur FH stellen sie mit den rostfarbenen Pinguin-Figuren aus Metall her (diese Figuren tauchen seit Jahren immer mal wieder bei Kunstaktionen auf dem Eierplätzchen auf).

Die Gespräche an diesem Tag passieren zufällig, und wir haben Glück, dass wir zum Beispiel Franz und Walter treffen. Beide haben die Nazizeit am eigenen Leib miterlebt. „Wir sind die ältesten Zwillinge Kölns“, sagen sie. Franz und Walter sind 88 Jahre alt und erzählen mit einigem Humor von damals, als ihre Eltern eine Glaserei in der Agrippastraße besaßen. Der Name ist Tradition: Die Glaserei hieß damals schon „Krech’s Spiegelhaus“, und nach dem Krieg eröffnete die Familie die Firma in der Rolandstraße neu.

Franz und Walter berichten von Schießereien in der Elsaß- und der Merowingerstraße, denn dort hätten in der Nazizeit die Kommunisten gewohnt, und da gab es offenbar einigen Ärger mit der SA. Franz berichtet auch, dass die Brüder für die Hitler-Jugend „zwangsrekrutiert“ worden seien.

Ja, ergänzt Walter, aber bei der Vereidigung, da haben wir uns gedrückt. Das war eine kritische Situation, dass wir in der HJ nicht mitmachen wollten sagt Franz. Sie mussten am Ende dann doch, zumindest ab und zu, aber ihre Mutter schrieb ihnen regelmäßig Entschuldigungen und begründete das mit der Arbeit in der Glaserei.

So sind die Gespräche an diesem Jahrestag der Bücherverbrennung: Es ist schön, dass hier in der Südstadt auf unaufdringliche Weise die Erinnerung an die Geschehnisse von jenem 17. Mai 1933 wachgehalten wird. Übrigens fand die zerstörerische Aktion in Köln eine Woche später als im Rest von Nazi-Deutschland statt. Denn in Köln hatte es am 10. Mai 1933 geregnet.

 

Text: Jörg-Christian Schillmöller

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