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Kultur

Auf Stelzen über das Gauklerfest

Sonntag, 30. Mai 2010 | Text: Stephan Martin Meyer | Bild: Stephan Martin Meyer

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Mit großen Schritten kommt er auf mich zu. Staunend blicken die Kinder ihm mit offenem Mund nach. Doch er lässt sich davon nicht beeindrucken, sondern schreitet einfach über sie hinweg. Hier ist nicht die Rede von einem Alien, sondern von Nikhil dem Stelzenläufer. Das Gesicht weiß geschminkt, die Augen betont, eine Mütze auf dem Kopf und eine unendlich lange Hose – es ist eine beeindruckende Gestalt, die da an mir vorbeigeht. Ich hefte mich einfach an ihre Fersen und lasse mich von ihr über das Gauklerfest treiben.

In den Bretterbuden des Bauspielplatzes werden Crêpes gebacken, Softgetränke ausgeschenkt und Waffeln verkauft. Nikhil kümmert das nicht. Er eilt zielstrebig auf einen Verschlag zu, in dem Lego-Männchen (und -frauchen) mit einer Zwille abgeschossen werden. Das ist sicherlich nicht ganz politisch korrekt, aber es macht Spaß. Und das sieht man den Kindern auch an. Doch Nikhil bückt sich nur einmal herunter, blickt zu den armen Plastikfiguren hinein, schüttelt den Kopf und geht weiter.

 

Beine aus der Schusslinie und Kopf einziehen
Auf der großen Freitreppe sitzen Kinder mit ihren Eltern und lauschen Simply Nice, zwei Comedians, die Akrobatik mit Slapstick verbinden. Auch hier geht es nicht gewaltfrei zu: Der Herr in blau führt den Kindern vor, wie in einer Schießbude auf ein laufendes Männchen geschossen wird. Letzterer ist der Herr in grün, der unter dem Lachen der Anwesenden versucht, den Angriffen seines Kollegen zu entkommen. Er hat keine Chance. Schnell verzieht sich der Stelzenläufer, weil er nicht Gefahr laufen will, seiner langen Beine verlustig zu gehen.

Dass Nikhil sicherlich fünf Meter groß ist, bedeutet nicht, dass er den Weg in die Tiefen des Forts scheut. Da bückt er sich halt ein wenig und schon ist er in dem düsteren Raum verschwunden. So führt er mich zu der Bühne im Innenraum, auf der gerade ein bunt gekleideter Mann die in vielen Reihen um ihn herum sitzenden Kinder zum Lachen bringt. Doch auch hier findet Nikhil nicht das, was er offenbar sucht.

 

 

Lieber den Magen oder die Geschicklichkeit trainieren?
Wieder draußen umwehen mich die Düfte von Bratwurst, Nackensteaks und Quiches. Am liebsten würde ich bei allen Ständen halt machen und mich durch das Angebot essen, aber Nikhil stelzt schon die Treppe zur Terrasse hinauf, am obligatorischen Kölsch vorbei, das mich aber nach der Feier für Lena am Abend zuvor noch nicht wieder reizt.

Im ehemaligen Rosengarten wird jongliert was das Zeug hält. Teller, Bälle, brennende Stäbe, Keulen – alles fliegt durch die Luft. Die einen können das hervorragend – das sind die Jongleure, die extra für die Shows gekommen sind, die anderen müssen noch ein bisschen üben, denn hier darf und soll jeder mitmachen. Eine Weile bleiben wir bei Kammann stehen, der mit seinen Jonglierkünsten Groß und Klein in seinen Bann zieht.

 

Von kleinen Leuten, die hoch hinaus wollen…

Doch nicht Nikhil. Denn er hat endlich etwas gefunden, was seiner Höhe entspricht: Die Kletterwand. Ein großer Outdoor-Ausrüster hat ein Gerüst aufgebaut, an dem Kinder in Windeseile hochklettern. Sie sind mit einem Seil gesichert und ziehen sich beherzt an den winzigen Stufen die Wand hinauf und lassen sich danach mit sichtlichem Genuss abseilen.

… und Feen, die uns betören
Doch Nikhil ist nicht lange aufzuhalten. Er schreitet schon wieder mit großen Schritten aus. Wohin will er denn bloß? Die Menschen weichen vor ihm zu den Seiten aus, kritische Blicke wandern über den Himmel. Es wird doch wohl nicht regnen? Doch den Stelzenläufer interessiert das nicht weiter. Er scheint endlich entdeckt zu haben, was er so sehnlich suchte: Am anderen Ende des Feldes steht die Feuerfee. Sie ist genauso groß wie er, bunte Tücher umwehen sie, riesige Flügel hat sie auf dem Rücken. Und auch sie bewegt sich auf Stelzen durch die Menge. Sie verzaubert die Kinder dabei mit ihrem Feenstaub und treibt Schabernack mit den Erwachsenen – sehr zur Freude der kleinen Besucher. Ja, jetzt endlich hat Nikhil eine ebenbürtige Partnerin gefunden.

Erschöpft und glücklich setzt er sich auf eine hohe Mauer. Das ist die Gelegenheit für mich, endlich an eine der Buden mit dem Essen zu gehen. Das habe ich mir verdient.
 

 

 

Leser Kommentar:
 
„Trotz des unbeständigen Wetters, freue ich mich, dass es den Veranstaltern mal wieder gelungen ist so hochkarätige Künstler auf einem Gelände zu vereinen. Ich besuchte das Fest zum zweiten mal und es war keine Wiederholung, es war Neues, Speltakuläres und musikalisch höchst anspruchsvolles zu vernehmen. Ich hoffe, dass trotz dem engen finanziellen Rahmen, es im nächsten Jahr ein weiteres Gauklerfest geben wird! Danke für dieses Jahr, es hat mir gezeigt das ich zu Recht in der Südstadt wohne 🙂
baschebasti

Text: Stephan Martin Meyer

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