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Auf ein Kölsch mit...

Pubertär im Pott

Mittwoch, 16. November 2016 | Text: Nora Koldehoff | Bild: Marco Klahold

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

„Radio Heimat – Damals war auch scheiße!“: Der Film, der am 17. November 2016 in die deutschen Kinos kommt, basiert auf Kurzgeschichten von Kabarettist und Schriftsteller Frank Goosen.

Es geht um vier sechzehnjährige Freunde aus dem Ruhrgebiet – Frank, Spüli, Mücke und Pommes – die auf der Suche nach Liebe und dem ersten Sex sind, und das in den 80er Jahren. Zwischen Tanzstunde, Partykeller und Freibad versucht das Quartett sein Glück bei der Damenwelt, kommentiert von der Hauptfigur, Goosens Alter Ego Frank.

David Hugo Schmitz spielt diese Rolle. Bis vor kurzem wohnte der Jungschauspieler noch in der Kölner Südstadt; hier ist er auch aufgewachsen. Die Liebe zur Schauspielerei war früh vorhanden, auch wenn es mit der Theater-AG am Humboldt Gymnasium nichts wurde, weil sie zu schlecht besucht war. Zuerst hatte aber ohnehin der Fußball Priorität. 

 

Schmitz spielte 12 Jahre lang bei  Fortuna Köln und in den Mittelrhein-DFB-Jugendauswahlen. Die beiden Leidenschaften vermengten sich, als er 2008 bei einer Kinderserie über seinen Verein mitwirkte. Es folgten Schauspielunterricht bei „juniorhouse“ in der Severinstorburg, eine Reihe von kleineren Rollen in Serien, Moderation in der Sprachlernreihe „Deutschlandlabor“ und schließlich auch Hauptrollen in größeren Produktionen.

„Meine Südstadt“ traf David Hugo Schmitz auf einen Kaffee im „Meister Gerhard“ in einer Projektpause, die letztlich von kurzer Dauer war.

Ein Coming-of-Age-Film über vier Freunde auf der Pirsch – da kann man sich auch dann hineinversetzen, wenn man die 80er Jahre nicht selbst erlebt hat, oder?
Auf jeden Fall! Ich denke, dass die Probleme, die die vier Jungs in den 80ern im Pott hatten, im Prinzip solche sind, die ich auch in der Pubertät hatte und immer noch habe. Der Unterschied, und das macht den ganzen Film so wichtig, witzig und spannend für unsere Generation, ist, dass damals alles analog funktionieren musste. Wenn du etwa ein Mädchen gut fandest, dann musstest du einen Weg finden, sie wieder zu sehen und den Mut haben, sie anzusprechen.

 

Heute kann man das theoretisch alles übers Internet tun. Ich finde diese soziale Selbstamputation ziemlich unromantisch. Die Frauen, bei denen es bei mir ernst wurde, habe ich ganz old school „in echt“ – in der Schule und beim Dreh kennen gelernt. Ich denke, dass Gefühle sich tiefer einnisten, je mehr Mut, Gedanken und Zeit du aufbringen musstest für eine Person. Und genau diese ersten Versuche der Annäherung zeigt Radio Heimat auf eine, wie ich finde, ganz tolle Art und Weise. Und noch einiges mehr.

 

Und Du hast die Hauptrolle bekommen…
Ja, durch klassisches Vorsprechen. Wobei ich zuerst – und auch aufgrund des Castingtextes – dachte, ich würde für eine kleinere Rolle vorsprechen. Nach dem ersten gab es dann noch ein zweites Vorsprechen und danach den Bescheid, dass ich die Hauptrolle spielen soll. Das hat mich natürlich ziemlich umgehauen. Ich glaube, so viele Endorphine habe ich noch nie zuvor in so kurzer Zeit ausgeschüttet.

Wie war der Dreh?
Die Atmosphäre war unglaublich. Wir haben uns auch privat alle super gut verstanden. Gedreht haben wir vor allem natürlich im Ruhrgebiet, wo die Geschichte ja auch spielt, aber auch in Köln für Innenaufnahmen und an der Ostsee, wo im Film die Klassenfahrt stattfindet. Ein bisschen fühlte sich das auch für uns Schauspieler an wie eine Klassenfahrt, und der Regisseur nahm ein wenig die Rolle des Lehrers ein.

 

Auch abends, wenn wir vernünftigerweise zeitig schlafen gehen sollten, weil tagsüber den ganzen Tag lang gedreht wurde, und wir uns dann ernsthaft heimlich aufs Mädchenzimmer geschlichen haben. Das hatte schon alles einen sehr nostalgischen Charakter. Wir waren irgendwann mental alle kurz nach Grundschule.

Passte ja auch – schließlich stellt Ihr im Film Pubertierende dar…
Genau. Wir spielen 16-Jährige, obwohl wir Schauspieler alle um die zwanzig waren. Und das Drumherum war auch einfach schön – viele junge Leute in den Hotels, dann das Meer… Aber wir waren natürlich vornehmlich zum Arbeiten da, und es war mir auch sehr wichtig, bei meiner ersten großen Rolle in einem so tollen Projekt möglichst professionell zu sein.

Gab es etwas beim Drehen selbst, das Dir Schwierigkeiten bereitet hat?
Schwierigkeiten nicht direkt, aber in dem Film kommt es immer wieder vor, dass ich die so genannte „vierte Wand“ durchbreche, also direkt in die Kamera gucke und zu den Zuschauern spreche. Das ergänzt die Off-Kommentare der Hauptfigur zusätzlich, manchmal sogar mitten in einem Dialog. Und das ist schwieriger, als man denkt. Weil man ja erstmal ewig daran arbeitet, die Kamera zu ignorieren und eben nicht hinzugucken. Und dann soll man das in diesem Fall gerade doch.

 

So eine Filmkamera steht dann manchmal ziemlich weit weg und filmt einen, zum Beispiel quer durch eine trunkene Ruhrpott-Bungalow-Fete. Dahinter stehen so etwa 40 Leute, aber man spricht nur zu dem kleinen Kameraloch – und das nicht etwa laut rüberrufend, sondern leise, weil die Kamera einen ganz nah ranzoomt und das Mikrofon für den Ton sowieso am Körper getragen wird. Dann kommt der Satz, und man wendet sich direkt wieder ab und spielt die Szene weiter – das war schon sehr ungewohnt. Beim Sprechen in die Kamera haben mir aber meine Erfahrungen beim Drehen als Moderator für das Deutschlandlabor geholfen.

Wie geht es weiter? Was sind Deine Pläne?
Auf jeden Fall möchte ich gern weiterhin Schauspielerei und Regie machen. Diesen Sommer musste ich mich zwischen den Schauspielschulen in Leipzig und Potsdam entscheiden. Seit Oktober studiere ich nun an der Filmuniversität Babelsberg Schauspiel und wohne bei Berlin. Vor dem Dreh von „Radio Heimat“ habe ich in einem amerikanischen Independent-Film mitgespielt, „Bad Trip“, im deutschen Film „Hey“ und danach in den Kinofilmen „Monster“, „1000 Arten, den Regen zu beschreiben“ und in zwei Kurzfilmen. Einen davon, „Nino“, habe ich selbst geschrieben, inszeniert und geschnitten.

 

Das war eine unglaubliche Erfahrung, die eigenen Gedanken so verwirklicht zu sehen. Der Kurzfilm lief und läuft bislang auf sechs Festivals – als nächstes bei „YOUKI“ Ende November in Österreich und dann Mitte Dezember in Hamburg beim Festival „Abgedreht“. Und er hat gerade bei der „visionale16“ in Hessen den ersten Preis in der Kategorie „Junge Erwachsene“ gewonnen und auf Bali den Publikumspreis bei der „Factory of Cinematic Dreams“.

Gibt es Vorbilder?
Ja schon, einige. Zum einen aus dem ganz nahen Dunstkreis: Meine Oma, Hannelore Lübeck, war Schauspielerin, aber vor allem im Theater, was ich ja jetzt erst durch die Schauspielschule kennen lerne. Aber der Wunsch, die eigene Schauspielerei dann auch zu verbessern und weiter lernen zu wollen, wurde durch sie und ihre ehrliche Kritik und Meinung sehr gefördert. Wenn ich etwas mache, dann nicht halb, sondern so gut, wie ich es geht.

 

Zum anderen gibt es natürlich viele Schauspieler und Regisseure, die ich sehr schätze. Fatih Akin, Fassbinder und Xavier Dolan zum Beispiel, die machen so ihr Ding, anstatt sich daran zu orientieren, was immer schon funktioniert hat und massentauglich ist – und nur so kann ja auch Neues entstehen. Das finde ich gut. Sowas, wie Fatih Akin mit „Soul Kitchen“ über Hamburg gemacht hat – vielleicht mache ich so eine Hommage mal über Köln.
 

Text: Nora Koldehoff

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