Marienburg 21? – Macht sich das Luxus-Veedel krass?
Freitag, 19. Februar 2016 | Text: Stefan Rahmann | Bild: Dirk Gebhardt
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Ziviler Ungehorsam, Widerstand am Ende gar? Menschen, gekettet an Bäume, Polizei-Hundertschaften, Wasserwerfer? Wird man in Kürze ein ganz anderes Bild vor Augen haben, wenn man jemanden sagen hört: „Ich wohne in der Marienburg.“? Geht es nach Professor Heiner Monheim, ist das jedenfalls nicht auszuschließen. Monheim war auf Einladung des Vereins „Natur, Bildung und Soziales. Bürger informieren Bürger“ (NABIS) in Marienburg zu Gast und sprach zum Thema „Vom Sinn und Unsinn der Nord-Süd-Bahn“. Stefan Rahmann war für Meine-Südstadt.de mit von der Partie. Hier beschreibt und kommentiert er seine Eindrücke.
Wer zu spät kam, sitzt auf Kinderstühlen
Ich bin gelinde gesagt überrascht. Der Pfarrsaal von St. Maria Königin in Marienburg platzt aus allen Nähten. Mehr als 100 Menschen, davon die meisten im besten Alter, warten – viele stehend – auf den Referenten. Der lässt wiederum auf sich warten. Währenddessen trägt Otmar Lattorf, Vorsitzender von NABIS, provisorische Sitzgelegenheiten durch den Saal. Wer zu spät kam, sitzt auf Kinderstühlen. Der Professor hat weiter Verspätung. Lattorf improvisiert. „Heiner Monheim wurde gesehen, als er am Chlodwigplatz in den 106er gestiegen ist.“ Danach verliert sich die Spur. Lattorf überbrückt: „Die Beteiligung der Bürger bei der Planung der Nord-Süd-Bahn war lediglich imitiert. Auf die Sachkunde der Bürger hat man keinen Wert gelegt. Man will den Nahverkehr verbessern und den CO2-Ausstoß verringern. Und was plant man auf der Bonner Straße? Man will 300 Bäume abhacken! Und dann noch die Kosten für die sechs Kilometer Nord-Süd-Bahn. Mittlerweile sind wir bei 1,2 Milliarden Euro. Bei Baubeginn hat man mit 550 Millionen Euro Baukosten gerechnet. Ein Skandal. Und wer die Kosten darüber hinaus für den Archiveinsturz und dessen Folgen trägt, ist unabsehbar. Hätte man das ganze Geld der KVB geschenkt und die Leute umsonst fahren lassen, hätte man auf jeden Fall mehr Autoverkehr reduziert als das jetzt der Fall ist.“
Dann kommt der Professor. Und ist gleich wieder weg. Toilette. Lattorf macht leicht irritiert weiter: Wenn die Nord-Süd-Bahn 2024 fährt, hat man 23 Jahre gebraucht. Für sechs Kilometer Schiene.
Die guten Zeiten hätten besser sein können
Eine halbe Stunde später als angekündigt tritt Monheim schließlich doch noch an das Mikrofon. Und erzählt erstmal von den guten alten Zeiten, die aber eigentlich noch besser hätten sein können. Von 1985 bis 1995 war er Referatsleiter für Verkehrsberuhigung und Stadtverkehr im Landesverkehrsministerium, als dort Christoph Zöpel den Chef gab. Gemeinsam habe man den Aufstand gegen die Betonlobby geprobt, die immerzu Tunnel für Stadtbahnen habe bauen wollen: In den 60er Jahren wollte man die schienenfreie Innenstadt. Die Straßenbahn sollte unter die Erde, damit der Autoverkehr rollen konnte. In der deutschen Bauwirtschaft herrschen mafiöse Strukturen. Die wollen alle an den Betontunnelorgien verdienen. In den deutschen Städten wurden damals 60 Prozent aller Straßenbahnen stillgelegt.
Letztes Beispiel für Köln ist die Linie 6, die von Longerich über den Chlodwigplatz bis zum Südpark in Marienburg fuhr. Sie wurde 2007 eingestellt. Auf der Koblenzer Straße kommen die mit Asphalt überdeckten Schienen gerade wieder ans Tageslicht. Ein Kilometer Tunnel kostet so viel wie zehn Kilometer Straßenbahn oberirdisch, verkündet Monheim im Pfarrheim und übt massive Kritik an der 3. Baustufe der Nord-Süd-Bahn, deren Bau eigentlich in diesen Tagen beginnen sollte: Schauen Sie nach Wien. Dort fahren Straßenbahnen mit einer Einstiegshöhe von drei Zentimetern. Die brauchen keine Hochflurbahnsteige. Und auch keinen eigenen Gleiskörper. Die Bahn fährt im normalen Verkehr mit. Da brandet Beifall im Publikum auf. Auch, als der Verkehrsberuhiger ein Moratorium für den Bau der Stadtbahn von der Marktstraße bis zum Verteilerkreis Süd fordert. Der Baubeginn wurde verschoben, weil die Bezirksregierung den Planfeststellungsbeschluss nicht rechtzeitig hingekriegt hat. Jetzt bleiben die Bäume auf der Bonner Straße bis Oktober stehen, weil während der Vegetationsperiode ab Anfang März nicht gefällt werden darf. Ein guter Zeitpunkt, um nochmal innezuhalten, sagt Monheim und erntet beifälliges Kopfnicken im Auditorium für seine Forderung, die große Stadtbahnlösung auf der Bonner Straße zu verhindern. Schreiben Sie Briefe an die Politiker, schalten Sie die Presse ein, rät er den Marienburgern. Und laden Sie die Baumschützer von Stuttgart 21 ein. Die wissen, wie man öffentlichkeitswirksam Bäume schützt. Man spürt im Pfarrsaal förmlich die Lust an der Revolte. Marienburg macht jetzt mobil und will sich wehren. So kommt es bei mir an.
Demos immer samstags
Nach einer guten Stunde kommt allerdings Unruhe auf. Die ersten greifen zu den Mänteln. Otmar Lattorf erinnert noch ein letztes Mal an die samstäglichen Demonstrationen: Wir treffen uns immer um 15 Uhr an der Ecke Bonner Straße/Schönhauser Straße. Wir entscheiden spontan, welche Route wir für unseren Protest wählen. Dann ist der Pfarrsaal von St. Maria Königin leer. Gespalten ist der Eindruck, der bei mir bleibt. Ja, die Leute meinen es ernst mit dem Baumschutz auf der Bonner Straße. Aber warum kam die Nord-Süd-Bahn nur in einem Wortbeitrag der Bürger und in dem auch nur am Rande vor? Gibt es vielleicht für das Baumschutz-Interesse noch andere, eigentliche Gründe? Brauchen die Marienburger die Stadtbahn etwa gar nicht, weil sie sowieso und immer fast alle mit dem Auto fahren? Und wollen sie die Bäume schützen, damit alles so bleibt, wie es ist? Ohne Bahn und den befürchteten Schleichverkehr durchs Veedel? Fragen über Fragen. Antworten am Samstag (20.02.2016). Ab 15 Uhr. Vielleicht.
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