Hakenkreuze im Hinterland
Dienstag, 15. Januar 2013 | Text: Wassily Nemitz
Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten
„Südafrika – ein Land der Kontraste“ – oft habe ich das vor meiner Abreise auf Plakaten gelesen. Im Augenblick bemerke ich tatsächlich das erste Mal Gegensätze – allerdings nicht die von den Plakaten. Für mich tritt ein Kontrast besonders in Erscheinung – der zwischen Arm und Reich, zwischen Weiß und Schwarz. Während ich dies schreibe, sitze ich in einem Ledersessel am Schreibtisch eines technisch top ausgestatteten Büros in Pretoria. Vor der Haustür ist der Rasen millimetergenau gemäht, vom Fenster aus kann ich fünf Neuwagen erkennen. Um überhaupt hierher zu kommen, mussten wir unser Taxi am Eingang registrieren, zwei Schlagbäume passieren und uns den Blicken der Sicherheitsmitarbeiter aussetzen – willkommen in einer „Gated Community“. Wir wohnen hier bei deutschstämmigen, weißen Südafrikanern, die über drei Ecken mit Mama Clara bekannt sind und ziemlich luxuriös wohnen: Pool, Multimedia-Systeme, Designer-Küche.
„Südafrika – ein Land der Kontraste“ – oft habe ich das vor meiner Abreise auf Plakaten gelesen. Im Augenblick bemerke ich tatsächlich das erste Mal Gegensätze – allerdings nicht die von den Plakaten. Für mich tritt ein Kontrast besonders in Erscheinung – der zwischen Arm und Reich, zwischen Weiß und Schwarz. Während ich dies schreibe, sitze ich in einem Ledersessel am Schreibtisch eines technisch top ausgestatteten Büros in Pretoria. Vor der Haustür ist der Rasen millimetergenau gemäht, vom Fenster aus kann ich fünf Neuwagen erkennen. Um überhaupt hierher zu kommen, mussten wir unser Taxi am Eingang registrieren, zwei Schlagbäume passieren und uns den Blicken der Sicherheitsmitarbeiter aussetzen – willkommen in einer „Gated Community“. Wir wohnen hier bei deutschstämmigen, weißen Südafrikanern, die über drei Ecken mit Mama Clara bekannt sind und ziemlich luxuriös wohnen: Pool, Multimedia-Systeme, Designer-Küche.
Nur wenige Kilometer entfernt herrscht das krasse Gegenteil: Menschen hausen zu zehnt in Wellblechhütten, haben weder Strom noch fließend Wasser und müssen andauernd fürchten, im Rahmen eines Neubauprojekts vertrieben zu werden. Während ich mir Gedanken mache, ob ich die Kolumne noch rechtzeitig werde abschicken können, überlegen die Menschen 15 Autominuten weiter, ob und was sie heute Abend noch essen werden.
In abgeschwächter Form gibt es diese Kontraste auch in Deutschland. Doch jetzt werde ich direkt damit konfrontiert. Innerlich hege ich eine gewisse Abneigung gegen die Bewohner der Gated Community und allgemein gegen die Weißen in Südafrika – aber kann ich ihnen wirklich einen Vorwurf machen? Würde ich anders handeln, wäre ich in den Wohlstand hineingeboren? Würde ich mich freiwillig einschränken? Würde das den armen Bevölkerungsteilen wirklich helfen? Wahrscheinlich nicht. Es wäre also sicher ungerechtfertigt, allen reichen Weißen hier den Vorwurf zu machen, sie seien rücksichtslos und vorurteilsbehaftet Schwarzen gegenüber.
Wenn ich aber mitbekomme, wie manche Farmer in der Nähe meines Wohnorts mit Schwarzen umgehen, fällt es mir schwer, diesen Menschen etwas Positives abzugewinnen: Freitagabend, auf einer Farm in der Nähe von Ohrigstad, etwa 25 Kilometer von Kgautšwane entfernt: Wir als deutsche Freiwillige sind eingeladen, „to share ideas with the young whites“ (Zitat Mama Clara). Wir fahren mit dem Taxi hin. Auf dem Farm-Gelände angekommen, sehen wir einen roten Pick-Up mit zwei aufgeklebten Hakenkreuzen. Wir beziehen unser Quartier für eine Nacht und begrüßen unsere potentiellen Nazi-Gastgeber: Amy ist Mitte 20 und betreibt eine Insektenschutz-Firma, sein Vater „genießt gerade nur das Leben“.
Im Schlafzimmer finden wir einen unabgeschlossenen Schrank voller Waffen und Munition. Dann geht es los; wir fahren auf Amys Pick-Up zu einer anderen Farm. Das „Idea-Sharing“ entpuppt sich als Grillparty – mit dreißig anderen Weißen und mindestens 300 Liter Alkohol. Außerdem dreht sich ein komplettes Schaf auf einem Grill-Spieß. Auf der Tanzfläche in einer ausgedienten Scheune, läuft europäische Party-Musik. Wir unterhalten uns mit dem Schaf-Grillmeister, Jaku. Er war schon als Soldat in Afghanistan und ist jetzt wieder Farmer.
Ein anderer Mann erzählt, sein Hobby sei das Jagen. Fast alle Tiere hat er schon durch, nur der Elefant und das Nashorn stehen noch auf seiner Liste. Mit ihm unterhalte ich mich etwas länger. Gleich zu Beginn betont er: „I am not a racist!“. Offenbar hat er eine etwas andere Auffassung von Rassismus als ich, denn schon wenige Augenblicke später erzählt er, für ihn sei die schwarzafrikanische Kultur völlig unverständlich: „They are always late and lazy“, behauptet er. Im weiteren Gesprächsverlauf stellt sich heraus, dass seiner Meinung nach Südafrika ohne die Weißen schon längst im Chaos versunken sei. Gegenargumente bleiben wirkungslos.
Währenddessen versucht Amy meiner Mitfreiwilligen Anne zu erklären, warum er Hakenkreuze auf seinem Pick-Up kleben hat. „Das soll nur buddhistische Zeichen darstellen“, gibt er zu verstehen. Dass es in Deutschland strafbar ist, Hakenkreuze und andere Nazi-Symbole zu zeigen, will er noch nie gehört haben. Außerdem behauptet er, eigentlich über die Nazi-Zeit nicht besonders viel zu wissen. Wenig später läuft er „Sieg Heil!“ brüllend durch die Gegend. Was das soll? „Das haben Goebbels und Himmler doch auch gemacht!“, rechtfertigt er sich. Dann erklärt er uns irgendwelche kruden Dinge über die beiden – soviel zum Thema Hakenkreuz.
Am nächsten Morgen fahren manche meiner Mit-Freiwilligen noch mit Amy und seinen Freunden auf eine andere Farm zum Herumsitzen und Schießen. Abgesehen davon, dass ich von spaßhaftem Schusswaffengebrauch noch nie etwas gehalten habe, reicht es mir. Ich reise samt Clarissa und Marco ab. Die Grenze der Fremdscham ist spätestens erreicht, als Amy am Abend den Rest mit seinem Pick-Up hierher fährt, dabei wie ein Wahnsinniger durch Kgautšwane rast, ohne zu bremsen durch eine Gruppe von Frauen fährt und dabei mutmaßlich rassistische Beleidigungen auf Afrikaans aus dem Fenster brüllt. Seitdem steht für mich fest: Mit diesen Leuten möchte ich keinen Kontakt mehr haben.
Südafrika – Das Land der Kontraste: Dieser Spruch hat für mich seit diesen Erlebnissen eine ganz neue, negative Bedeutung gewonnen. Es gibt aber auch positive Beispiele: Über Silvester übernachteten wir bei Lea, einer Schwester von Mama Clara. Sie wohnt in einem mittelmäßigen Wohnblock in Pretoria – dort konnte ich erleben, was friedliches Zusammenleben aller Bevölkerungsgruppen bedeutet: Schwarze, Weiße, Inder, „Coloured“ – alles, was Südafrika zu bieten hat, lebt dort versammelt. Am Tag unserer Abreise bauten wir im Außentreppenhaus einen Tisch auf und machten Frühstück für unsere Gastgeberin und uns. Kaum fünf Minuten später saßen andere Nachbarn mit am Tisch, steuerten etwas zu essen bei; eine Inderin begann Curry-Reis zu kochen und brachte ihn uns. Alle verstanden sich wunderbar, von Vorurteilen oder Diskriminierung keine Spur. Es geht doch. Aber es ist noch ein weiter Weg, ein weiter Weg hin zur Verwirklichung des Traums einer friedlich zusammenlebenden „Regenbogennation“.
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