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Gesellschaft Politik

Ein riesengroßes NEIN

Montag, 5. Januar 2015 | Text: Jörg-Christian Schillmöller | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Deutz ist schon um kurz nach 17 Uhr dicht. Und Köln ist auf den Beinen. Tausende Menschen, versammelt rund um den kleinen LKW mit der Bühne, der da irgendwo zwischen LVR-Hochhaus und Deutzer Bahnhof stand. Ein fröhliches, ein engagiertes Gedränge, und alle sind hier mit dem gleichen Ziel: Sie sagen Nein. Mit großem N. Nein zu Ausgrenzung, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit.

Weit hinauf bis zur Hohenzollernbrücke stehen sie, dicht nebeneinander, später auch in Richtung Deutzer Brücke. Die Fußgängerbrücke an der Mindener Straße (dem Zubringer zur Brücke): auch sie ist proppenvoll mit bunten Menschen. Irgendwann geben die Veranstalter sogar die Zahl 20.000 heraus. Ich frage zweimal nach: Sie bleiben dabei.

 

Aber die Zahl ist egal: Es sind wohl weniger, aber dass es einige Tausend sind, die hier die Straßen säumen und den Platz füllen, das kann nun wirklich jeder sehen. Und vor dem Deutzer Bahnhof, abgeschirmt von der Polizei, stehen die Pegida-Demonstranten. Es sollen weniger als 350 sein. Das Größenverhältnis spricht für sich.

Auf der Bühne steht immer wieder Jörg Detjen, einer der Organisatoren. Ganz zu Anfang nennt er das Ziel dieser Demo klar beim Namen: „Wir wollen erreichen, dass Pegida heute nicht läuft“. Applaus aus der Menge. „Wir brauchen Platz“, ruft er. „Und wir brauchen die Unterstützung der Polizei“. Wieder Applaus.

Hinter der Bühne laufen Verhandlungen mit der Polizei: Die Veranstalter wünschen sich, dass die Opladener Straße freigegeben wird – das ist die Straße direkt vor dem Deutzer Bahnhof. Wenn das gelänge, wo sollte Pegida dann noch laufen? Der Weg zur Deutzer Brücke wäre dann versperrt. Aber man mag sich eh kaum ausmalen, was passieren würde, wenn die Pegida-Anhänger unter der vollbesetzten Fußgängerbrücke durch müssten.

Nach Jörg Detjens Worten sind es insgesamt 57 Organisationen, die hinter der Gegenveranstaltung stehen. Die Liste ist lang – und in der Menge wehen Fahnen. Die Regenbogenfahne ist zu sehen, und viele Fahnen der Parteien: SPD, Grüne, Piraten. Und auf den Transparenten sind eine Fülle von bekannten und erfundenen Slogans zu lesen. „Nazis raus“ – klar. „Gib Stupida keine Chance“ – auch nicht schlecht. Sogar „FRIGIDA“ steht auf einem der Spruchbänder. Etwas differenzierter klingt das so: „Keine Kultur kann leben, wenn sie versucht, ausschließend zu sein“. Kein Einspruch.

 

Vor der Bühne komme ich mit Stefan, Vera und Manuel ins Gespräch. Sie sind alle um die 30 und haben einiges zu sagen. Vera zum Beispiel: „Was glauben denn die von Pegida, dass sie sagen können, wer hier in Deutschland richtig und wer falsch ist? Gleiche Rechte für alle, deswegen bin ich hier.“ Stefan schließt sich an: „Ich zitiere gern den Alten Fritz (er meint Friedrich II.): Jeder soll nach seiner Fasson leben.“ Manuel sieht das genauso. „Mir geht es um die Werte, die in Deutschland wichtig sein sollen. Um Toleranz, um Religionsfreiheit, um Gleichberechtigung“.

Alle drei machen sich viele Gedanken darüber, warum die Pegida-Bewegung überhaupt Anhänger hat. „Warum machen da normale Bürger mit?“, fragt sich Stefan. Manuel findet, dass es bei all jenen, die dort mitgehen, vor allem um unreflektierte Ängste geht. Auch Vera ist ein bisschen ratlos, aber sie lobt ihre Heimat Kevelaer. „Eigentlich ein konservativer Wallfahrtsort. Aber jetzt haben sich die Bürger versammelt, um zu überlegen, wie sie mit den Flüchtlingen umgehen. Es kamen sicher 100 Leute. Und sie haben sich abgesprochen: Wer kann was? Wer kann welche Sprache? Das hat mir gut gefallen.“

Ulla und Dieter sind eine Generation älter, aber aus der gleichen Überzeugung hier. Sie sind aus Lohmar angereist, nach Dieters Worten mit dem Ziel, „die Kopfzahl der Gegendemonstranten zu erhöhen“. Denn, sagen beide: Wir müssen möglichst viele sein und signalisieren, dass wir eine vielfältige Kultur befürworten.“ Ulla hat einen anderen Gedanken im Kopf: „Also, überrascht von der Flüchtlingsfrage kann in Deutschland doch eigentlich keiner sein. Wir hatten das doch alles in den frühen Neunzigern schonmal. Vielleicht hätte man damals schon beginnen sollen, sich vorzubereiten.“ Dieter gibt zu bedenken, dass niemand habe vorhersehen können, dass durch die Folgen des Wandels in der Arabischen Welt und insbesondere wegen des Krieges in Syrien so viele Flüchtlinge sich auf nach Europa machen würden. Dieter räumt ein, dass er sich deswegen auch viele Gedanken macht. Aber, sagt er, „das ist immer noch kein Grund, bei denen da drüben mitzugehen.“

Es wird nicht wärmer draußen. Im Gegenteil. So langsam kriecht die Kälte in die Glieder. Die Zeit schreitet voran. Und alle hier stellen sich die gleiche Frage: Wird Pegida laufen? In der ersten Reihe, direkt an der Absperrung, treffe ich meine Freundin Ela. Von dort aus sieht man, ganz in der Ferne und nicht sehr groß die Deutschlandfahnen der Pegida-Anhänger. Dazwischen eine leere Straße und viele Polizeiautos.

 

Am Ende knickt Pegida ein. Die Organisatoren verzichten auf ihren Demonstrationszug über die Deutzer Brücke in die Hohe Straße hinein – sie bleiben stattdessen am Deutzer Bahnhof. Und irgendwann gehen sie. Die Menge der Gegendemonstranten ist bester Laune: Ziel erreicht.

Bleibt der Dom. Auf dem Heimweg sehe ich ihn vom Rad, ausgeknipst, groß und dunkel. Dompropst Norbert Feldhoff konnte sich vor Interviews nicht retten, seit er entschieden hatte, die Außenbeleuchtung der Kathedrale für die Dauer der Pegida-Demo auszuschalten. Im Deutschlandfunk sagte er heute: „Dass wir vor einer solchen Demonstration nachts die Beleuchtung ausschalten, halten wir für richtig, um nicht den Eindruck zu erwecken, wir würden das unterstützen.“

 

Pfarrer Hans Mörtter würde das sofort unterschreiben. Das Urgestein der Kölner Südstadt ist natürlich auch dabei, auf dieser bunten, lebendigen, kraftvollen Kundgebung für Vielfalt und Toleranz. Und er sagt einen Satz zu Pegida, der auch auf ein Transparent gepasst hätte: „Wir lassen sie im Dunkeln stehen, aus dem sie kommen.“

Text: Jörg-Christian Schillmöller

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