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Kultur

Such die Schaukelstuhlfrau!

Dienstag, 1. September 2015 | Text: Alida Pisu | Bild: Meyer Originals

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Können Kinder schon mit ihrem Schicksal hadern? Ja, wenn sie so sind wie der achtjährige Marvin (Ali Marcel Yildiz). Er ist fest davon überzeugt, nicht Kind seiner Eltern (Jennifer Ewert und Harun Çiftçi) zu sein. Marvin singt und tanzt gerne, liebt Sport und Fremdsprachen, aber seine Eltern sind lethargische Couchpotatoes. Bestimmt haben sie ihn adoptiert und er ist nur ein Kuckuckskind, das sich nach seinen „richtigen“ Eltern sehnt. Also macht er sich auf die Suche nach ihnen, in der eigenen Innen- und in einer märchenhaft anmutenden Außenwelt. Zu wem gehöre ich, wie finde ich meine wahre Familie? So lautet das Thema des Kinderstückes „Kuckucksei“, das im Comedia Theater seine Uraufführung erlebte.

Nein, sie können einfach nicht seine Eltern sein, diese zwei komischen Typen in ihren Pyjamas, die mit merkwürdigen Verrenkungen über den Boden krabbeln oder apathisch auf der Couch sitzen, stumm, ohne eine Miene zu verziehen oder auch nur die kleinste Reaktion zu zeigen. Da kann Marvin tun, was er will, ob er ihnen erzählt, dass er eine Bombe gebaut hat, die unter der Couch liegt oder ob er Szenen aus der Schule schildert, in denen er sich Entschuldigungen für seine Eltern ausgedacht hat: „Klar schmiert mir meine Mutter Brote. Hunderte, wenn ich will. Mit allem drauf, was man sich nur vorstellen kann. Ich habe die Brote nur zu Hause vergessen. Also lässt du mich mal von deinem beißen, oder nicht?“ Seine Eltern antworten auf seine Erzählungen nur mit Schweigen, sehen ihn nicht einmal an dabei, wirken wie erstarrt und völlig unbeteiligt, obwohl er neben ihnen auf der Couch sitzt.

Kein Wunder, dass Marvin in eine Phantasiewelt flüchtet, in der er seinen Eltern sagen kann, was er sich nicht zu sagen traut: „Ich habe es rausgefunden. Ihr seid nicht meine Eltern!“ Das sagt er nicht nur einmal, das sagt er immer wieder. Und siehe da, in der Phantasie erwachen die Eltern zum Leben, zeigen die unterschiedlichsten Reaktionen, die vom empörten: „Wie kommst du denn darauf?“ bis zum zynischen: „Endlich hat er’s kapiert!“ reichen. Das ist herrlich anzuschauen und man fühlt sich an eigene Phantasie-Szenarien erinnert, in denen man sich detailreich alle möglichen Situationen in x- Varianten ausmalte.

 

Kann man da noch reale Bezüge erkennen, wandelt sich das Bild, als Marvin sich aufmacht, seine Eltern zu suchen. Er begegnet auf seinem Weg rätselhaften Gestalten, teils sehr skurril und bizarr, wie dem Pärchen, das rückwärts spricht. Oder wie dem Pärchen, das in einer Endlosschleife Verstecken spielt. Allesamt mit erstaunlicher Wandlungsfähigkeit verkörpert von Jennifer Ewert und Harun Çiftçi, die blitzschnell ihre Rollen wechseln samt der Requisiten wie Helme, Strumpfhosen und  Masken, die ihre Gesichter verdecken. Warum auch nicht, will Marvin doch dahinter schauen, hinter die Masken, und seinen wahren Eltern ins Gesicht sehen können.

Mögen die Gestalten noch so rätselhaft sein, so geben sie doch Hinweise, die Marvin weiterführen. Die Schaukelstuhlfrau, so sagt ihm eine der Gestalten, kennt auf jede Frage eine Antwort. Deshalb: „Such die Schaukelstuhlfrau!“ Das rückwärts sprechende Pärchen ermuntert ihn dazu, sich ebenfalls im Rückwärtssprechen auszuprobieren. Und der Versuch gelingt. Manchmal, so die Erkenntnis, muss man einfach nur die Richtung wechseln, dann sieht alles ganz anders aus. Als Marvin neben dem Pärchen auf der Couch liegt und mit ihm in den Himmel blickt, begreift er schlagartig, dass seine Eltern seine richtigen Eltern sind. Eigentlich könnte seine Reise nun zu Ende sein. Doch die Schaukelstuhlfrau wartet noch auf ihn.

Nach Irrungen und Wirrungen findet Marvin sie schließlich. Und knüpft an die Anfangsszene an, in der er das Märchen („Es war einmal…) vom Kuckuck erzählt, der sein Ei in ein fremdes Nest legt. Der kleine Kuckuck merkt bereits nach dem Schlüpfen, wie fremd er ist. Er entfaltet seine Flügel und fliegt davon, als er groß genug ist.

Nur logisch, dass Marvin die Schaukelstuhlfrau fragt: „Wie fliegt man?“ Sie zeigt es ihm und gibt eine Anleitung zum Fliegen dazu. Eigentlich ist es eher eine Anleitung zum Leben. Sehr weise und berührend: „Fliegen lernen musst du alleine, manchmal ist es schwierig, manchmal triffst du auf Menschen, die dich unterstützen.“ Das ist sie die ewige Wahrheit: es gibt Menschen, die stutzen dir die Flügel, es gibt Menschen, die sagen: „Falte sie aus.“

Der achtjährige Marvin hat sie entfaltet und ist angekommen. In seiner Familie. Doch dafür brauchte er diese Reise, die Begegnungen, sein Ausprobieren und Verstehen lernen. Um seinen Frieden und um seinen Platz zu finden. Auf der Couch, auf der sie einträchtig nebeneinander sitzen und Marvin sich vorstellt: „Ich bin Marvin. Und das sind meine Eltern. Ziemlich schräge Vögel.“

Die Inszenierung hat viele schöne Elemente. Da ist die Musik (Ögünc Kardelen), schnell und rhythmisch, die Szenen untermalend und unterstreichend. Toll, wie die Schauspieler zur fetzigen Musik mit den Möbeln tanzen, das ist rasant und sieht klasse aus. Da dürfen aber auch das Bühnenbild (Maurice Dominic Angrés) und die Kostüme (Maryam Behzadi) nicht vergessen werden. Ganz in Grau gehalten die Wohnzimmer-Landschaft mit Couch, Sessel, Videoleinwand, Schaukelstuhl und einer Kiste, in die bei Szenen-Wechseln die Eltern-Darsteller verschwinden, um flugs neu kostümiert wieder aufzutauchen.

Das Stück schlägt poetische Töne an, aber auch witzige und traurige. Insgesamt ist es komisch, hat eine erstaunliche Tiefe und fesselt ungemein. Last but not least lebt die Inszenierung von der Darstellungskraft der Akteure. Ali Marcel Yildiz überzeugt in der Rolle des Wissen wollenden Marvin. Jennifer Ewert und Harun Çiftçi liefern in ihren ganz unterschiedlichen Rollen eine bravouröse Leistung ab. Das Publikum hat den Darstellern gebannt dabei zugesehen und begeistert applaudiert. Manuel Moser, dem Stückentwickler und Regisseur, ist ein sehenswertes Stück gelungen, das nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsenen sehr unterhaltsam ist und die eine oder andere Lehre auf vergnügliche Weise transportiert.

 

„Kuckucksei“ von Manuel Moser
Mit Harun Çiftçi, Jennifer Ewert, Ali Marcel Yildiz
Inszenierung: Manuel Moser

Comedia Theater, Vondelstraße 4-8, 50677 Köln
Die nächsten Termine: 1., 2., 3., 13., 14., 15., 16., 17. September, 22., 23., 24. November.

 

Text: Alida Pisu

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