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Kolumne

Eigentlich oder der Unzufriedenheit Auflösung

Sonntag, 29. Januar 2012 | Text: Kathrin Rindfleisch

Geschätzte Lesezeit: 2 Minuten

Ich hab‘ das mal genau beobachtet, und ich glaube, es hat System. Immer, wenn ich gefragt werde, was ich so mache, sage ich: „Dies. Aber eigentlich mach ich am liebsten das.“ Eigentlich. Das ist wohl der Inbegriff nicht gelebter Träume. War ich bisher der Meinung, doch ein ganz gutes Leben zu führen, fallen mir meine Eigentlichs plötzlich wie Schuppen von den Augen: „Eigentlich wollte ich immer Journalismus studieren“, „Meine Wohnung ist ganz schön, obwohl ich eigentlich gerne in einem Altbau wohnte“, „Ich wollte eigentlich ja mit Yoga anfangen“, „Single sein ist spannend, aber eigentlich verliebte ich mich gerne mal wieder richtig.“ Führe ich ein Leben, dass ich so eigentlich gar nicht will? Und, bin ich die Einzige, die eigentlich ganz anders will? Und wenn nein, was hält uns eigentlich davon ab, das zu tun, was wir eigentlich wollen?

Ich hab‘ das mal genau beobachtet, und ich glaube, es hat System. Immer, wenn ich gefragt werde, was ich so mache, sage ich: „Dies. Aber eigentlich mach ich am liebsten das.“ Eigentlich. Das ist wohl der Inbegriff nicht gelebter Träume. War ich bisher der Meinung, doch ein ganz gutes Leben zu führen, fallen mir meine Eigentlichs plötzlich wie Schuppen von den Augen: „Eigentlich wollte ich immer Journalismus studieren“, „Meine Wohnung ist ganz schön, obwohl ich eigentlich gerne in einem Altbau wohnte“, „Ich wollte eigentlich ja mit Yoga anfangen“, „Single sein ist spannend, aber eigentlich verliebte ich mich gerne mal wieder richtig.“ Führe ich ein Leben, dass ich so eigentlich gar nicht will? Und, bin ich die Einzige, die eigentlich ganz anders will? Und wenn nein, was hält uns eigentlich davon ab, das zu tun, was wir eigentlich wollen?

 

Neulich telefonierte ich mit einem Freund. Er ist des Jobs wegen in einer Stadt gelandet, in der um 21 Uhr die Bürgersteige hochgeklappt werden. In der die Leute Winterschlaf zu halten scheinen und die auch im Sommer nicht viel Attraktives zu bieten hat. Er ist unglücklich dort. Frage ich ihn, wie es ihm geht, beginnt er immer mit Geschichten vom Job, der ganz gut laufe,  bei dem er viel lerne. Bohre ich nach, kommt es, sein „Eigentlich“ und ich als eigentlich Kennerin  sehe es natürlich klar vor mir: „Eigentlich möchtest Du dort nicht leben, also: zieh weg!“  Der Ausweg aus seiner  Misere liegt so klar auf der Hand, da ärgert es mich glatt, dass wir das gleiche Gespräch jedes Jahr wieder führen.

 

Unweigerlich folgt auf das „Eigentlich“, so scheint es, das  Verharren im Zustand der Unzufriedenheit. Ich denke an eine Bekannte, die für ihr Leben gerne mit Kindern zusammen ist, ihre ganze Zeit und Energie aber in einen Job steckt, der sie anödet. Mir fällt mein Postbote ein, der täglich die Briefe verteilt, seine Augen aber leuchten, wenn er von seiner Musik erzählt. Und ob meine Freundin, deren größter Traum eine Reise im eigenen VW-Bus ist, diesen  je verwirklicht – ich bezweifle  es.

 

Mich hat jüngst eine Krankheit  für ein paar Wochen lahmgelegt. So hatte ich die  Zeit, mal nur zu beobachten. Das Leben der Anderen, aber eben auch mein eigenes, so herausgelöst aus dem täglichen  Morgens-raus- Loslegen-und-wieder-Hinlegen. Und mir fällt auf: so leicht die Auflösung der „Eigentlichs“ meines Freundes für mich war, so klar liegt sie bei mir selber auf der Hand. Und ebenso klar sehe ich mein Verharren in Unzufriedenheit.  Das ist aber auch so bequem. Und vorhersehbar, weiß  ich doch genau, was mich nervt und warum. Außerdem, ein Partygespräch mit mir dauerte nur noch halb so lang , denn der ganze  Teil ab „eigentlich“  fiele ja weg. Ich hätte nix mehr zu Meckern und keinem mehr die Schuld an meinem Verdruss  zu geben.  Aber halt, wäre ich vielleicht dann gar nicht mehr unzufrieden? Würde mich das Verwirklichen meiner nicht gelebten „Eigentlichs“ am Ende etwa glücklich machen?

 

Wisst Ihr was? Ich probiere es jetzt nach und nach aus und sage Euch dann Bescheid. Allein, das mit der Wohnung könnte ein nicht zu änderndes „Eigentlich“ bleiben – will ich doch unbedingt und uneigentlich weiter in der Südstadt leben…!

 

Text: Kathrin Rindfleisch

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