Hüter des Gesetzes?
Montag, 27. Mai 2013 | Text: Wassily Nemitz
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Bulle ist nicht gleich Bulle. In Kgautšwane laufen gleich zwei Typen von ihnen herum; der eine trägt Fell, der andere Uniform. Und auch das nur manchmal. Nicht selten passiert es, dass aus einem der Einsatzwagen Männer und Frauen in Zivil aussteigen, Dienstwaffe tragen und Polizeiarbeit machen. „They don’t like to wear uniforms“, sagte mir einmal Mama Clara, „because they do not like their job.” Den Eindruck habe ich nach neun Monaten Südafrika auch; und nicht nur das unterscheidet die südafrikanischen Polizisten von den meisten ihrer deutschen Kollegen.
Bulle ist nicht gleich Bulle. In Kgautšwane laufen gleich zwei Typen von ihnen herum; der eine trägt Fell, der andere Uniform. Und auch das nur manchmal. Nicht selten passiert es, dass aus einem der Einsatzwagen Männer und Frauen in Zivil aussteigen, Dienstwaffe tragen und Polizeiarbeit machen. „They don’t like to wear uniforms“, sagte mir einmal Mama Clara, „because they do not like their job.” Den Eindruck habe ich nach neun Monaten Südafrika auch; und nicht nur das unterscheidet die südafrikanischen Polizisten von den meisten ihrer deutschen Kollegen.
Ein Samstag im September, es ist „Heritage Day“. Gemeinsam mit den Einheimischen besuchen wir Stätten des kulturellen Erbes in der Region, fahren in verschiedenen Autos mit. Ich sitze beim „Station Commander“ der für uns zuständigen Polizei in Leboeng im Polizeiwagen. Wir halten, er geht mit den anderen mit. Ich bleibe beim Auto. Der Schlüssel bleibt stecken, im Handschuhfach finde ich eine ungesicherte Dienstwaffe.
Bei der Weiterfahrt erzählt er mir, dass es hier in Kgautšwane nicht viel zu tun gebe. „Vorher war ich in Johannesburg, da war das alles viel schlimmer“, meint er. Dort gibt es alle vier Kilometer eine Polizei-Station, trotzdem werden die Beamten der Lage kaum Herr. Jeden Tag werden fünfzig Menschen in Südafrika ermordet, die Zahl der Raubüberfälle ist enorm. Hat er in Johannesburg schon aufgegeben? „Nein, das nicht. Aber ich hatte keine Lust mehr und habe mich hierher versetzen lassen. Mord ist dort Routine, wir klären kaum etwas auf.“ Viele der Polizisten, die bei uns arbeiten, waren vorher in Johannesburg stationiert – haben sich aber versetzen lassen. Sie habe Angst gehabt, dort zu arbeiten, erzählt mir eines Tages eine andere Polizistin, außerdem verrohe man dort. Den Eindruck haben wir auch. Als im Februar zwei meiner Mitfreiwilligen in Alexandra, einem Johannesburger Township, bewaffnet überfallen wurden, fuhren sie zwei Sicherheitsleute, die den Überfall beobachtet hatten, zur Polizei. Mitten drin im Township, schwer gesichert, steht die örtliche Polizei-Station.
Die Polizisten hätten sich für den Fall eher wenig interessiert, erzählen mir die beiden. Sie seien völlig aufgelöst dort angekommen, unter Schock stehend, kaum noch in der Lage zu sprechen.
Zwei Officer hätten den Überfall schließlich aufgenommen, sich aber weder vorgestellt noch den beiden etwas zu trinken angeboten. Die Aufnahme gestaltete sich auch eher semi-professionell; so fragten die beiden nach den Handy-Nummern – obwohl die Telefone, wie in der Anzeige erwähnt, beim Überfall geraubt wurden. Dann fuhren sie noch einmal zum Tatort – damit die Polizei herausfinden konnte, ob ihre Dienststelle überhaupt zuständig ist. Die beiden Mädchen berichteten mir, ihnen sei Angst und Bange gewesen, noch einmal zum Tatort zurückzukehren. Nach zwei Stunden war das Procedere beendet; irgendetwas von Ermittlungserfolgen haben wir seitdem nicht gehört.
Mama Clara glaubt, dass die Polizisten unterbezahlt und überarbeitet sind – deswegen lasse ihr Engagement am Arbeitsplatz zu wünschen übrig. Tatsächlich: In der Polizeiwache Ohrigstad, die zwar näher an Kgautšwane liegt als Leboeng, aber nicht für uns zuständig ist, arbeiten die Polizisten in 12-Stunden-Schichten. Sechs Uhr ist Wachwechsel, jeden Morgen, jeden Abend.
Mit dort beschäftigt sind auch noch zwei Weiße, die noch dem Apartheid-Polizei-System entstammen. Damals war die Polizei militärisch organisiert, einzelne Einheiten werden beschuldigt, gezielte Anschläge gegen Mitglieder und Versammlungen des ANC geplant und durchgeführt zu haben. Nach dem Einzug der Demokratie 1994 änderte sich einiges, doch immer noch arbeiten Polizisten aus dem alten Kader beim „South African Police Service“.
Sonntagabend, kurz nach sechs: Ich fahre mit einer Polizistin in ihrem Privatauto nach Hause, sie hat gerade die 12 Stunden Dienst hinter sich. Sie erzählt: „Vor einigen Jahren ist hier eine schwarze, junge Frau als ‚Station Commander‘ eingesetzt worden. Da haben die meisten Weißen gekündigt, mit der Begründung, so jemandem könnten sie sich nicht unterwerfen.“
Wenn sie zu Einsätzen auf „weißen Farmen“ gerufen werde, komme es nicht selten vor, dass sie wieder weggeschickt und nach weißen Polizisten verlangt werde, erzählt sie mir. „Wir wollen euch nicht!“, heiße es dann. Dabei mache sie doch nur ihre Arbeit, sagt sie und wirkt etwas resigniert.
Die südafrikanische Polizei hat einen verhältnismäßig schlechten Ruf, immer wieder kommen Gräueltaten ans Licht: Erst letztens starb ein Mann, nachdem er an ein Polizeifahrzeug gebunden und so über den Boden gezerrt wurde. Die Aufregung in der Öffentlichkeit ist zwar groß – doch spürbar geändert hat sich nichts. Zwei hintereinander amtierende „National Commissioner“ (eine Art nationaler Polizeichef) wurden wegen dringenden Korruptionsverdachts aus dem Dienst entfernt und später vor Gericht gestellt. Auch im Ausland sind noch die Bilder in Erinnerung, die schießende Polizisten bei einem Bergarbeiterstreik Mitte letzten Jahres zeigen, damals kamen 34 Menschen ums Leben.
Auf jedem Polizeiauto steht hinten: „Help us to fight crime to Zero – call 10111“. Bis es soweit kommt, vergeht wohl noch ein langer Zeitraum. Die entscheidende Frage ist: Wie sollen die Südafrikaner ihrer Polizei als „Freund und Helfer“ vertrauen, wenn sie selbst immer wieder zum Täter wird?
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