Glückwunsch, „Südstadt-Zeitung“!
Dienstag, 4. Mai 2010 | Text: Betsy de Torres
Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten
Die Kölner Südstadt-Zeitung ist fünf Jahre alt geworden. Herzlichen Glückwunsch! Wie, Sie kennen die Zeitung nicht? Sollten Sie aber, denn sie ist 100% Südstadt. Der Redaktionssitz befindet sich im dritten Stock eines Mehrfamilienhauses gegenüber des Friedensparks, genau gesagt im Jugendzimmer von Wassily Nemitz. Der 17-Jährige teilt sich das Zimmer mit mehreren Meerschweinchen und einer ganzen Stadt mit Modelleisenbahn. In einer Ecke stehen die Computer, und dort ist die Zentrale der Kölner Südstadt-Zeitung, kurz KSZ. MEINE SÜDSTADT-Reporterin Betsy de Torres sprach mit Wassily Nemitz und seinem Redaktionskollegen Maxime Kaspers.
MEINE SÜDSTADT: Wassily, wie kamst du als damals 12-Jähriger 2005 auf die Idee, eine Zeitung zu gründen?
Wassily Nemitz: Früher hatte ich ein großes Faible für Bahnen. 2002, mit 9 Jahren gründete ich mir ein fiktives Verkehrsunternehmen und schrieb Kunden- Zeitschriften dafür. Das wurde mir aber zu langweilig, Ich dachte mir, ich mache was Richtiges! Ich schreibe über das was wirklich in der Südstadt passiert!
MEINE SÜDSTADT: Wie sah deine erste Ausgabe aus ?
Wassily Nemitz: Meine erste Ausgabe waren 2 DIN A-4 Blätter mit je zwei Schlagzeilen Kanalarbeiten am Oberländerwall beendet“ und Call a bike, Bahnfahrräder wieder da. Ich fand Fahrräder immer faszinierend. Das Ganze in einer unglaublichen Auflage von zwei Exemplaren! Meine Oma hat’s gelesen.
Bis zur Ausgabe 16, die im August 2006 erschienen ist, wurden alle Zeitungen in DIN A-4 Format veröffentlicht.
MEINE SÜDSTADT: Wolltest Du immer schreiben?
Wassily Nemitz: Ob ich immer schreiben wollte, weiß ich nicht. Wir haben im Park Fußball gespielt…
Maxime Kaspers: Spielen wir immer noch.
Wassily: Ich bin auch Kanu gefahren, es war nicht so, dass ich die Zeitung gemacht habe, weil ich nichts zu tun hatte.
MEINE SÜDSTADT: Wie ist die Zeitung angekommen?
W.N.: Irgendwann haben die Leute angefangen sich für die Zeitung zu interessieren, bei der Verwandtschaft sprach sich das herum. Später haben die Nachbarn von Verwandten und…
M.K.:
Freunde von den Verwandten…
W.N.: …und Freunde von den Nachbarn der Verwandten Interesse gezeigt, und irgendwann hatten wir nicht nur Leser, die wir kannten.
MEINE SÜDSTADT: Was hat sich an der Aufmachung verändert?
W.N.: Ab 2006 begannen wir mit dem „Bild des Monats“ und machten Interviews zu Themen wie zum Beispiel über den Abriss der Dombrauerei. Ich gab mich am Anfang als interessierter Bürger aus und konnte tatsächlich mit Leuten sprechen und habe darüber berichtet. Trotzdem gab es damals noch viel zu verbessern. Die Zeitungsränder waren unglaublich breit, es gab Formatierungsfehler und unsere erste Beschwerde. 2007 hatten wir eine Rubrik namens Düsseldorf-Witz des Monats! Der damalige Witz war: Wenn man eine Brücke baut, muss man testen, ob sie hält. Man schiebt ein tausend Düsseldorf drüber; wenn die Brücke hält, ist das Werk gut, wenn nicht, ist das ein gutes Werk! Ganz schön böse. Wir haben sie abgeschafft.
MEINE SÜDSTADT: Wie hast du dein Team zusammengestellt?
W.N.: Ich weiß noch genau wie du (Maxime, Anm.d. Redaktion) dazugekommen bist. Wir waren im Physik- Unterricht, und es war sehr langweilig.
M.K.: Physik-Unterricht ist immer langweilig!
W.N.: Ich hatte meinen Ordner mit der Zeitung dabei. Du fandest es interessant, also sagte ich: Schreib doch einfach mal mit! Mit der Zeit vergrößerte sich das Redaktionteam, insgesamt gibt es jetzt vier Redakteure.
MEINE SÜDSTADT: Ab wann wurde deiner Meinung nach die Zeitung journalistischer? Und für wen schreibt ihr überhaupt?
W.N.: Ab 2008 konnte man uns ernst nehmen.
M.K. (schmunzelnd): Da bin ich dazu gekommen.
W.N.: Ich kenne keine Zeitung, die von Jugendlichen gemacht wird, von Schülern und trotzdem nicht eins auf Schülerzeitung macht. Wir erwähnen am Rande, dass wir Schüler sind, aber wir schreiben für alle!
MEINE SÜDSTADT: Ihr geht in die 11. Klasse der Kaiserin-Augusta- Schule am Georgsplatz, unmittelbar in der Nähe des ehemaligen Kölner Stadtarchivs. 2009 ist das Stadtarchiv eingestürzt. Wo wart ihr an dem Tag, als das Archiv eingestürzte?
W.N.: Ich war selber in der Schule. Ich bin Mitglied bei Amnesty- International und wir hatten ein Treffen. Nach dem Ende des Unterrichts und vor dem Beginn des Treffens lief ich zur Bäckerei an der Severinsstraße. Ich ging am Stadtarchiv vorbei, wieder zurück, und dann sah ich eine Wolke aus Staub, Aufregung…
M.K.: Ich war um die Ecke am Polizeipräsidium. Habe eine Staubwolke gesehen und die Erschütterung gespürt. Das kam mir sehr komisch vor, aber ich bin weiter gegangen, und dann kam schon die Polizei.
MEINE SÜDSTADT: Wie habt ihr den Archiveinsturz thematisiert?
M.K.: Wir teilten uns auf und schrieben verschiedene Artikel darüber. Ich berichtete über die Ursache und wie das passieren konnte. Ich habe viel recherchiert. Die Grafik zum Artikel habe ich auch selbst designed.
W.N.: Thomas Zittlau war auf der Unfallstelle und hat fotografiert. Ich schrieb Ein fast normaler Dienstag“, wo ich berichtete, was ich an dem Tag gemacht habe. Es gab mehrere Berichte über den Archiveinsturz, die möglichen Ursachen, was jetzt passieren wird, über die Situation von den Anwohnern und den Schulen. Da haben wir wirklich schnell gearbeitet. Ich habe keine Ausgabe mehr, sie war sehr beliebt.
MEINE SÜDSTADT: Was ist euer Zeitungsziel? Wieviel Zeit steckt in einer Ausgabe?
W.N.: Wir wollen informieren. Wir arbeiten nicht kommerziell. Wir arbeiten kostendeckend. Ich glaube zwei bis sechs Cent pro Ausgabe bleiben übrig. Reine Produktionskosten sind abgedeckt, aber unsere Zeit wird nicht bezahlt. Im Endeffekt machen wir den ganzen Verwaltungsmist alleine. Es ist schon manchmal schwierig. Entweder bleibt dann zeitweise die Verwaltung auf der Strecke oder die Artikel bleiben auf der Strecke. Alleine das ganze Design, es ist natürlich alles verbesserungswürdig, aber das nimmt schon sehr viel Zeit in Anspruch. Also, in Stunden: Alle Mitarbeiter zusammen arbeiten um die 20 Stunden für eine Ausgabe, inklusive Druck und Verteilung.
MEINE SÜDSTADT: Wo kann man die Kölner-Südstadt-Zeitung kaufen?
W.N.: Man kann die Zeitung abonnieren, oder man kann sie an den insgesamt 12 Verkaufsstellen für 0,55 in der Südstadt kaufen wie z.B. bei
Stadtrad auf der Bonner Straße. Alle, die abonniert haben, bekommen sie entweder per Post oder sie wohnen in der Südstadt, dann fahre ich selbst mit dem Fahrrad vorbei und schmeiß sie rein.
MEINE SÜDSTADT: Deine Generation macht vieles im Internet, wird die Kölner-Südstadt-Zeitung irgendwann online erscheinen?
W.N.: Kein Internet! Ich finde, es gibt sehr viele Vorteile im Internet. Es gibt aber auch Nachteile. Im Internet kann man nicht so ausführlich berichten wie bei einem Printmedium. Außerdem haben wir mit www.meinesüdstadt.de die ideale Ergänzung zur Kölner Südstadt-Zeitung. Sie bringen aktuelle News und Artikel. Wir als Zeitung berichten dafür mehr über Hintergründe.
MEINE SÜDSTADT: Wie sieht die Zukunft der Kölner Südstadt-Zeitung aus?
W.N.: Was ich mir vorstellen könnte ist, dass wir genau wie es immer beim Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr verkündet wird, eine Übergabe in Verantwortung machen. Wir nehmen junge, talentierte Leute aus der Südstadt und sagen: Hier ist die Südstadt-Zeitung. Wir gehen jetzt zum Beispiel nach Burkina Faso, wollt ihr nicht unsere Zeitung übernehmen? In einem Jahr sollten wir damit anfangen, Nachwuchs zu werben. Es wäre schade wenn…
M.K: ….sie (die Zeitung, Anm. d. Redaktion) verloren geht!
Aus der Kooperation mit KSZ erschien noch: „Leichen ohne Mörder“
Kölner Südstadt Zeitung
Text: Betsy de Torres
Veröffentlich in Gesellschaft Kultur
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