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Kultur

Die Welt ist ein Park

Sonntag, 23. August 2015 | Text: Jörg-Christian Schillmöller | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 2 Minuten

Mitten im Sommer, mitten im Volksgarten. Ein schwules Pärchen lässt sich am Biergarten fotografieren, beide strahlen. Ein Jungmädchenabschied sitzt ein paar Meter weiter mit Papierkrönchen auf dem Kopf auf der Wiese am Wasser. Ein Wikingerschachspiel ist fertig aufgestellt, bald kommt der Kindergeburtstag. Und auf zwei Bänken sitzen fünf Menschen mit Block, Stift und Pinsel. Sie zeichnen den Park. Sie treffen sich bewusst, einmal im Monat. Das, was sie tun, nennt sich „urban sketching“. Sie machen Skizzen vom urbanen Raum.

 

Den Kölner Illustrator Thorwald Spangenberg kenne ich schon ein paar Jahre. Er ist heute der einzige Mann. Die Frauen heißen Iryna, Jessica, Annette und Anne. Alle fünf zeichnen und malen komplett verschiedene Stile und haben ganz verschiedene Lebensläufe. Aber sie teilen eine Herzensangelegenheit: den Drang zum Bild.

 

Annette ist Taxifahrerin in Hamm. Sie ist heute kurz vor knapp in Köln angekommen und erzählt davon, als sie neulich in Bochum gezeichnet hat, im chinesischen Garten der Ruhruniversität. Guter Ort, schöne Formen, Pagoden eben, alles dankbare Motive. Thorwald erinnert sich noch an den Post. Es war eine viereckige Wand in dem Garten mit einem kreisrunden Loch in der Mitte. „Sah aus wie eine Waschmaschine“, meint Thorwald. Beide lachen.

 

Thorwald, Jessica und Annette besprechen Motive und Farben.

 

Irynas Bleistift ist kaum zu hören

 

Es gibt nicht viel Spektakuläres zu sehen im Volksgarten. Menschen, Wiese, Bäume, Himmel. Irynas Bleistift hört man kaum. Auf ihrem Block schraffiert sie einen Baum. Den Bleistifft hält sie zwischen Daumen, Zeige- und Mittelfinger, aber nicht vorn an der Spitze, sondern viel weiter hinten, so dass fünf, sechs Zentimeter Stift zwischen Hand und Papier liegen. Trotzdem sitzen ihre Striche. „Ich mache hier keine ‚fertigen‘ Bilder“, sagt sie. Alles improvisiert, flüchtig, ein kurzer Eindruck, eine Erinnerung.

 

Iryna ist aus der Ukraine, lebt in Euskirchen und ist Freiberuflerin. Eigentlich hat sie auch ein Faible für Mathe. Sie hat einen Bachelor in Computer Science und einen Master in System Analysis. Aber noch lieber zeichnet sie. Auch wenn das finanziell unsicherer ist.

 

Iryna arbeitet für Firmen, die Videospiele entwerfen. Sie mag die parallelen Welten, zum Beispiel die von „D&D“, „Dungeons & Dragons“. Manchmal bekommt sie auch Aufträge von den Spielern selbst: Jemand braucht einen Bogenschützen zum Beispiel – Iryna entwirft einen. Exklusiv.

 

„Ist ja auch kein Meisterwerk“

 

Neben ihr sitzt Jessica. Sie mag Libellen. Schwer mit dem Auge zu verfolgen, aber bunt. Jessica ist Content Managerin in einer Online-Redaktion. Sie kommt aus Erftstadt und ist zum ersten Mal bei den urban sketchern. Sie sucht den Austausch, will reinschnuppern. Gerade zeichnet sie ein Pärchen, das 20 Meter weiter auf der Wiese sitzt. Wenn beide sie fragen würden, dann würde sie ihnen die Zeichnung zeigen. Aber hingehen und sagen: „Schaut mal, ich habe euch gemalt“? Nein, das nicht. „Ist ja auch kein Meisterwerk“, sagt sie. Hier geht es nicht um Leistung, hier geht es um Freude.

 

Thorwald und Annette blättern weiter links in ihren Skizzenbüchern. Köln, 18. April, da haben sie sich im „Ecco“ am Chlodwigplatz getroffen. Es dauert immer erst ein bisschen, bis alle da sind, also haben sie drinnen angefangen zu zeichnen. Danach sind sie an den Rhein gegangen, Rheinauhafen, es muss saukalt und zugig gewesen sein. Annette zeichnet die anderen und einen Blick auf die Südbrücke. Thorwald zeichnet den Kran am Kap. Ziemlich akkurat, fein koloriert, urbane Motive kann er gut. „Ich arbeite sehr langsam“, sagt er.

 

Thorwald lässt sich immer viel Zeit.

 

Gezeichnete Tagebücher

 

Sommer in Köln, Sommer im Volksgarten. Wir haben lange genug gestört und Fragen gestellt. Da sitzen die fünf Zeichner, Illustratoren, Hobbymaler, urban sketcher und reden miteinander, diskutieren über Aquarellfarben (transparent) und Gouachefarben (deckend). Manchmal schweigen sie auch nur, schauen auf den Park und holen ihn auf ihren Block,m in ihr Skizzenbuch. Ich darf hier und da hineinschauen in so ein Büchlein und bin begeistert, wie viele Figuren, Silhouetten, Farben, Dinge, Welten da drin stecken. „Es ist ein bisschen ein gezeichnetes Tagebuch“, sagt Annette. Ich weiß sofort, was sie meint.

 

 

Mehr im Netz

Wenn ihr neugierig geworden seid – hier findet ihr die Gruppe:

www.facebook.com/groups/NRW.USk/

 

Und das ist ihr Hintergrund:

www.urbansketchers.org/

germany.urbansketchers.org/

 

 

 

Text: Jörg-Christian Schillmöller

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