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Gesellschaft

Zusammen ist man weniger allein

Mittwoch, 20. Juli 2016 | Text: Jasmin Klein | Bild: Tamara Soliz

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Wer zwischen Montag und Donnerstag im Café Walter Kaffee trinken und Käsekuchen essen möchte, könnte lange auf die Bedienung warten. Denn seit Februar ist dieser Ort von jeweils 10-18 Uhr ein Coworking Space. Noch nie gehört? Da fragen wir mal nach.

Unsere Arbeitswelt verändert sich. Wo man früher noch in einer Firma als Lehrling begann und zum 50jährigen Dienstjubiläum eine goldene Uhr geschenkt bekam, ist  unser Berufsleben heute schneller und flexibler, und die Arbeitsverhältnisse sind kurzlebiger geworden.

Als Freiberufler, zu Hause am PC, fällt es einem oft schwer, sich zu fokussieren. Die Spülmaschine müsste noch ausgeräumt werden, und kam da nicht gerade der Postbote? Ablenkungen lauern an jeder Wohnungsecke. Viele Menschen setzen sich daher mit ihren Laptops in Cafés und arbeiten dort. Aber einerseits fehlt oft das WLAN, und die Gastronomen sind auch nicht immer begeistert, wenn alle Tische voll sind mit jeweils nur einem Menschen vorm Laptop, der in einer Stunde an einem Glas Wasser lutscht. Wohin also?
?In der Südstadt gibt es, wie in vielen Städten auch, etliche Bürogemeinschaften: jemand mietet ein Büro an und vermietet einzelne Schreibtische an andere unter. So werden die Kosten geteilt, und es existiert eine eigene, kleine Infrastruktur. Für Manchen ist aber auch das noch ein Zuviel an Verpflichtung oder Kosten. Coworking Spaces kommen dieser Entwicklung entgegen.

Coworking bedeutet „zusammen arbeiten“ und ist eine neue Antwort für die Arbeitsweisen von Kreativen und Freiberuflern, digitalen Nomaden und Start Ups. Man kann in verschiedenen Projekten aktiv sein, neue Menschen kennen lernen und voneinander beruflich profitieren. Der Coworking Space stellt die Arbeitsplätze und die Infrastruktur zur Verfügung wie WLAN, Drucker, Besprechungsräume und dergleichen mehr. Die Nutzung bleibt immer unverbindlich und flexibel.

Wir treffen uns mit Tatjana Lajendäcker und Lars Brillert. Sie arbeiten beide beim Software-Entwickler Railslove und sind u.a. auch verantwortlich für das „Coworking Cologne“ im Café Walter, wo wir uns treffen. An zwei weiteren Tischen sitzen zwei andere Menschen an ihren Laptops und tippen vor sich hin.

Wie seid Ihr auf die Idee gekommen, einen Coworking Space zu eröffnen?

Tatjana: Das begann 2010, als wir eine große Bürofläche in Deutz angemietet haben, die wir gar nicht komplett nutzen konnten. Dem ging ein Coworking Camp voraus, bei dem sich viele Menschen aus Köln getroffen haben, die auch Interesse an dem Thema hatten. In Köln gab es sowas noch nicht, es gab nur das Beta-Haus in Berlin, später kam erst der ‚Startplatz’.

Lars: In Köln waren wir die ersten. 2013 zogen wir dann in die Südstadt an die Bottmühle 5, denn das große Büro in Deutz hatte keine Heizung und wurde uns zu kalt.

 

Intermezzo:
Ein junger Mann betritt das Café Walter und fragt:?„Das hier ist ein Coworking Space, richtig? Wie ist das mit der Kondition, dem Preis?“??Tatjana: „Wenn man den ganzen Tag bleiben will, kostet das 15€. Für den ganzen Monat kostet es 150€.“

Der junge Mann: „Die Coworking Angebote in Köln sind nicht sehr groß, oder?“?? Tatjana: „Man kann nicht gerade behaupten, dass es boomt. Es gibt noch den ‚Startplatz’, den ‚Solution Space’ und ein paar andere Coworkingspaces. Aber das ist auch nicht immer nur klassisches Coworking.“

Meine Südstadt: „Darf ich Dich mal fragen, warum Du Dich für Coworking entschieden hast?“
Nicolai Wöller: „Ich bin momentan mit meiner Freundin für sechs Wochen bei ihren Eltern in Köln. Wir kommen gerade aus Thailand, wo wir einige Monate lebten, und fliegen bald nach Gran Canaria, wo wir acht Monate bleiben werden.“

Meine Südstadt: „Was macht Ihr beruflich?“? Nicolai: „Ich bin Software-Entwickler und meine Freundin erstellt als Online Marketing Expertin Content und hat einen großen Kundenstamm.“

Ich erkenne: früher musste man Erfolgsschriftsteller sein, um dort wohnen zu können, wo man will. Heute ist man Software-Entwickler. Ein Leben als ‚digitaler Nomade’.

Lars: Unser neues Büro an der Bottmühle hat einen vorderen und einen hinteren Teil. Wir hatten den vorderen Teil zu unserem Coworking Space gemacht. Anfang des Jahres wollten wir die Arbeitssituation entzerren: wir saßen hinten zu zwölft, und vorne saßen nur wenige Coworker. Anfang Februar ergab sich in einem Gespräch mit Nina (Gilhooley) die Situation, dass wir ihr Café Walter für einige Tage in der Woche mieten können.

Wie läuft das ab, wenn man hier coworken möchte?

Lars: Wir erklären den Leuten am Anfang alles und stehen auch für Rückfragen zur Verfügung.

Man erkennt von außen nicht, dass hier Coworking stattfindet.

Lars: Wir hatten mal ein Schild hier, das fiel immer runter. (lacht) Die Interessenten suchen uns übers Internet und finden uns da auch. Auf der Seite coworking.de, die wir auch erstellt haben, sind alle Coworking Spaces gelistet. Die Leute rufen an und fragen, ob sie vorbei kommen können.

Ich frage Nicolai. Auch er hat im Internet recherchiert und dort den Ort gefunden.

Rechnet sich das Ganze finanziell??

 

Lars: Es rechnet sich nicht komplett, aber wir nutzen den Space auch als unsere Büroerweiterung. Wir können hier mit unseren Kunden sitzen und etwas besprechen. Es ist nichts zum Geld verdienen, aber wir verlieren auch kein Geld, denn wir haben ja auch was davon.

Aus welcher Branche kommen die Coworker?

Tatjana: Viele sind Software-Entwickler, aber auch Lehrer, Journalisten, Designer, Übersetzer.

Was ist der Vorteil gegenüber einer Bürogemeinschaft?

Lars: Mit einem Büro gehst Du eine längerfristige Verpflichtung ein. Auch mit der Geschäftsfläche bist Du gleich sehr unflexibel.
Tatjana: Wenn Du nicht jeden Tag etwas Spezielles zum Arbeiten brauchst, dann ist es als Coworker viel einfacher. Man kann jeden Tag woanders sein.
Lars: Für eine Bürogemeinschaft musst Du Leute suchen und finden, die zu Dir passen. Und die Leute, die viel zu Hause gearbeitet haben, sagen mir: ich kann zu Hause nicht mehr arbeiten, mir fällt die Decke auf den Kopf. Viele kommen und gucken sich das Coworking an. Man muss es einmal selbst ausprobiert haben und schauen, ob diese Art zu arbeiten zu einem passt. Wer einmal hier gearbeitet hat, der kommt wieder.

Mehr im Netz:
http://coworkingcologne.de

Weitere Coworking-Plätze in Köln:
Ehrenspace in Ehrenfeld
Solution Space am Dom
Startplatz am Mediapark

Coworking in Deutschland:
http://www.coworking.de/

Text: Jasmin Klein

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