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Kultur

Mit Skalpell und Feingefühl…

Donnerstag, 2. Juni 2016 | Text: Judith Levold | Bild: Tamara Soliz

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

…geht idealerweise der Chirurg vor – und: die Buchbinderin. Sarah Stahl hat dieses Handwerk in der Kölner Kunst- und Museumsbibliothek erlernt, obwohl es kaum noch Jobs für Buchbinder jenseits der Industriebuchbinderei, die ausschließlich maschinell arbeitet, gibt. Anschließend arbeitete sie in der schon hundert Jahre alten Buchbinderei Mensch, entschloss sich zum Meisterlehrgang.

2012, als Bruno Mensch in den Ruhestand ging, hat sie seinen Betrieb übernommen und sich damit in der Südstadt niedergelassen.  Auf der Ecke von Silvanstraße und Im Ferkulum, im Schatten der Severinskirche, arbeiten sie und ihre Mitarbeiterin Nina Scholle, umgeben von alten Press- und Prägemaschinen und dem Geruch von Leim, in großer Stille an Büchern – wir haben sie besucht.

Die Bücher in Laden und Werkstatt von Sarah Stahl sind keine Romane, die millionenfach gedruckt und gebunden wurden, sondern Unikate und Kleinst-Auflagen: Bachelor- und Doktorarbeiten, private Foto-, Hochzeits- oder Gästebücher, Firmenbroschüren, Präsentationen in Kartonagen, Fachzeitschriften und Präsentkästen oder auch Notenbücher.

 

Gerade ist der Auftrag eines Musiklehrers gekommen. Regelmäßig lässt dieser Stammkunde von Sarah Stahl hier für seine Schüler Sammlungen von Stücken bestimmter Komponisten aus den einzelnen Heften lösen und zu Büchern binden. „Ich mache das sehr gerne“, sagt Stahls Mitarbeiterin Nina Scholle, denn dieser Kunde sei klar und gut vorbereitet. Er wisse genau, was er wolle, wie die Beschriftung des Einbands auszusehen habe, mit welcher Typografie und in welchem Abstand die einzelnen Angaben auf den Einband müssten und welche Farbe dieser haben sollte. „Damit kann man gut arbeiten, das notiere ich mir und mache Schablonen für´s nächste Mal. Komponist, Stück, Herausgeber, Abstände – er weiß genau, was er will.“ Das Prägen der Schrift auf den Einband ist der letzte Arbeitsschritt, wenn der Bucheinband schon fertig ist.

 

 

Die alte Maschine hat Sarah Stahl aus der Buchbinderei Mensch übernommen und sie ist etwas für Liebhaber von Präzisionsarbeit: Bei 100-130°C drücken die Typo-Sätze mit Farbband die Buchstaben auf den Einbandstoff. „Ich mag tatsächlich sehr gerne Bücher und lese selbst viel und hier füge ich verschiedene Materialien wie Papier, Stoffe und Pappe zu Büchern zusammen. Mir gefallen die vielen Arbeitsschritte, mal hier was und da was, dann muss das erst trocknen mit dem Leim, dann mache ich woanders weiter – das gefällt mir an dem Beruf, die Vielseitigkeit“, erzählt Nina Scholle.

 

Bevor sie Titel und andere Angaben auf einen Einband prägt, hat sie das Buch „gebaut“. Erst hat sie Vorsatzpapier ausgemessen und zugeschnitten – das Verbindungselement zwischen Buchblock und Buchdecke – die Seiten werden dann am Rücken mit Faden zusammengeheftet – oder geklebt. Es gibt verschiedene Techniken, alle beherrschen die beiden Frauen und deshalb können sie auch alte, beschädigte Bücher reparieren: Atlanten, Bibeln oder anderes Antiquarisches.

„Ich bin aber kein Restaurator, ich spreche mit den Kunden genau ab, was wir machen können, um das Buch einfach wieder gebrauchsfertig zu machen, eben zu reparieren“, betont Sarah Stahl, die junge Chefin hier, die heute einen alten, ledergebundenen Literatur-Atlas in Angriff nimmt: Der Ledereinband, vor allem am Rücken, ist ziemlich abgewetzt und löst sich. Die Kundin hatte sich schon mal selbst, mit doppelseitiger Klebefolie, daran zu schaffen gemacht – keine gute Idee. „Tesa ist Iiiieh! Das Schlimmste für die Buchreparatur“, sagt Sarah Stahl lachend. „Der Klebstoff härtet nie aus, wandert ins Papier und macht es porös, gelb und kaputt“, erklärt sie. Sie arbeitet ausschließlich mit Dispersionsleimen auf Wasserbasis. Lösungsmittelfrei.

 

 

Vorsichtig löst sie mit einem Skalpell das goldverzierte beschädigte Leder vom Rücken und schneidet mit viel Feingefühl die daran klebenden Pappschichten ab. Mit neuem Leder, dass sie mit ihrem persönlichen Schärfmesser abschabt, um es hauchdünn zu machen, wird dann ausgebessert. „Das ist das einzige Werkzeug, bei dem ich auf meinem eigenen bestehe – wie ein Frisör mit seiner Schere. Das Messer habe ich von meinem Ausbilder geschenkt bekommen“, – erzählt sie schmunzelnd, während sie es an einem alten Litho-Stein schärft. Nachdem sie das neue Lederstück vorsichtig unter eine leicht angehobene Schicht des Buchdeckels gefügt und angeleimt hat, bringt sie den verzierten Ursprungsrücken auf – jetzt muss dieser beschwert werden und trocknen. Überall in der Werkstatt liegen rot bezogene, verschieden große und schwere Gewichte herum, sowie teilfertige Buchprodukte, die eben nach der Verleimung trocknen müssen.

 

 

Zeit, Genauigkeit und Ruhe sind wichtige Faktoren in diesem Handwerk, und so mutet die Buchbinderei Mensch an wie ein Hort der Entschleunigung – und die beiden jungen, lässigen und fein arbeitenden Frauen wie zweimal Alice aus dem Wunderland. „Also hier rein kommen und sagen, ich hab da was, kann ich das heute Nachmittag abholen – das ist schwierig.“ erklärt Sarah Stahl, ansonsten versuchen sie und Nina Scholle, die individuellen Ansprüche der Kundschaft perfekt zu bedienen: „Wenn Sie ein Buch in ihre erste Jeans eingebunden haben wollen, machen wir das gerne, kein Problem.“

Am Wochenende (4. und 5.06.2016) sind die beiden übrigens auch bei den Offenen Ateliers dabei und haben Eberhardt Schulz aus der Porzellanwerkstatt zu Gast, mehr dazu hier www.koeln-sued-offen.de
www.buchbinderei-mensch.de

 

Text: Judith Levold

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