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Kolumne

Pädagogenkram

Montag, 28. Januar 2013 | Text: Wassily Nemitz

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Meine Heimat kommt nach Kgautšwane: Abends trifft das Taxi von Fahrer Pete ein, und heraus klettern – etwas angeschlagen – Frau Gress und Frau Horn von Volunta. Das ist die Organisation, die uns alle hierher geschickt hat. Ich persönlich hatte Volunta in den vergangenen vier Monaten eher ausgeblendet – jetzt auf einmal die beiden Mitarbeiterinnen wiederzusehen – ich hatte sie zuletzt Mitte August in Frankfurt am Main getroffen -, das katapultiert mich zurück in mein altes Leben.
Mama Clara sitzt derweil in ihrer Hütte und guckt Fernsehen. Als sie hört, dass er Besuch eingetroffen sind, bittet sie zur Audienz: Die beiden Frauen treten Mama Clara – ähnlich wie wir – mit einem gewissen Respekt entgegen. „You are welcome!“, verkündet die Center-Chefin und weist ihnen ihre Rundhütten zu.

Meine Heimat kommt nach Kgautšwane: Abends trifft das Taxi von Fahrer Pete ein, und heraus klettern – etwas angeschlagen – Frau Gress und Frau Horn von Volunta. Das ist die Organisation, die uns alle hierher geschickt hat. Ich persönlich hatte Volunta in den vergangenen vier Monaten eher ausgeblendet – jetzt auf einmal die beiden Mitarbeiterinnen wiederzusehen – ich hatte sie zuletzt Mitte August in Frankfurt am Main getroffen -, das katapultiert mich zurück in mein altes Leben.
Mama Clara sitzt derweil in ihrer Hütte und guckt Fernsehen. Als sie hört, dass er Besuch eingetroffen sind, bittet sie zur Audienz: Die beiden Frauen treten Mama Clara – ähnlich wie wir – mit einem gewissen Respekt entgegen. „You are welcome!“, verkündet die Center-Chefin und weist ihnen ihre Rundhütten zu.
Abends gibt es, wie immer, wenn hoher (oder finanzstarker) Besuch da ist, besonders reichhaltiges Essen. Neben den beiden Volunta-Mitarbeiterinnen sowie Malte und Shenja aus Botswana sind gerade noch zwei Backpacker aus Österreich und Belgien – und nicht zu vergessen – Jonas, unser neuer SAP-Mitarbeiter, zu Gast.

Mama Clara und ihr Bruder Petrus sind an dem Abend in Erzähllaune und berichten von einem speziellen alkoholischen Getränk, das in Kgautšwane gern selbst gebraut wird und mitunter eine recht krasse Wirkung zeigt. Eines Tages, so erzählt Mama Clara, habe sie an einem kleinen Fluss zwei Tote gefunden. Sie hatten zuviel von dem Gebräu getrunken, die Orientierung verloren und versucht, den Fluss an einer unpassierbaren Stelle zu überqueren. Mit solchen Schauergeschichten im Kopf verabschieden sich Frau Gress und Frau Horn in ihre Hütten.

Samstagmorgen geht es für uns eine Woche raus aus Kgautšwane, eine Woche auf Distanz zu Mama Clara: Das vertragsgemäße Zwischenseminar steht an. Mit dem Taxi geht es in den „Manoutsa Park“, etwa 70 Kilometer von uns entfernt. Die Anlage erscheint uns wie ein angestaubtes Ferienparadies und nicht wie eine Tagungsstätte. Das ist es auch nicht, allerdings ist im ursprünglich gebuchten Hotel die Küche abgebrannt, und es musste vorübergehend schließen.
So tagen wir also inmitten von Wasserrutsche, Schwimmbecken und einer Bar – zunächst in einem halboffenen Restaurantraum, später in einem verrauchten Billard-Raum. Tagungstechnik oder ähnliches ist nicht vorhanden. Frau Horn kündigt an, „jetzt wieder in die ganz alte Kiste der Seminararbeit“ zu greifen. Mit anderen Worten: Kärtchen und Edding. Die Formalitäten werden gleich am Anfang abgelegt; Frau Horn heißt jetzt Susanna; Frau Gress Magdalena.
Susanna ist bei der „Volunta-Akademie“ beschäftigt und fungiert in ihrer Rolle als ausgebildete Pädagogin als Seminarleiterin. Wir besprechen den Ablauf, ganz oft taucht das Wort Reflexion auf: Gruppenreflexion, Reflexion der Arbeit in den Einsatzstellen, Reflexion des Zusammenlebens mit Mama Clara. So reflektieren wir die nächsten sechs Tage – natürlich nicht einfach so, sondern ganz der Pädagogin entsprechend – mithilfe von Spielen und Gruppenarbeit. Für mich sind solche Aktivitäten etwas gewollt und das Ziel offensichtlich; trotzdem merke ich, dass es an der Zeit ist, auf das bisher Gewesene zurückzublicken und zu überlegen, was sich ändern muss.

In unserer Gruppe sind größere Schwierigkeiten zwar ausgeblieben, trotzdem gab es insbesondere für Einzelne in der Gruppe Probleme: In den letzten Monaten haben zwei meiner Kollegen zusammengefunden und sind jetzt ein Paar. Für uns als Gruppe eher unproblematisch, doch innerhalb der hiesigen Kultur ein absolutes „No-Go“. Es ist hier absolut unüblich, dass sich Paare offen zu erkennen geben. Deshalb stand für Mama Clara von Anfang an fest: „No relationships!“. Die beiden hielten sich jedoch nicht daran und lebten ihre Beziehung öffentlich aus – Krach mit Mama Clara und kurzzeitige Flucht der beiden aus dem Community Center waren die Folge.

An der Stelle spaltete sich die Gruppe etwas auf: In diejenigen, die die fremde Kultur akzeptieren und diejenigen, die sich nicht alles vorschreiben lassen wollen. Es schaukelte sich immer weiter auf, unser Verhältnis untereinander wurde schwieriger – ohne dass jemand Kritikpunkte offen aussprach. Auf dem Seminar ist das ganz anders: In neutraler Atmosphäre und umrahmt von Formulierungen wie „Ich habe wahrgenommen, dass…“ oder „Ich empfinde das als…“ werden all die Dinge beim Namen genannt, die schon seit Wochen vor sich hin brodelten. Einmal ausgesprochen, bessert sich die Atmosphäre schlagartig.

Es gibt aber auch Dinge, die sich einfach nicht ändern lassen. Manch ein Problem bei uns in der Schule müssen wir einfach akzeptieren – unmotivierte Lehrer, schlechte Infrastruktur und viel zu große Klassen können von uns wenn, dann nur sehr begrenzt beeinflusst werden. Es wird mir wieder klar, dass schon ganz kleine Verbesserungen ein Erfolg für mich sind.

Nach einer knappen Woche voller Reflexion und Ausblick auf die verbliebene Zeit geht es für uns wieder zurück nach Kgautšwane. Trotz sehr viel „Pädagogenkram“ (so nennt es meine Mitfreiwillige Anne) hat es sich gelohnt, es war wichtig, einmal ein wenig Abstand zu gewinnen. Samstagmorgen fährt am Manoutsa Park ein Taxi vor – es steigt eine ganz andere Gruppe ein als die, die knapp eine Woche zuvor ausgestiegen ist.

Text: Wassily Nemitz

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