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Gesellschaft Kultur

Von der Copacabana zum Rheinauhafen

Montag, 7. Juni 2010 | Text: Doro Hohengarten

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Die Südstadt hat Besuch- und zwar von einem leibhaftigen Brasilianer! Bis in den Sommer hinein ist Ernesto Solis aus Rio de Janeiro bei uns zu Gast. Der Comic-Künstler und Filmregisseur, 41, schöpft noch einmal Kraft und Inspiration bei seiner Schwester. Ende des Jahres dreht er dann seinen ersten Kinofilm. Der Arbeitstitel: „O jogo do bicho“ – Das Spiel des Tiers. Der 3D-Science-Fiction-Film wird von einem Reality-Spiel handeln, bei dem die Gewinner zu Millionären und die Verlierer zu Sklaven werden. Mit seinem preisgekrönten, von der Comicwelt inspirierten Kurzfilm „A Espera“ hat Solis übrigens die Filmproduktion von Luc Besson („Das fünfte Element“, „Taxi“) auf sich aufmerksam gemacht.

 

Für MEINE SÜDSTADT wird Ernesto in loser Reihenfolge seine Beobachtungen im Veedel notieren, in Bildern und Worten. Uns erwartet eine deutsch-brasilianische Südstadt-Fotonovela! Das Interview mit Ernesto auf der Dachterrasse seiner Schwester fand unter Rio-Bedingungen statt: 28 Grad um 21:30 Uhr, ein leichter Windhauch, statt Caipirinha kühler Cidre, statt auf Portugiesisch auf Spanisch…

 

Dein Kinofilm wird in einem Rio de Janeiro der Zukunft spielen, das am Rande einer Wüste liegt – das Meer ist ausgetrocknet. Ziemlich pessimistisch ist das, und auch ein wenig unerwartet…

Ja, ich arbeite da ein bisschen gegen den Trend. Meine Zukunftswelt ist Wüste, nicht Überschwemmung. Und im Moment ist die Grundstimmung in Brasilien eigentlich positiv – die Wirtschaft erlebt einen Aufschwung und die Bevölkerung hat zum ersten mal einen Präsidenten den sie gut findet. Allerdings glaube ich, Rio macht einen zwangsläufig pessimistisch. Die Anarchie hat diese Stadt total im Griff. Neben den geschützten Postkartenvierteln wie Ipanema oder Copacabana gibt es 120 Favelas (Armensiedlungen an den Hängen der Berge Rios, Anm. d. Red.), in denen kein normales Gesetz gilt, nur das Gesetz der Drogenhändler. 90 Prozent der Polizisten sind korrupt. Es gibt neuerdings sogar Ex-Polizisten, die in die Favelas gehen und dort ihre eigenen Gesetze installieren. Sie handeln zwar nicht mit Drogen, kontrollieren aber zum Beispiel Kabelfernseh- oder Gaszugänge.

Wo genau lebst du?

Mein Viertel heißt Botafogo und gehört zu den geschützteren, zentralen Vierteln Rios. Auch dort grenzen Favelas an. In allen Vierteln spürt man  Bedrohung. Und zwar konstant. Nicht eine konkrete Bedrohung, sondern eine allgemeine. Die Leute sind bedroht, in ihrem Leben, andauernd. Nichts wird respektiert in Brasilien. Es wundert mich wirklich, dass sich die Menschen in Brasilien nicht gegenseitig abmetzeln, dass es keinen Bürgerkrieg gibt. Es gibt ihn, aber er ist nicht offen sondern verdeckt.

Wie spürst du diese Bedrohung in deinem Viertel? Wie bewegst du dich?

Ich habe gelernt mich zu bewegen. Ich fühle mich zuhause. Mir selbst ist noch nichts passiert. Aber einen Freund von mir hat ein Verrückter vor meinen Augen in den Kopf geschossen. Wir gaben einen Zeichenkurs in einem Jugendgefängnis, und auf dem Heimweg stießen wir mit einem Auto zusammen. Der Fahrer kam sofort mit der Pistole auf uns zu. Wir rannten weg, aber er folgte uns und erschoss meinen Freund. Er war ein Psychopath. Aber das hat mich nicht traumatisiert in dem Sinne, dass ich mich nicht mehr raus traue. Ich bewege mich trotzdem noch durch die Stadt, sogar mit dem Fahrrad. Tagsüber passiert wenig. Man muss vor allem in der Nacht aufpassen. Immer aufmerksam, immer mit dem Blick über die Schulter, nach rechts, nach links. Wer und was bewegt sich wie?

Wie ist dein Viertel?

Wie ganz Rio wunderschön! Es hat einen nostalgischen Charme. Es ist eng, eingezwängt zwischen Bergen, voller alter, verfallender Häuser. Viele Menschen, viele Geschäfte. Zwei Favelas nebenan. Kein Platz, nur Straßen. Viele alte Leute, eher untere Mittelklasse. Nebenan liegt Ipanema, das Edelviertel mit dem schönen Sandstrand. Auch wir haben eine Bucht, aber das Wasser ist zu dreckig zum Baden. Der große Friedhof von Rio befindet sich in Botafogo. Aber immer gibt es diese Bedrohung. Das ist überhaupt der größte Unterschied zu Köln: Dass ich hier keine Bedrohung spüre. Hier ist es so ruhig, so friedlich, so sicher. Das ist völlig neu für mich.

Und wie sieht ein typischer Tag in deinem Viertel aus?

An einem typischen Tag stehe ich auf und frühstücke erstmal einen Milchkaffee und ein Käsesandwich in einem „boteco“. Das ist eine Art Bar, von denen es eine an jeder Ecke eine gibt. Dort bekommt man einfaches billiges Essen wie Eier, Bohnen und Huhn, und vor allem gibt es Getränke: Bier und Kaffee. Diese „botecos“ sind einfach, aber visuell sehr reich: viele Flaschen, Kleinzeug, das aufgestellt oder aufgehängt wird, Postkarten – persönlicher Schnickschnack der Besitzer. Dann gehe ich nach Hause und arbeite, und zum Mittagessen gehe ich wieder raus zum „Cobal“. Das ist ein Markt, auf dem man so ziemlich alles kaufen kann. Dort gibt es auch Garküchen mit frischem, günstigen Essen. Nachmittags arbeite ich wieder zuhause, und manchmal gehe ich dann abends noch ins Kino. Wir haben drei Kinos in Botafogo, und auch noch solche mit interessanten Filmen! Da gibt’s dann auch mal iranisches oder deutsches Kino zu sehen. Auch die Bars und Kneipen bieten viel – gute Live-Musik zum Beispiel. Acht Discotheken haben wir. Aber ich gehe ehrlich gesagt nicht ständig aus.

Wie wirst du deine Zeit in Deutschland verbringen?

Ich bearbeite zusammen mit einem Drehbuchautor das Skript für meinen Film, via Internet. Und dann arbeite ich noch an einem ziemlich surrealistischen Film, von dem ich noch nicht genau weiß wohin er mich führt. Es gibt kein Drehbuch und er handelt von einem Regisseur der an einem ziemlich surrealistischen Film arbeitet, von dem er noch nicht genau weiß wohin er ihn führt….aber ich werde hier auch filmen. Ich werde eine Schauspielerin in Berlin besuchen, eine Kamera besorgen. Ich brauche eine Kamera und werde mit einer Schauspielerin in Berlin und meiner Nichte hier drehen.

 

 

Links:

Ernesto Solis Kurzfilm „A Espera“ auf youtube

Making of von „A Espera“ auf youtube

Ernesto Solis bei Designwork

Text: Doro Hohengarten

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