Die Welt ist eine Scheibe
Freitag, 2. September 2016 | Text: Nora Koldehoff | Bild: Nora Koldehoff
Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten
Versteckt in einem Hinterhof in der Südstadt liegt ein kleines Haus, dem man von außen nicht ansieht, welchen Sammlerschatz es enthält. „Hier geht es lang“, öffnet Hermann Broich und weist den Weg ins Souterrain.
Mit Sicherheit hunderte von privaten und öffentlichen Sammlungen und Museen beherbergt Köln; eines davon liegt recht versteckt im Keller eines Privatgebäudes und ist nur nach Absprache zugänglich. Trotzdem hat Hermann Broich seine Sammlung selbstbewusst „CD-Museum“ genannt, weil sie in einem einzigartigem Umfang die Geschichte dieses Tonträgers und seiner technischen Verwandten dokumentiert.
Frühes Interesse an der Silberscheibe
In drei großen Kellerräumen lagert Broich seine Schätze, und auf einer Website, deren Inhalt stetig wächst, teilt er sein Wissen auch der Öffentlichkeit mit. Wesentlicher Bestandteil des Museums nämlich ist der Sammler selbst – mit seinen Informationen, seinem Hintergrundwissen und mit Anekdoten.
Hermann Broichs Interesse an der Silberscheibe war bereits bei deren erstem Erscheinen geweckt, und durch seine Kontakte zu Musikproduktionsfirmen kam er schon früh an Material, das sonst nicht zugänglich ist: „Da ich selbst von Anfang an dabei war, mich interessiert habe, auf Messen war und die Anfänge selbst erlebt habe, weiß ich viele Zusammenhänge aus dem Kopf“, erläutert Broich.
Zwar lagert die ganze Sammlung in seinem privaten Keller, doch teilt der Fachmann sein Wissen gern, mitunter auch schonmal gegen den Wunsch des jeweiligen Autors. „Wenn sachliche Unwahrheiten immer wieder wiederholt werden, werden sie darum nunmal nicht wahrer“, erklärt er die Energie, mit der er Texte korrigiert und Anmerkungen zu fehlerhaften Informationen macht. Aber nicht nur ungebeten lässt er an seinem Wissen teilhaben: Bei zahlreichen Recherchen für Sendungen, Fachaufsätze und Doktorarbeiten stand Broich den Redakteuren und Autoren mit einem fachlich fundierten Wissen zur Seite, half mit seinem Equipment bei TV-Sendungen aus und stellt immer wieder einen Teil des Technik-Schatzes auf Messen und Ausstellungen aus.
Der enge Kontakt zu den Produktionsunternehmen führte dazu, dass er früh über neue Technologien informiert ist. „Und im Laufe der Jahre hat sich zu den Mitarbeitern mehrerer Firmen auch ein Vertrauensverhältnis aufgebaut; teilweise sind auch echte Freundschaften entstanden. Die wissen, dass ich mit dem Material, das sie mir zur Verfügung stellen, keinen Blödsinn anstelle. Es gibt zum Beispiel, um neue Grundsatztechnologien herzustellen, Versuchsmuster. Darin werden manchmal nicht lizensierte Elemente verwendet, die gar nicht für die Produktion vorgesehen sind und für die es auch keine rechtliche Verfügung gibt – oder eben nur zu Versuchszwecken. Die werden nur zum internen Gebrauch hergestellt und nur zu Probezwecken verwendet – und existieren darum nur auf diesen Versuchsmustern. Diese müssen dann sofort vernichtet werden, schon aus rechtlichen Gründen. Ich habe aber einige davon hier.“
„Mo’s Songs“ kamen nie in den Handel
Da Hermann Broich seine Schätzchen nicht meistbietend verkauft, sondern behält und gewissenhaft dokumentiert, hat er einige Raritäten in seinem Keller, die einzigartig sind: CDs aus Glas etwa, formgeschnittene CDs in allen nur erdenklichen Formen, die Startbox der Polygram zur offiziellen Einführung der CD oder die fünf CDs umfassende Promotion-CD-Box Mo’s Songs, die zum Geburtstag des Musikproduzenten Mo Otis entstanden war und nie in den Handel kam.
Ein Lied darunter, das von George Harrison gesungene „Mo“, ist auf sonst keiner CD jemals erschienen. Ein anderes Exemplar, das zu Ehren eines Produzenten erschienen war Ahmet Ertegüns, der Atlantic Records führte , erschien gar als Doppel-DVD, wenn auch nicht für die Öffentlichkeit. Nur für ihn selbst und für 50 Freunde wurde eine Sonderpressung produziert, in der auf der einen CD ein Interview mit Ertegün und auf der anderen zu jedem Lebensjahr ein Musikvideo zu sehen ist.
Die CD, die es nicht gibt
Eine CD in der Sammlung von Hermann Broich gibt es eigentlich gar nicht. Für ein internes Manager-Meeting wurde eine Doppel- CD mit jeweils vier Elvis-Presley-Liedern zusammengestellt. Doch dann bemerkte man, dass die enthaltenen Titel keine zuvor offiziell veröffentlichten gewesen waren und deshalb auch für das Giveaway nicht verwendet werden konnten. Die ganze Produktion von 200 CDs wanderte in die Tonne – bis auf zwei CDs, von denen eines im Kölner CD-Museum liegt.
Der größte der drei Kellerräume beherbergt ein großes Schwerlastregal, in dem Abspielgeräte aller möglicher Arten, Firmen und Baujahren stehen. Broich zieht einen Karton aus dem Regal und öffnet einen der Originalkartons. „Dies ist der erste Prototyp eines CD-Recorders von Marantz, von 1985“, stellt er das Gerät vor. „Das funktioniert immer noch einwandfrei. Innen hat man dann immer wieder etwas abgeändert und umgebaut, die Kiste blieb.“
Broich behält die Mogelei für sich
Nicht alles, das auf Messen präsentiert wird, hält einem zweiten Blick stand, weiß Broich und lacht. Auf einer Funkausstellung stellten zwei marktführende Firmen ihre konkurrierenden Systeme, die erst später zur Entwicklung der DVD führten, vor. Hierbei sollte die sogenannte Layer-Technologie vorgeführt werden, bei der große Datenmengen auf verschiedenen Ebenen einer Scheibe gespeichert sind, damit nicht das Medium selbst gewechselt werden muss. Beide priesen einen automatischer Layerwechsel an, der durch einen automatischen und unterbrechungsfreien Bild- und Tonsequenz-Wechsel veranschaulicht werden sollte – und das schaute sich Hermann Broich bei den Publikumspräsentationen an.
Eine der Firmen sagte dabei den Wechsel von einem Layer auf den nächsten vorn am Rednerpult an. Ein digitaler Wechsel, der analog angezählt werden konnte das machte den Sammler stutzig. Ein Blick hinter den Vorhang zeigte ihm, dass hier ein Assistent mit einem manuellen Knopfdruck der Technik auf die Sprünge half. Verraten hat Broich die Mogelei aber nicht.
Das Ende der CD-Ära sieht Hermann Broich noch nicht gekommen. „Die Verkaufszahlen zeigen, dass sogar eher wieder mehr CDs gekauft werden. Und gerade in Deutschland, das einfach auch ein Volk der Jäger und Sammler ist“ konstatiert er.
Wenn Museum, dann mit Audio- und Kinosälen
Um aus der privaten Sammlung ein öffentlich zugängliches Museum zu machen, reicht der Platz im privaten Keller leider nicht. Ideen für eine ansprechendere öffentliche Präsentation gibt es viele. Seine Schätze nur zu zeigen, wäre Hermann Broich zu wenig. Am besten, sagt er, sollte ein solches Museum auch zum Mitmachen einladen, verschiedene Audio- und Kinosäle haben, in denen die Technologien im Einsatz gezeigt werden können – und möglichst auch ein eigenes Presswerk beinhalten, mit dem man den Besuchern als Giveaway eine CD mit ihrem eigenen Foto darauf mitgeben könnte.
Interesse hätten die großen Firmen, die noch CDs produzieren wohl auch. Sollte es jemals ein öffentliches CD-Museum geben, sagt Hermann Broich, würden sie wohl alle vertreten sein wollen. Ein Museum bringt eben nicht wirklich Geld ein und ist immer ein Zuschussgeschäft, darum fehlt es bislang an Anschubkapital und einem passendem Ort. Und Hermann Broich betreibt seine beeindruckende Sammlung vorerst als One-Man-Show weiter.
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