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Umwelt Verkehr

Bürger auf der Palme

Donnerstag, 19. Oktober 2017 | Text: Judith Levold | Bild: Stefan Rahmann

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Eins steht fest: am 19. Oktober sägte die Säge nicht, denn die Baumfällarbeiten in Vorbereitung des Baus der 3. Stufe Nord-Süd Stadtbahn wurden „massiv durch Personen behindert“ wie die Stadt mitteilt. Und weiter bekannt gibt: „Eine Durchführung der Arbeiten wäre unter diesen Umständen am heutigen Tage nur mit einer Vollsperrung der Bonner Straße möglich gewesen. Die Arbeiten werden fortgesetzt.“

Fällarbeiten-Testtag?

Wer am frühen Morgen dieses Donnerstags an der Bonner Straße 292 stand, dem konnte das Geschehen schon wie eine kleine Inszenierung, ein gesteuertes Kräftemessen vorkommen. Zwar wurden die im abgesperrten Bereich widerrechtlich parkenden Fahrzeuge knallhart abgeschleppt, das Ordnungsamt war in gefühlter Hundertschaftstärke zugegen und der Dienstleister zum Bäumefällen mit seinem beeindruckenden Wood-Craft sowie Motorsägen vor Ort – dennoch, die Maschinen schienen wie vergleichsweise kleines Gerät und die wegen der Proteste hinzu gekommenen Polizeikräfte waren absolut moderat und defensiv und räumten die Fläche trotz mehrmaliger Aufforderung an die Protestierenden, die Straßenseite zu wechseln sowie derer Nichtbeachtung, nicht.

Die BürgerInnen des Bündnisses 300baeume.de, dem verschiedene Initiativen angehören, hatten sich, verstärkt von Passanten und AnwohnerInnen, dicht rund um das erste designierte Baum-Opfer gesammelt und ihre Meinung lautstark geäußert, mit Klaus dem Geiger fetzige Lieder skandiert und die geplanten Fällarbeiten so blockiert – für diesen Tag seitens der Stadt wohl hinzunehmen, wie am Einsatz der Ordnungskräfte abzulesen war. Als ob mal getestet werden sollte, was die BürgerInnen so an den Start bringen.

Action bei Maßnahmenbeginn – das Stuttgart21-Phänomen

Und sie kommen spät, aber sie kommen, die BürgerInnen – mit ihrer Mobilisierung Jahre nach der eigentlichen Phase für die Bürgerbeteiligung in diesem Großprojekt, aber auch am Tag X selbst, als der erste Baum fallen soll. Denn ihre angemeldete Demo war für einen Standort deutlich weiter südlich auf der Bonner Straße genehmigt worden, Ort des Geschehens aber ist der Straßenabschnitt gegenüber der Einmündung Cäsarstraße. Und so musste erst mal telefoniert und die Kundgebung offiziell aufgelöst werden, um dann als „Spaziergänger“ den wirklichen Einsatzort besuchen zu können.

 

 

„Ohne Bäume, keine Luft, ohne Luft, kein Leben“ sangen die Baumschützer, eine junge Frau erklärte einem WDR-Kollegen, sie fühle sich von der Stadtverwaltung „verarscht“, es sei uneinsehbar, warum nicht wirklich jede noch so kleinste Möglichkeit zu einer Planung der Bahn unter Erhalt der Bäume aufgegriffen werde, weil einfach prioritär. Ottmar Lattorf, NABIS e.V.-Chef und Sprecher des Bündnisses erläuterte die Qualitäten der Alternativplanung, die das Bündnis vorgelegt und die Stadt in einem Moratorium zu prüfen gebeten hatte: Unter anderem ein breiterer Grünstreifen auf der Bahntrasse, die Rettung fast aller Bäume, die Fahrspuren stadtauswärts getrennt in eine für Anlieger und eine als direkten Autobahnzubringer.

Man habe das intensiv und unvoreingenommen durch die Fachämter der Verwaltung prüfen lassen, erklärte Gerd Neweling, Leiter des Amtes für Brücken, Tunnel und Stadtbahnbau der Presse tags zuvor. Doch „es muss bei der von der Stadt planfestgestellten Variante bleiben“, wie er sagte, denn die Abweichungen dieser „baumerhaltenden“ Planung gegenüber der städtischen sei zu groß und sie wiese entscheidende Mängel auf. Wie etwa eine verminderte Fahrspurbreite und Verluste an Parkraum (weniger Platz für Autos, Anm. der Redaktion) sowie die Notwendigkeit eines neuen Planfeststellungsverfahrens – dies jedoch werfe einen um Jahre zurück, wie Verkehrsdezernentin Andrea Blome anmerkte. Dem „Umsetzungsstau in Köln“ -an Planung und Ideen mangele es nicht- müsse mal ein Ende gesetzt und jetzt losgelegt werden.

Das sei falsch, finden die Baumschützer. „Es gibt gar nicht diesen Zeitdruck“ sagt dazu Ottmar Lattorf, „die Fördergelder, die die Stadt von Land und Bund bekommen will, bilden nur einen kleinen Teil der gesamten Projektsumme und die Fördergesetze werden auch fortgeschrieben, das Geld kriegt man also auch bei späterem Baubeginn.“ Will heißen: Die Vorzüge der Alternativ-Planung weiter zu entwickeln und möglicherweise mit den in manchen Details besseren der städtischen Planung zu kombinieren – dazu sei Zeit nötig und die habe man durchaus. „Die Bahn selbst wird ja eh erst dann wirklich nutzbar sein, wenn die Durchbindung bis in die Innenstadt fertig ist.“, wirft eine Architektin unter den Protestlern ein. „Und das kann ja noch ewig dauern. Das Loch des eingestürzten Stadtarchivs wurde ja damals tagelang mit Beton vollgekippt, ohne Armierung, das ist wie ein Fels, da muss ja erstmal eine neues Stück Tunnelröhre irgendwie reingefräst werden – das weiß noch kein Mensch, wie und bis wann das gemacht sein wird.“ ergänzt sie.

Beschlüsse: Nicht in Stein gemeißelt

Einen Ratsbeschluss rückgängig machen? Es wäre nicht das erste Mal in Köln, auch für den Erhalt bzw. die Sanierung des Schauspielhauses und gegen dessen Abriss wurde seinerzeit ein Ratsbeschluss gekippt, Motto: das Bessere ist der Feind des Guten und kaum was ist in Stein gemeißelt. Doch ob die bürgerinitiierte Planung im Fall der 3. Baustufe Nord-Süd Stadtbahn tatsächlich besser ist – daran scheiden sich eben die Geister.

 

BürgerInnen sind entschlossen die mächtigen alten Bäume zu schützen.

 

Im Pressegespräch betonte jedenfalls die Verwaltung, durch die „Nichtbeachtung von verkehrsplanerischen Vorschriften und Notwendigkeiten“ werde erkennbar, dass sich die Bürgerinitiative „nur oberflächlich mit der Gesamttiefe des umfangreichen, innerstädtischen Infrastrukturprojektes auseinandergesetzt“ habe. Viele BürgerInnen sehen das anders und wollen einfach auf andere Prioritäten bestehen, nämlich den Baum- und damit Klimaschutz. Ein Thema, dem eigentlich auch die Stadtverwaltung unbedingt verpflichtet ist, will sie Köln im selbst postulierten Nachhaltigkeits- und Klimaprozess nach vorne bringen und beispielsweise Klagen der Deutschen Umwelthilfe gegen die Stickstoff- und Feinstaubbelastung abwehren.

Die zornigen, aber sehr konstruktiven BürgerInnen sind jedenfalls entschlossen, auch in den kommenden drei für die Arbeiten geplanten Wochen weiter die mächtigen alten Bäume mit dem jahrzehntelang gewachsenen Blattvolumen zu schützen. Zwei junge Frauen sitzen bereits seit der Vormittags-Kundgebung festgeschnallt in der Baumkrone – man munkelt, sie brächten Erfahrung aus dem Hambacher Forst mit.

 

 

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Text: Judith Levold

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