Von Kinder-Besser-Wissern und anderen Schmalzfliegen
Sonntag, 21. November 2010 | Text: Kathrin Rindfleisch
Geschätzte Lesezeit: 2 Minuten
Neulich war Smilla krank. Ihr ging es so schlecht, dass beinah der Notarzt kommen musste. So die Einschätzung eines Bekannten, der nicht schnell den Notarzt ruft.
Und Fieber hatte das Kind auch noch. Wusste nicht das Fieberthermometer, sondern Zweitmama Alex, im händischen Fiebermessen weit über die Grenzen von Nippes hinaus bekannt.
Neulich war Smilla krank. Ihr ging es so schlecht, dass beinah der Notarzt kommen musste. So die Einschätzung eines Bekannten, der nicht schnell den Notarzt ruft.
Und Fieber hatte das Kind auch noch. Wusste nicht das Fieberthermometer, sondern Zweitmama Alex, im händischen Fiebermessen weit über die Grenzen von Nippes hinaus bekannt.
Ich denk noch Ohrenschmerzen sind doof, na klar, warmes Köpfchen auch nicht schön, aber Notarzt? Bin ich hysterisch, oder was?! Bin ich nicht und deshalb schnapp ich mir Malädchen, fahr mit ihr nach Haus und les mit ihr ein Buch. Mutter Kathrin, als Wunderheilerin weit über die Grenzen der Südstadt hinaus bekannt, liest zwei Seiten, macht was Quatsch und schon springt Ex-Notarzt-Kandidatin Smilla, eben noch dem Tod von der Schippe, jetzt von der Couch auf den Tisch und von dort mit Schwung auf den Teppich.
Und ich denk Wow, wie gut, dass ich nicht hysterisch bin, wär auch nur wieder verschwendete Energie gewesen. Wo ich die doch jetzt so nötig brauche, zwischen Fang-mich-doch und Scheckig-Kitzeln.
Gut gemeinte Ratschläge, das Wissen darum, was das Beste für ein Kind ist, Menschen, die einem – bevorzugt ungefragt – ihre Tipps zu Kindergesundheit, Kinderpflege oder Kindererziehung angedeihen lassen, gehören zu einem der unzähligen Phänomene die quasi durch den selben Geburtskanal auf die Welt kommen wie das Kind. Sozusagen gleichzeitig. Und von da an ständige Begleiter sind. So wie Schmalzfliegen Marmeladenbrote begleiten. Oder Achselschweiß die heißen Tage.
Ich verstehe bis heute nicht, welch übergeordnete Instanz diese lästigen Zeitgenossen eigentlich dazu befähigen, ihren selbstverständlich gut gemeinten Ratschläge abzugeben? Ich meine, über die optimale Größe meines Tampons spricht doch auch keiner mit mir. Nicht, dass ich das bedauern würde, nur hätte theoretisch doch mindestens die Hälfte der Bevölkerung da ganz schön mit zu schwatzen, rein erfahrungstechnisch mein ich. Oder mein, sagen wir mal, undefiniertes Verhältnis zum Sport. Sport gibt es, ja. Aber nicht in meinem Leben. Aber kommt da etwa jemand, der mir gerade noch erzählt, wie wichtig es für Smilla und Paul ist, draußen zu spielen, und fügt hinzu Ja, und mit 33 sollte man wirklich Sport treiben, damit`s mit 44 nicht überall hängt?! Da kommt nämlich keiner! Aber mir anhören dürfen, dass Kinder Danke sagen sollen und eine Mütze brauchen, da Schnupfen droht. Auch immer wieder sehr beliebt: Och, dat arme Mäuschen! Dat hustet abber! Das Versagergefühl, dass ich in diesem Moment empfinde bei dem Gedanken an all die ungetragenen Mützen, die mir bewussten ewig nackten Füße auf kaltem Boden und die absolut fahrlässige Globuli-Behandlung dieser Todeskrankheit, bringt dieser Satz automatisch mit. Ganz schön praktisch, so ein Satz, alles drin. Ich hasse ihn.
Ich stelle zu meiner Beruhigung fest, dass nach drei Jahren die netten Schmalzfliegen zwar nicht weniger werden, ich aber in meiner Mutteridentität (ja, auch Mütter haben Identitäten!) klarer werde. Und selbstbewusster. Kann schließlich nicht alles so falsch sein, was ich bisher für meine Tochter entschieden habe. Hat sich bisher ganz dufte entwickelt, die Kleene. Keine nennenswerten Katastrophen, Krankheiten, die nicht mit viel Kuscheln und ein paar Kügelchen zu rocken waren, ja, und sogar Danke sagt sie, wenn `ne Wohlmeinende an der Kasse Zuckerklümpchen verteilt. Übrigens, ganz interessant: Zucker, und da ist man nicht differenziert, ob nun im Lolli, im Schokoweckchen oder im Pudding mit Sahne, Zucker steht seltsamer weise nie am Pranger der Kinder-Besser-Wisser. Das soll ich nicht so eng sehen. Sind doch noch alle groß geworden. Eben.
Kommentar:
Liebe Kathrin,
HERVORRAGEND!!!
Deine heutige Kolumne spricht mir aus dem Herzen!
In einem muss ich dir aber widersprechen:
Diese gut gemeinten Tipps kommen nicht mit dem Kind auf die Welt…nein, sie fangen ziemlich genau in dem Moment an, in dem man sein Schwangersein „öffentlich“ gemacht hat!
Dir gefällt unsere Arbeit?
meinesuedstadt.de finanziert sich durch Partnerprofile und Werbung. Beide Einnahmequellen sind in den letzten Monaten stark zurückgegangen.
Solltest Du unsere unabhängige Berichterstattung schätzen, kannst Du uns mit einer kleinen Spende unterstützen.
Paypal - danke@meinesuedstadt.de
Artikel kommentieren