Junge Frauen auf dem Weg
Dienstag, 8. März 2016 | Text: Aslı Güleryüz | Bild: Dirk Gebhardt
Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten
Für junge Spanierinnen ist das Haus gebaut worden, jetzt bewohnen es 46 junge Frauen mit internationalem Kulturhintergrund. Ja, es gibt so eine Art Frauenhaus in der Südstadt. Am Internationalen Frauentag stellen wir das Internationale Jugendwohnen im Teresa-von-Avila-Haus vor.
Frauenhaus: Da stellt man sich schnell misshandelte Frauen vor, die eines besonderen Schutzes bedürfen. Frauenhaus kann aber auch anders. Mitten in der Südstadt, gleich hinter der Kirche St. Katharinen, liegt das Teresa-von-Avila-Haus. Ursprünglich ist es für spanische Gastarbeiterinnen gebaut worden. Die waren in den 1960er Jahren von der Schokoladenfabrik Stollwerck angeworben worden. Wo aber sollten sie wohnen? Da die Bebauung des Grundstücks bevorstand, wurden die ehemaligen Pläne, ein Seniorenheim zu gründen, verworfen, und ein Wohnheim für die Gastarbeiterinnen gebaut.
Heute werden in der modernen Einrichtung junge Frauen zwischen 16 und 27 Jahren sozialpädagogisch begleitet. Die Sozialpädagogin Sabine Reichert leitet das internationale Jugendwohnheim und erklärt: Wir haben zwei Abteilungen hier. Es gibt 8 Plätze für Mädchen in dem Programm Hilfe zur Erziehung. Diese Plätze sind für Mädchen, die mehr Unterstützung brauchen, damit die Erziehung und die Eingliederung in die Gesellschaft glücken. In der Regel verweilen die Mädchen bis zu zwei Jahren hier.. Die jungen Mädchen werden täglich von Sozialpädagoginnen unterstützt. Zum Beispiel bei der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben, am schulischen und beruflichen Bildungssystem, bei der Vorbereitung und Begleitung in ein unabhängiges und selbstbestimmtes Leben durch kontinuierliche Betreuung. Eine Hauswirtschaftern erarbeitet mit den jungen Mädchen den Speiseplan, geht mit ihnen einkaufen und kocht zusammen mit ihnen.
Die größere Abteilung des Teresa-von-Avila-Hauses nennt sich Sozialpädagogisch begleitetes Jugendwohnen. Hier können 38 junge Frauen maximal 3 Jahre lang wohnen. Die jungen Frauen lernen mit ihrem Monatsgeld auszukommen, ihre Finanzen einzuteilen für Lebensmittel, Kleidung, Kosmetika etc. Es gibt fünf Gruppen, welche jeweils eine eigene Pädagogin hat. Auf eine Pädagogin fallen 10 Bewohnerinnen. Wöchentlich führen sie Gespräche und gucken nach dem Rechten, berichtet Frau Reichert. Manchmal wohnen junge Frauen dort, weil ihr Heimatort nicht Köln ist, sie hier aber eine Ausbildung machen. Oder sie werden unterstützt beim Übergang zu einem eigenständigen und selbstbestimmten Leben, bei der schulischen und beruflichen Integration und der Lebensplanung. Sie trainieren wie man mit Konflikten in Schule und Ausbildung umgehen kann. Sie entdecken ihre Sozialkompetenzen und werden individuell gefördert. Wir fördern, dass die Bewohnerinnen auch in die Verantwortung gehen. Sie werden in Entscheidungen mit einbezogen, wenn es zum Beispiel ums Streichen, um Möbel, Deko, Wünsche oder Kritik geht. Jede Gruppe hat eine Sprecherin. Wir vermitteln die Grundzüge der Demokratie hier. Wir haben hier viele Nationen unter einem Dach. Die Mädchen verstehen sich manchmal ohne Worte. Es klappt gut. Wir sehen uns hier als Micro-Kosmos: Was in der Gesellschaft im Großen passiert, haben wir hier in klein, fährt sie fort. In Gesprächen werden unterschiedliche Kulturen und Religionen Thema. Es findet ein interreligiöser Dialog statt, wobei die Mitarbeiterinnen des Hauses alle (bis auf die Reinigungskraft) ausschließlich christlichen Glaubens sind. Das ist beim katholischen Träger In Via so, der auch in vielen Grundschulen die Nachmittagsbetreuung organisiert.
Die Mädchen sollen sich im Teresa-von-Avila-Haus Zuhause fühlen. Dazu trägt die moderne und gemütliche Einrichtung bei. Im Erdgeschoss befindet sich ein einladendes Café mit Computern und Internetzugang. Die Mädchen bewohnen Einzelzimmer mit eigenem Bad, kochen und essen gemeinsam in den Küchen. Einladend ist auch der Garten mit einem Grillplatz. Im Keller gibt es sogar einen Fitnessraum. Während die Mädchen eigenständig ihre Wäsche im Waschkeller waschen, können sie sich nebenan körperlich trainieren. Ihre Dankbarkeit und Verbundenheit zeigen die jungen Frauen auch nach ihrem Auszug aus dem Teresa-von-Avila-Haus. Schön ist es, wenn die Frauen immer mal wieder hierher zurückkommen, lächelt Sabine Reichert. Eine Reihe von Mädchen schaut hier vorbei. Sie berichten dann, was sie alles geschafft haben; Schulausbschluss oder Ausbildung. Es gibt natürlich auch einige Mädchen, die keinen Abschluss machen, die meisten machen jedoch einen.
Wie sieht es mit dem Frauenbild der Frauen aus?
Sehr unterschiedlich. Wir als Pädagoginnen bieten auch unterschiedliche Vorbilder: Wir sind jung, alt, haben optische Unterschiede, sind verschiedene Typen, wir sind berufstätig. Wir leben ein emanzipiertes Vorbild. Hier wohnen unterschiedliche Frauen mit unterschiedlichen Ansichten. Wir haben Mädchen, die entdecken hier Freiheiten neu. Sie lebten in einem regiden Kontext und daher gab es Probleme. Wir hatten hier auch ein Mädchen, das eine Burka getragen hat. Oder es gab massive Schwierigkeiten Zuhause. Manche sollten vielleicht zwangsverheiratet werden. Seit einigen Jahren haben wir auch unbegleitet reisende Flüchtlingsmädchen hier, beschreibt Sabine Reichert. Bei vielen Ländern weiß man ja, dass die Rolle der Frau, ihr Wert oder ihre Rechte gar nicht so sind wie bei uns hier. Es ist aber nicht ein ständiges Thema hier. Um die Handlungsweise oder die Geschichte der Mädchen besser verstehen zu können, beschäftigen wir uns mit den Herkunftsländern. Wir gehen mit Achtsamkeit in den Kontakt und sind dafür offen.
Den Internationalen Frauentag haben die jungen Frauen im Teresa-von-Avila-Haus noch nicht gefeiert. Aber hier gibt es in diesem Jahr eine Premiere verrät Frau Reichert: Wir haben im Team beschlossen, dieses Jahr eine Blume an alle Bewohnerinnen zu verteilen. Solange es immer noch hier Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen gibt wie beispielsweise beim Lohn -, solange es Ungerechtigkeiten gibt, muss so ein Thema im Bewusstsein bleiben. Man sollte auch immer die Geschlechterrollen hinterfragen, wie sie ausgelegt werden oder was man zuschreibt, was weiblich sein soll, was männliches Verhalten ist. Aber weil es ein internationaler Tag ist, kann man auch auf die Rechte von Frauen überall in der Welt hinweisen. Das finde ich schon notwendig.
In Köln gibt es 10 Jugendwohnheime, 2 davon sind exclusiv für junge Mädchen. Die Kosten werden übernommen von Jugendamt, Jobcenter gem. SGB II, Berufsbildungsbeihilfe (BAB) oder BAföG.
Teresa von Avila ist eine Heilige, die sich zu Lebzeiten für ein weltliches Frauenbild einsetzte, für Frauen, die selbstbewusst und selbständig in der Gesellschaft auftreten und sie aktiv mitgestalten.
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