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Kultur

Wo wir herkommen

Samstag, 8. August 2015 | Text: Jörg-Christian Schillmöller | Bild: David Henselder

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Auf den Gleisen liegt ein Mann und schaut unter dem Güterwaggon hindurch. Mehr ist nicht zu sehen auf dem Foto, aber jeder der vier Künstler kennt diesen Moment: Kontrollieren, ob jemand da ist, ob jemand kommt. Alle vier haben eine Biographie als Grafitti-Maler, hier in Köln, und jetzt stellen sie aus, am Rande der Südstadt, in der Halle von „Stadtwaldholz“. Es ist eine saugute Ausstellung, das gleich vorweg. Noch bis heute Abend (09.08.2015) zu sehen.

 

 

Bässe und Bio-Bratwurst, Bier und Bierbänke. Es ist abends, der Himmel ist bedeckt, es ist nicht so heiß draußen, auf abgesägten Baumstämmen sitzen junge Leute. Drinnen in der Halle sind vor Jahren schon dutzende Kisten für den NeuLand-Garten geschraubt worden, auch die „Pornofeigen“ haben schon hier gefeiert. Und jetzt Kunst.

 

Die Schwarz-Weiß-Fotos sind von David Henselder. Mit ihm spreche ich als erstes. Er ist 26 und arbeitet als Sozialpädagoge im Kindergarten. Und er fotografiert die Ur-Situationen des Grafitti-Sprühens. Das Warten hinter einem Busch oder Baum. Der endlose Weg durch Depots, über Gleise und zwischen Güterzügen. Leitern schleppen, schwitzen. Die Geste des Sprühens.

 

„Das machen alle, das kennen alle“

 

David studiert an der Fotoakademie im Mediapark. „Ich wollte, dass es mal vernünftige Fotos vom Grafitti-Sprühen gibt. Da geht ja sonst nie jemand mit, der nur Fotos macht.“ Das Bild von dem Mann, der auf den Gleisen liegt: „So siehst Du es, das machen alle, das kennen alle“, sagt er. Die Fotografie ist sein neues Medium geworden, gesprüht hat er selbst auch.

 

Und Porträts macht er. Von den Kindern im Kindergarten. Makro-Aufnahmen, Alltagsgesten, ein Kind mit einer ausgeschnittenen Maske, „bloß keine bunte Porträtserie, möglichst authentisch“, sagt er. Die Kinderfotos hat er auf Dibond gedruckt, das ist ein weißes Aluminium. Die Sprayer-Fotos sind auf drei Millimeter Forex, das ist ein Kunststoff. Makros mache ich, sagt er und lacht, weil die Dozenten an der Akademie meinten: Du sollst die subtile Fotografie zelebrieren. Tut er.

 

 

Gegenüber an der Wand hängen sehr bunte Bilder. Grelle Farben, surreale Szenen, es könnten Traumsequenzen sein. Die Bilder sind von Alex Maikowski. Er ist 48 und mit Abstand der älteste der vier Künstler. Alex ist bekennender Rheinschwimmer, lebt in Sürth und sagt von sich selbst, dass Kunst für ihn ein Mittelding aus Mystik, Sprache und Ausdruck sei. 

 

Er hat Grafittis in den frühen Achtzigern gemacht, da war er um die 15 Jahre alt. Das Erbe ist spürbar. Wir stehen vor einem Bild, auf dem drei Affen in Menschengestalt zu sehen sind. „Erst war der Hintergrund da“, sagt er. Der Hintergrund ist ein Theater in New York, es heißt „The State“. Und in dem Theater läuft das Stück „Catedral d’el afé“.

 

Der Karabinerhaken klackert

 

Das klingt komisch, ist via Google nicht zu belegen, war aber für ihn die Assoziation zu: Staat und Affe. Nachäffen, Affinitäten, wir sind mitten drin in den Wortspielen. Sprache ist Alex wichtig. Vieles holt er sich aus dem Hebräischen: Adam bedeutet nicht nur Mensch, es bedeutet auch „Rot“ – weswegen Alex alles Geistige in Rottönen malt, und alles Materielle eher in Blau.

 

„Die leichteren Bilder sind mein Amusement über bestimmte Schichten der Gesellschaft.“ Es gibt auch die schweren, düsteren. Alex lebt von seiner Kunst, und räumt ein: Ja, es sind manchmal tatsächlich die Affen, die meine Bilder kaufen. Es sind kraftvolle Bilder, in denen jeder viel für sich entdecken kann. Alex spricht von seinem T-Raum und meint natürlich den Traum. Während wir reden, spielt er in der Hand mit einem kleinen schwarzen Karabinerhaken. Es klackert.

 

 

Gruppenfoto. Alex (rechts) und David (2.v.r.) kommen, außerdem Benni Bayram (links) und Biatsch One. Alle vier Künstler beisammen. Vier Kumpel, Buddys, die Verbundenheit ist zu spüren. Biatsch One hält sich ein Bild vors Gesicht, das ist eine Pose, und das räumt er auch ein. Seit 15 Jahren ist er tief in der Grafitti-Szene verwurzelt. „Wer ‚into it’ ist, der kennt mich“, sagt er. Auf seiner Visitenkarte stehen sein Klarname und die Worte „Grafitti-Aufträge und Fassadengestaltung“. Die Ausstellung hier, das ist für ihn Werbung für sein Handwerk.

 

Vor uns hängt eine Serie, es sind die „characters“ von Biatsch One. Er hat sie selbst entwickelt, zuhause auf der Couch. Die Serie heißt „Zombie Mode“, und die fingerähnlichen Wesen druckt er auch als Sticker, die er im öffentlichen Raum anklebt, „aber“, stellt er klar: „nicht an Privathäuser“. Street Art in Köln. Biatsch One spielt bewusst mit der Anonymiät. „Du schaust aus der Bahn, Du siehst diese Grafitti. Und Du weißt nicht, wer sie gemacht hat. Ich habe schon einen kleinen Dötz gesehen, der ein aggressives Bild gesprüht hat. Und einen Rocker, der eine Sonne malt.“ You never know.

 

 

Und dann malt Benni noch sein E. Benni Bayram hat die ganze Ausstellung organisiert. Er hat schon bei Tante Skäte am Ubierring ausgestellt, er ist 26 und hat mit 12 angefangen, Grafitti zu malen. Zu malen, sagt er. Nicht sprühen. Während er sein E zeichnet, dreht er meinen Notizblock hin und her, es ist ein kunstvolles E, eines mit Winkeln und Bögen. Eines, das man nicht unbedingt erkennt, wenn man nicht weiß, dass es eins ist.

 

Benni ist inzwischen weg vom Grafitti malen. Er arbeitet heute in drei Techniken: In seiner 3-D-Mixtechnik flext er Spraydosen ab und befestigt sie auf Leinwänden. Er klebt die kleinen Sprühköpfe dazu, malt alles bunt an. Verkauft sich gut. Technik zwei: Bleistifte, gezeichnet. Benni bringt in seine Bilder das ganze Repertoire an Werkzeugen ein. So ein Bleistift, sagt er, das sind drei Striche und eine Mine.

 

Darth Vader für 350 Euro

 

Er zeichnet sehr viele Bleistifte auf einmal, sie bewegen sich in Wellenforn über seine Bilder. Technik drei: Ölbilder. Krieg der Sterne. Den Darth Vader mit dem roten Lichtschwert da hinten hat er schon verkauft. 300 Euro. Das Skelett links daneben, 350. Und natürlich der grüne Yoda, mit dem Spachtel gemalt, er mag es, wenn er die Farbe auf der Leinwand verteilt: Das ist nicht so glatt, wie die flüchtige Sprühkunst. Und es trocknet langsamer. Zwischendurch begrüßt Benni seine Freunde, Umarmung, Handcheck, schön, dich zu sehen.

 

Vier Künstler, eine Ausstellung. Ein Sommerabend in Köln. Sie alle kommen aus der Grafitti-Szene, sie alle verarbeiten ihr Leben draußen in der Stadt – in ihren Fotos, Gemälden, Stickern, 3-D-Bildern. Ich habe vergessen, wer diesen Satz gesagt hat, aber er stimmt: „Das ist das, wo wir herkommen.“

 

 

StadtWaldHolz
Koblenzer Straße 15, 50968 Köln
Tel. 0221/ 546 22 18

Text: Jörg-Christian Schillmöller

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