Wie die Küken in der Südstadt kamen
Montag, 19. April 2010 | Text: Gastbeitrag
Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten
Letztes Jahr sind wir in die Südstadt gezogen. Zuerst hat es Nassim und mir gar nicht gut gefallen. Sie ist meine Schwester. Der Anfang war ganz schlimm. Aber wir haben hier eine große Wohnung mit einem eigenen kleinen Garten. Da sind wir auf die Idee gekommen, dass wir gerne Hühner hätten. Nassim und mir haben die Wilden Hühner so gut gefallen, ihr wisst schon.
Ich wollte ein eigenes Huhn haben. Wir kennen Heinz schon lange, der auch hier im Haus wohnt. Er hat einen Hof in der Eifel, das ist der Zahrenhof. Als wir kleiner waren, sind wir ganz oft dahin gefahren. Heinz hat eine Menge Hühner, und wir wollten so gerne, dass er Nassim und mir zwei abgibt. Aber Heinz sagte, das geht nicht. Die machen überall hin. Das stimmt, auf dem Zahrenhof kann man auch nicht barfuß auf die Wiese. Oder man steht eben drin. Und unser Garten ist so klein außerdem gackern die, wenn sie Eier legen. Und immer wenn sie aufgeregt sind. Ein Hahn ginge gar nicht, der würde uns alle immer aus dem Bett krähen.
Erst waren wir sauer und wollten das gar nicht einsehen. Aber da war nichts zu machen. Unsere Mutter machte nicht mit. Dann hatte Heinz eine Idee. Er holte von den Eifelnachbarn den Brutkasten. Da passen fünfzehn Eier rein. Er sagte, wir könnten brüten und eine Weile Küken haben, bis sie größer sind und dann kommen sie zum Zahrenhof. Und wir können sie da besuchen und auch wieder brüten. Denn die Hühner sind tagsüber draußen und wenn keiner aufpasst, kommt der Fuchs oder der Bussard und holt sich eins. Vorletzten Sommer hat der Fuchs fast dreißig Hühner geklaut. Aber man darf ihm nicht wirklich böse sein, denn der hatte Babies und die hatten auch Hunger.
Naja, wir haben also gebrütet, da liegen die Eier in dem warmen Kasten. Sie müssen morgens und abends gedreht werden. Nach einer Woche kann man mit einer Taschenlampe in die Eier leuchten und sehen, ob sie befruchtet sind. Da ist dann so ein schwarzer Punkt drin. Wir haben öfter mal geguckt. Wenn die Küken im Ei größer werden, sieht man manchmal, wie sie sich bewegen oder man erkennt eine Flügelspitze oder so. Nach 21 Tagen schlüpfen sie. Das war total spannend. Man hört sie von innen piepsen und klopfen.
Und dann geht es los, sie picken sich durch. Wir waren ganz aufgeregt, als das erste da war. Es sieht ganz schwach und hässlich aus, weil es noch nass ist. Aber nach zwei Stunden ist es im Brutkasten trocken geföhnt. Dann sieht es flauschig und hübsch aus und kann ins Gehege unter die Wärmelampe. Wir haben uns so gefreut über die Küken. Dann fand Mama, dass auch andere Freude dran haben können und hat die Wohnkiste der Küken in ihr Schaufenster gestellt. Meine Mutter hat nämlich einen Laden neben dem Sette Bello. Und es war so, immer haben ganz viele Leute geguckt. Sie fanden es toll, dass sie die Küken auch sehen durften. Wir hatten immer eine ganz verschmierte Scheibe, weil alle, die Eis gegessen haben, auch die Küken anguckten.
Meine Mutter hat die Küken jetzt als Zeichen, sowas heißt Logo. Für ihr Geschäft. Aber sie handelt nicht mit Hühnern. Sie betreut Menschen. Bisschen komisch. Aber die Menschen, die sie betreut, mögen die Küken auch sehr gerne und sie wissen, warum Mama ausgerechnet dieses Logo wollte.
Dieses Jahr brüten wir wieder. Das wollen wir jetzt jedes Jahr machen. Einmal sind schon welche geschlüpft. Genau rechtzeitig vor den Osterferien. Uli in unserem Haus ist Architektin. Sie macht AGs an der Grundschule Mainzer Straße. Richtig heißt das AG für Modellbau und Architektur. Zora ist auch drin. Ihre Mutter hat für Mama das Küken entworfen. Uli hat mit ihren AGs ein Kükenhaus ausgedacht. Die Kinder haben das gebaut. Das steht jetzt in unserem Fenster. Sie haben kleine Fellküken gebastelt und wichtige Dinge wie einen Futtertog, einen Schrank, einen Tisch . Eben alles, wovon sie dachten, dass Küken das gut brauchen können.
Das Haus ist sehr gemütlich geworden, die Küken haben sich sehr wohl gefühlt. Die AG Kinder haben uns dann auch besucht. Und Nassims Klasse war da. Sie geht ja jetzt auf die Gesamtschule in Rodenkirchen. Dahin gehen viele aus der Südstadt. Mama hatte Nassims ganze Klasse eingeladen. Wir haben das Brüten extra so ausgerechnet, dass die Küken schon da sind, wenn die Kinder zu Besuch kommen. Aber dann ist eine Panne passiert, weil wir zwei Sorten Eier hatten und zwei Brutkästen und Mama sich mit dem Ferienbeginn vertan hatte.
Wir haben ganz schön gezittert dass alles klappt. Aber das tollste war, dass immer noch welche nachschlüpften und dann konnten die Kinder auch am Ei horchen, wie die Küken von innen gepickt haben oder sehen, dass am durchgepickten Rand schon ein Schnabel durchkam. Nassim war ganz stolz, weil sie sich ja auskannte und ihren Klassenkameradinnen alles erklären und zeigen konnte. Auch ihre Lehrerinnen haben mal ein Küken in die Hand genommen. Da kann man ja auch nicht anders. Salvatore vom Sette Bello will jetzt Küken-Eis machen, aber schade, die Idee hatte er erst als die Küken schon weg waren.
Aber die gute Nachricht ist: die nächsten Bruteier kommen jetzt bald. Und dann brüten wir wieder. Wir machen auch wieder einen Zettel ins Schaufenster, damit ihr Bescheid wisst. Und wenn das Küken-Eis schmeckt, kann Salvatore das ja auch machen, wenn keine Küken mehr da sind.
Wenn die Küken zwei Wochen alt sind, werden sie zu groß für unser Kükenhaus. Dann ziehen sie um zum Zahrenhof in der Eifel. Wenn ihr mal gucken wollt wie es da aussieht, könnt ihr das im Internet unter www.zahrenhof.de . Ihr könnt sogar mal zu Besuch dahin. Da ist es toll, ganz viel Wiesen und Wald und Norbert nimmt euch sicher mal auf dem Mähdrescher oder auf dem Traktor mit. Ihr könnt bei Heinz im Backhaus wohnen, das ist www.eifelbackhaus.de. Ihr könnt auch nebenan ein Zimmer bei Norbert mieten, aber da weiß ich die Internetadresse nicht. Fragt einfach Heinz, den könnt ihr anmailen über die Zahrenhofseite.
Das ist unser Tiger-Huhn.
Jetzt wisst ihr, warum es in der Südstadt Küken gibt.
Daria, 12
Dir gefällt unsere Arbeit?
meinesuedstadt.de finanziert sich durch Partnerprofile und Werbung. Beide Einnahmequellen sind in den letzten Monaten stark zurückgegangen.
Solltest Du unsere unabhängige Berichterstattung schätzen, kannst Du uns mit einer kleinen Spende unterstützen.
Paypal - danke@meinesuedstadt.de
Artikel kommentieren