Ausgepiept!
Mittwoch, 5. Oktober 2011 | Text: be süd
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Er ist weg. Von einem Tag auf den anderen. Still (unüblich) und heimlich hat er sich von mir verabschiedet. Es gab weder „Drama, Baby“ noch Tränen. Nichts dergleichen, auf einmal war alles aus und vorbei.
Wir haben uns nie wirklich gemocht, es war eine Zweckgemeinschaft. Es war eine Hassliebe, die uns verband. Ok, mehr Hass als Liebe. Ich brauchte ihn und hasste ihn dafür.
Er ist weg. Von einem Tag auf den anderen. Still (unüblich) und heimlich hat er sich von mir verabschiedet. Es gab weder „Drama, Baby“ noch Tränen. Nichts dergleichen, auf einmal war alles aus und vorbei.
Wir haben uns nie wirklich gemocht, es war eine Zweckgemeinschaft. Es war eine Hassliebe, die uns verband. Ok, mehr Hass als Liebe. Ich brauchte ihn und hasste ihn dafür.
Als ich ihn gestern Abend in der Hand hielt, hat er vor meinen Augen den Geist aufgegeben. Darf man sich in so einer Situation freuen? Yeah! Er ist endlich weg! Wie ein Fußballspieler, der gerade ein Tor geschossen hat, führte ich meinen ganz besonderen „Der Wecker ist weg“-Siegestanz auf. Ich habe mich wirklich gefreut Dann, auf einmal, setzte die Grübelei ein. Wie soll ich Morgenmuffel es schaffen, rechtszeitig aufzustehen ohne meinen geliebten Wecker? (Habe ich das wirklich gesagt? In diesem Moment,(aber nur ganz kurz) vermisste ich ihn sehr. Seine schlichte Art, sein Leuchten, sein penetranter Ton, seine Unnachgiebigkeit! Er konnte nichts dafür, dass wir uns nicht verstanden.
Morgens verstehe ich gar nichts. Er tat bloß seinen Job und weckte mich. Jetzt ist er (schnief) weg, im Weckerhimmel. Ich habe mir meine Wecker-Terror-Befreiung irgendwie schöner vorgestellt. Ich vermisse tatsächlich sein peep, peep, peep! Warum müssen wir etwas verlieren, um es schätzen zu können?
Ich vermisse zum Beispiel immer noch die Stunde, die mir bei der Sommerzeitumstellung weggenommen wurde. Erstaunlich auch: Solange die Büsche und Bäume im Park standen, beachtete ich sie nicht. Jetzt, wo sie radikal weggeschnitten sind, weiß ich erst, wie wichtig sie waren! Und: Wieso müssen so viele wegziehen, auf der Suche nach Ruhe und Natur, um dann ein halbes Jahr später in der Südstadt eine Wohnung zu suchen, inklusive städtischer Geräuschkulisse?
Oft erkennt man den Wert eine Sache erst dann, wenn man sie nicht mehr hat. So geht es mir zum Beispiel mit dem Himmelblick auf der Alteburger Straße. Als die Ubier-Garage noch stand, konnte man viel Himmel sehen (nicht, dass ich bewusst geschaut hätte). Jetzt, nach dem Bau der „Südstadt Flair Wohnungen“, ist es mir plötzlich eng auf der Straße. Es gibt weniger Licht und leider auch weniger Himmel zu sehen. Schade!
Ich vermisse die netten, verrückten Künstler und Musiker, die irgendwann den besser Verdienenden weichen mussten. Das Rautenstrauch-Joest-Museum (ich fand es sehr cool, dass die Südstadt ein eigenes Museum hatte). Die kleine Kunstgalerie im Bürgerhaus Stollwerck, letztes Jahr fand dort die letzte Ausstellung statt…
Wer erinnerst sich noch an die Uhr, die mitten auf dem Chlodwigplatz stand? Ich ertappe mich immer noch dabei, wie ich sie suche. Im Sommer habe ich die Sonne vermisst (wir alle) und bald, im Winter, werde ich die Blätter vermissen.
Damit kann ich mich arrangieren, denn sie werden schon wiederkommen. Bevor ich was verlieren muss, um es zu schätzen zu können, habe ich mir vorgenommen, zu schätzen was wir haben.
Trommelwirbel! Was möchte ich nicht vermissen? Hmm, mal überlegen. Das Geräusch der Süd-Bahn (es beruhigt mich). Das Früh em Veedel (Tradition), die ehrwürdigste und meines Erachtens, schönste Fachhochschule (Corneliusstraße). Den Bauspielplatz (Kinderidyll mitten in der Stadt), kölsche Krätzchen im Vrings Viertel. Die Festivals im Park „Come together“ (werde ich dieses Jahr sehr vermissen!), Theater am Adler, Musik in den Häusern, die Orangerie, Haus Balchem, die Bäume auf der Rheinuferstraße, das Odeon.
Aber vor allem möchte ich auf eins niemals verzichten und zwar auf die Eigeninitiative der Südstädter, seien es spontane Grill Partys, oder „Public viewings“ im Park, Musik auf dem Plätzchen, oder das neue Projekt „NeuLand“ auf der alten Brache…
Was meinen Sie? Was möchten Sie hier im Viertel auf gar keinen Fall vermissen? Für uns heißt es, aufzupassen, dass unsere Schmuckstücke erhalten bleiben (Haus Balchem, Baui, Orangerie), und wachsam beobachten, was hier im Viertel abgeht. Aber wie soll ich das denn bitteschön machen – ohne meinen Wecker!
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