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Politik

Der Baudezernent geht – bleibt da was?

Dienstag, 25. Juli 2017 | Text: Stefan Rahmann | Bild: Bernd Arnold

Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten

Der Baudezernent verabschiedet sich im Herbst in Richtung Hamburg. Die Kölner Politik trauert ihm schon jetzt nach. „Mit seiner städtebaulichen Expertise, seiner Erfahrung aus Großprojekten wie der HafenCity sowie seiner Begeisterung für anspruchsvolle Architektur war Franz-Josef Höing ein Gewinn für unsere Stadt“, sagt Niklas Kienitz (CDU), der als Vorsitzender des Stadtentwicklungsausschusses eng mit dem Dezernenten zusammengearbeitet hat.

 

Die Oberbürgermeisterin sieht bei aller Enttäuschung über den Verlust auch Gutes für die Stadt: „Höing übernimmt die Stelle des höchsten technischen Beamten in der Hansestadt. Das ist auch eine Anerkennung für die hohe Qualität der Stadtentwicklungs- und Planungsarbeit hier in Köln.“ Na ja, Henriette Reker wird ihre Gründe haben, das so zu sehen. Hauptsache, Köln ist toll. Schauen wir stattdessen auf die Fakten.

 

Beton als grauer Faden

 

Der Rheinboulevard ist spektakulär. Teurer als geplant, wie alles in Köln. Aber ein echter Gewinn für die Stadt. Auch die Ostumgebung des Doms rechnet die Politik dem scheidenden Dezernenten hoch an. Und da sind wir schon bei dem Thema, das sich wie ein roter – besser gesagt grauer – Faden durch die fünfjährige Amtszeit von Franz-Josef Höing zieht: Beton. OK, der Tunnel zwischen Bahnhof und Philharmonie ist etwas heller als früher. Und das Baptisterium, das älteste christliche Taufbecken Kölns, ist auch endlich in Szene gesetzt.

 

Mehr ist dann da aber auch nicht. Nehmen wir als nächstes den Breslauer Platz, der nach Höings Worten das Antlitz der Stadt mitprägt, denn „hinter dem Bahnhof gibt es jetzt nicht mehr. Er hat zwei Vorderseiten.“ Mit einer völlig überdimensionierten Halle über der U-Bahn-Station, Springbrunnen, die meist nicht funktionieren und seit kurzem drei Sitzbänken direkt an der Straße. Eine Orgie in Beton. In Kürze wird der Kurt-Hackenberg-Platz umgebaut. Da sind dann sogar die Bänke aus Beton.

 

Überhaupt die Plätze. Der neue Chlodwigplatz ist gelungen. Da gibt es nix zu meckern. Aber was ist zum Beispiel mit dem Ebertplatz und dem Neumarkt? Verkehrsumtoste Flächen ohne Aufenthaltsqualität. Jetzt könnte man einwenden: Plätze konnte Köln noch nie. Unter Höing hat sich daran nichts geändert. (Foto: Bernd Arnold)

 

Schuld und Bühne: Das Opern-Debakel

 

Die Opernsanierung, das größte öffentliche Bauprojekt in der Ära Höing, ist selbst für Kölner Verhältnisse an Peinlichkeit nicht zu überbieten. Aber dank der ungeschickten Kulturdezernentin geriet der Baudezernent auf wundersame Weise nicht in die Schusslinie, obwohl er in allen Gremien saß, die die Sanierung eigentlich steuern sollten. Die Verantwortung für den Bau trägt die Kulturverwaltung, die nämlich eine eigene Bauabteilung hat. Klingt komisch, ist aber so.

 

Der dringend nötige Umbau der Gebäudewirtschaft ist unter Höing nicht vorangekommen. Die Oberbürgermeisterin selbst hat den Versuch kürzlich für vorerst gescheitert erklärt. Bei dem Bau von Schulen hinkt die Stadt mit Abstand dem Bedarf hinterher. Einzig der Archivneubau scheint momentan im Zeitplan. Das Publikum hatte sowieso den Eindruck, dass Franz-Josef Höing viel eher ein Planer als ein Realisierer war, viel näher dran am „Blitz des Entwurfs“ denn am „Donner der Baustelle“, wie er selbst gern sagte.

 

Der Deutzer Hafen, Mülheim Süd und Kalk sind Beispiele für neue Quartiere, die unter Höing geplant wurden und werden. Wie smart diese Viertel in einigen Jahren sein werden, wird sich zeigen. Bisher ist nicht abzusehen, dass dort Zukunft gebaut wird. Über begrünte Fassaden, autofreie Quartiere und so viel mehr hat man noch nicht im Detail gesprochen. Da hinterlässt der Dezernent noch eine Menge Arbeit.

 

Lob und Tadel für die Bürgerbeteiligung

 

Großes Lob aus der Politik erhielt der Dezernent für die Bürgerbeteiligung bei der Entwicklung der Parkstadt Süd. Bei mehreren großen Veranstaltungen wurde informiert. Auf einem „Ideenmarkt“ präsentierten zahlreiche Initiativen ihre Vorstellungen von der Parkstadt. Die Planer sollten diese Ideen berücksichtigen. Enttäuschung machte sich breit, als der von der Jury favorisierte Landschaftsplan für die Verlängerung des Inneren Grüngürtels vorgestellt wurde. Die Ideen der Bürger kamen nicht vor.

 

Der Entwurf für den Grüngürtel der Parkstadt Süd erscheint Vielen  doch arg rückwärtsgewandt: Bäume, Wiese, Bänke, Wege. Da waren Leute wie Fritz Encke und Konrad Adenauer bei der Einrichtung des Grüngürtels fortschrittschlicher. Adenauer konnte sich sogar ein Jugendzentrum im Grüngürtel vorstellen. Und ein Encke mit seinen Ideen vom „sozialen Grün“ hätte sicher mehr Bürgerengagement und damit mehr Verantwortung im öffentlichen Raum zugelassen.

 

Entschieden wird in Köln über solche Pläne, die ja einen erheblichen  Einfluss auf das Leben in der Stadt ausüben, letztlich weiter hinter verschlossenen Türen. Wenn es darauf ankam, hatten die Bürger auch unter Höing nix zu melden. Da wundert es nicht, dass der Verwaltung die jüngste Informationsveranstaltung zum Thema Grüngürtel am Eifelwall um die Ohren flog. Es hagelte Proteste besonders von Aktivisten des Autonomen Zentrums, weil die Öffentlichkeit wieder mal außen vor gelassen worden war. Die Planungen für das Grün rings um das neue Archiv sind vorerst gestoppt.

 

Kölner Baudezernent Franz-Josef Höing beim „Parkstat Süd“ Veranstaltung. (Foto: Dirk Gebhardt)

 

Überhaupt zeigte sich Höing wenig zugänglich für Themen wie zum Beispiel Urban Gardening. Während andere Kommunen entsprechenden Initiativen Flächen anbieten, hat der Kölner Baudezernent mit aller Macht verhindert, dass sich Bürger den öffentlichen Raum „aneignen“. Dabei kommt das Grünflächenamt, das auch zum Verantwortungsbereich des Dezernenten gehört, schon jetzt mit der Pflege des öffentlichen Grüns hinten und vorne nicht mehr nach. Und deshalb wäre es klug gewesen, Bürgerengagement zu fördern statt nach Kräften zu behindern.

 

Weiterhin zu wenige günstige Wohnungen

 

Unverändert ist auch die Lage auf dem Wohnungsmarkt. Weiterhin haben 50 Prozent der Kölner Anrecht auf einen Wohnberechtigungsschein, der Anteil der öffentlich geförderten Wohnungen in der Stadt liegt aber nur bei 6,8 Prozent, in der Innenstadt bei 2,3 Prozent. Im Jahr 2000 war das noch doppelt so viel. Die Zahl öffentlich geförderter Wohnungen ist seit 2000 in Köln um 27.000 gesunken, weil viele aus der sogenannten „Mietpreisbindung“ herausgefallen sind.

 

Das sogenannte „Kooperative Baulandmodell“, das der Rat 2013 eineinhalb Jahre nach dem Amtsantritt des Dezernenten auch auf dessen Initiative beschloss und das Bauherren unter anderem verpflichtet, 30 Prozent der Wohnungen in einem Neubauprojekt öffentlich gefördert zu bauen, erwies sich als Papiertiger. Ob eine verschärfte Version, die jetzt vorliegt, den Sozialwohnungsbau ankurbeln wird, bleibt abzuwarten.

 

Auch ist es dem Dezernenten nicht gelungen, die GAG beim Bau günstiger Wohnungen in die Pflicht zu nehmen. Wenn man hört, dass die Verlängerung des Inneren Grüngürtels aus den Erlösen von Grundstücksverkäufen in der Parkstadt Süd finanziert werden soll, deutet sich ein neues Eldorado für Investoren an. Über Konzepte wie die Vergabe von Grundstücken auf Erbpachtbasis hat man von Höing nichts gehört.

 

Verkehr aus dem Dezernat ausgegliedert

 

Aufgeatmet hat der Dezernent sicherlich, als das Thema Verkehr aus seinem Verantwortungsbereich ausgegliedert wurde. Mit dem an kaum einer Stelle zeitgemäßen Radwegenetz in der Stadt beispielsweise muss sich jetzt Verkehrsdezernentin Andrea Blome rumärgern. Und wir in der Südstadt warten weiter darauf, dass die Alteburger Straße, wie längst beschlossen, als Fahrradstraße ausgewiesen wird. Und dass wir auf der Nord-Süd-Fahrt eine Autospur mit den Rädern nutzen können. Ach, das wird schön. Irgendwann.

 

Gebraucht wird ein Macher, der vor allem Verwaltung kann

 

Jetzt sind wir aber erstmal gespannt, wer sich zutraut, als Baudezernent/in in Zukunft das Bild der Stadt zu prägen. Es kann besser werden. Aber wird jemand von Rang, der es kann, nach Köln kommen, um sich hier angesichts des Riesenwustes von Problemen seinen Ruf zu versauen? Brauchen wir in dieser Stadt im Moment eigentlich einen Stadtbaumeister klassischer Prägung, der Höing so gern sein wollte und den die Verwaltung dabei so zuverlässig im Stich ließ?

 

Einen, der wie Höing in beinahe poetischen Worten von Bauprojekten schwärmte wie jüngst im Haus der Architektur vom Umbau der Hahnentorburg am Rudolfplatz oder den geplanten Hochhäusern am Colonius. Angeschoben worden sind ja einige Projekte wie zum Beispiel das Neubauvorhaben am Deutzer Hafen.

 

Visualisierung des zukünftigen Deutzer Hafens. (Bild: Team Cobe)

 

Köln braucht jetzt an der Spitze der Bauverwaltung eher einen Macher, der die Gebäudewirtschaft von Grund auf reformiert. Einen, der in den Ämtern dafür sorgt, dass die Dinge zügiger bearbeitet werden. Einen, der vor allem von Verwaltung eine Menge versteht und auch noch von Architektur und Stadtplanung. Und nicht zuletzt einen, der den Verantwortungsbereich des Dezernates weiter verkleinert. Das Stadtgrün mit der Unteren Jagd- und Fischereibehörde sollte jemand anderes übernehmen. Das Baudezernat hat genug damit zu tun, endlich mehr zu bauen und die Stadt für 200.000 NeuKölner zu entwickeln, die in den nächsten Jahren erwartet werden.

 

Was Köln braucht, ist leicht zu formulieren: Günstige Wohnungen wie in Wien, Radwege wie in Kopenhagen und mutige Architektur wie in Rotterdam. Mögen in Zukunft in Hamburg die Entwürfe blitzen. In Köln müssen jetzt aber erstmal – vor allem im sozialen Wohnungsbau – die Baustellen donnern. „Eine Stadt, die nix will, kriegt auch nix“, hat Franz-Josef Höing nach seinem Amtsantritt im Interview mit „Meine Südstadt“ vor fünf Jahren gesagt. Köln hat „gekriegt“, keine Frage. Es hätte mehr sein können. Müssen.

Text: Stefan Rahmann

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