Amerikaner zu Besuch
Mittwoch, 21. November 2012 | Text: Wassily Nemitz
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Eine Touristengruppe aus den USA. Luxusbus. Aussteigen, Fotos machen, nach fünf Minuten wieder einsteigen und weiterfahren. Die Gedanken der Reisenden: „Oh, den Menschen geht es aber schlecht. Gut, dass ich so nicht leben muss, das Haus da vorne ist ja völlig zerstört.“ Abends zurück in die Lodge, fünf Sterne, Elektro-Zaun – und schlechte Laune, wenn es nur zwei statt drei Weine zur Auswahl gibt. Nein, solche Touristengruppen sind meine Sache nicht. Groß waren also meine Vorurteile, als es hieß: 25 US-Amerikaner kommen nach Kgautšwane. Innerlich malte ich mir übergewichtige, mäßig tolerante Menschen aus, die sich peinlich verhalten und für die ich mich fremdschämen muss.
Eine Touristengruppe aus den USA. Luxusbus. Aussteigen, Fotos machen, nach fünf Minuten wieder einsteigen und weiterfahren. Die Gedanken der Reisenden: „Oh, den Menschen geht es aber schlecht. Gut, dass ich so nicht leben muss, das Haus da vorne ist ja völlig zerstört.“ Abends zurück in die Lodge, fünf Sterne, Elektro-Zaun – und schlechte Laune, wenn es nur zwei statt drei Weine zur Auswahl gibt. Nein, solche Touristengruppen sind meine Sache nicht. Groß waren also meine Vorurteile, als es hieß: 25 US-Amerikaner kommen nach Kgautšwane. Innerlich malte ich mir übergewichtige, mäßig tolerante Menschen aus, die sich peinlich verhalten und für die ich mich fremdschämen muss.
Mittwochabend. Auf der Hauptstraße nähert sich ein Bus, tatsächlich klimatisiert und mit Luxus-Ausstattung. Mit einem traditionellen Tanz werden die Touristen begrüßt, die Kameras im Anschlag. Immerhin sind sie gar nicht dick, und angezogen sind sie wie deutsche Rentner. John, der Tour-Guide, ist schon seit einigen Jahren mit Mama Clara bekannt, für ihn ist es der sechste Besuch in Kgautšwane. Einer meiner Mitfreiwilligen spricht ihn auf die US-Präsidentschaftswahl an: „Are you also happy that Obama won?“ John ballt die Faust und ruft: „Yes, yes, yes!. Pause. „But“, John senkt die Stimme, „this is not the opinion of all my people here, be careful!“.
15 Amerikaner übernachten bei uns im Center, der Rest in einer Lodge bei Ohrigstad. Vorher ein Festmahl. Da Amerikaner zumindest in der Vorstellung der Einheimischen hier noch lieber essen als sie selbst, gab es weit mehr als Reis mit Sauce. Mama Clara begrüßt die Amerikaner, bezeichnet die USA als „great nation“ (die Mienen der Besucher hellten sich auf) und wünscht guten Appetit.
Dann die erste Peinlichkeit – allerdings nicht vonseiten der Amerikaner, sondern vom Schulleiter der Maokeng Secondary School, Mr. Nchabeleng, an der auch zwei Mitfreiwillige von mir unterrichten. Mr. Nchabeleng stellt sich, offensichtlich angeheitert, vor die Gäste und wirbt um Spenden für seine Schule. „You look like a donator!“, spricht er einen Touristen an. Ich fühlte mich an einen windigen Vertreter erinnert. „Aha!“, gibt der unfreiwillige Spender zurück und wendet sich ab. „We would be happy to have at least one book”, insistiert der Schulleiter, “please help us!” In Wahrheit besitzt die Schule eine ordentliche Bibliothek mit Lehrwerken und Büchern, die tatsächlich größtenteils von US-Amerikanern gespendet wurden. Es gelingt uns, die Aufmerksamkeit vom Schulleiter abzulenken, einer meiner Kollegen erzählt von unserer Arbeit als Freiwillige.
Der erste Tag ist geschafft. Der nächste Morgen. Heute soll es zu kulturellen Stätten im Ort gehen. Ich gehe in die Schule zur Arbeit, fahre nachmittags aber mit in eine traditionelle Höhle. Eingeklemmt in zwei Minibus-Taxis zuckeln wir los – „jetzt muss sich doch endlich mal jemand beschweren!“, denke ich mir. Doch ganz im Gegenteil, „it is very interesting to see, how the people here really use the transport“, meint eine vegan lebende Touristin. Vom Taxi zur Höhle muss ein Berg über einen kleinen, unbefestigten Fußpfad bestiegen werden. Oben angekommen, werden wir von einem Wetterwechsel überrascht. Es regnet in Strömen. Wir rutschen den Weg wieder hinunter, kommen komplett durchnässt bei den Taxis an – das Ganze war vonseiten der Einheimischen ziemlich schlecht organisiert. Beschwert aber hat sich keiner der Amerikaner. „That is a great experience!”, kommentiert einer.
Abends fällt in einer unserer Rundhütten der Strom aus, da Mama Clara vergessen hatte, Strom zu kaufen (hier gibt es ein Prepaid-System, vergleichbar mit Handy-Tarifen). Alle Versuche, mithilfe von Verlängerungskabeln aus einem anderen Raum die Stromversorgung wiederherzustellen, scheitern. Grundsätzlich ist das sicherlich ein Grund zur Beschwerde, die Touristen hatten schließlich bezahlt. Schuldbewusst geht Mama Clara am nächsten Morgen zur Hütte und verkündet: „We apologize!“. „Absolutely no problem!“, antwortet Phylis, die zusammen mit ihrem Mann Ken angereist war, „this morning, we had wonderful sunlight that shone in our room!“. Im Nachhinein erzählen sie mir im Interview mit der „Platinum Gazette“, dass sie den Aufenthalt sehr genossen haben. John, der Tour-Guide, gibt sogar an, er würde ein ganzes Jahr in Kgautšwane leben wollen. Ein paar Minuten nach den Interviews rückt der Bus an; die Amerikaner verabschiedeten sich einzeln per Umarmung bei Mama Clara und fahren in ihrem vollklimatisierten Gefährt davon (der Fahrer erzählte mir, der Bus sei vier Monate alt).
Ich bleibe irritiert zurück. Sie waren gar nicht intolerant, die Amerikaner. Vielmehr kamen sie, anders als die Durchschnitts-Pauschalreise-Touristen, in einen Ort, in dem sich das Leben der „echten“ Südafrikaner abspielt. Und nicht nur für fünf Minuten, sondern für zwei Tage, in denen sie sich mit den Anwohnern austauschen und neue Dinge dazu lernen konnten. Von mir aus können jede Woche solche amerikanische Touristen hierher kommen – allein schon, weil das Essen dann viel besser und reichlicher ausfällt.
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