Ein Urlaub mit Ponys, Lamas, Ziegen und Bunkern
Freitag, 6. August 2010 | Text: Dirk Gebhardt | Bild: Dirk Gebhardt
Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten
Die Sommerferien sind fast vorbei. Uff. Denn in jedem Frühling überkommt sie mich wieder: Die Angst, für den Sommer die falsche Urlaubsentscheidung zu treffen. Meine Ausgangssituation: Zwei Kinder, meine Frau und ich sowie die Erwartung aller auf ein unvergessliches Erlebnis. Die Kinder wollen Sonne, Strand, Meer, Phantasialand, Spielkonsole und Abenteuer. Die Erwachsenen wollen Sonne, Kultur, Historisches, unberührte Natur, keinen Fernseher und Entspannung. Bei diesen jedes Jahr wiederkehrenden gegensätzlichen Erwartungen ist es eine Herkulesaufgabe, ein geeignetes Urlaubsziel zu finden. Italienische Adria. Spanische Costa Blanca. Griechisches Eiland. Hm.
Warum nicht mal etwas anderes wagen? Kurz entschlossen fuhren wir dieses Jahr in die Normandie. Nicht außergewöhnlich genug? Wir wählten die Variante Campen auf dem Bauernhof an den Landungsstränden des D-Days von 1944. Gebucht war nichts, bis auf den Mietwagen. Dank dem World Wide Web hatten wir mehr oder weniger ins Deutsche übersetzte Adressen und Beschreibungen von Bauernhöfen, die in der Nähe unseres Zieles lagen. Es waren leider nur fünf Stück, was mir ein wenig Sorgen machte, da im Durchschnitt unter zehn Stellplätzen vorhanden waren.
Am ersten Tag hatten wir nach sechs Stunden Fahrt genug und versuchten unser Glück beim ersten Bauernhof, den wir in der Liste hatten. Drei Plätze, Pferdezucht und Stromanschluss. Aber erst mal finden. Straßenschilder sind in Frankreich auf dem Land Mangelware. Hinzukommt, dass das Betreiben eines Campingplatzes für die Bauern nur ein Zubrot ist und daher das Marketing vernachlässigt wird. Also suchen, mit dreißig über die Landstraße zuckeln und versuchen, unlesbare Schilder zu entziffern. Die Farbe blätterte schon ab, die Schilder waren mehrfach übertüncht, aber wir erkannten es dann doch im zweiten Versuch: das Schild Ferme de La Tournerie.
Nachdem wir unser Auto vor dem Herrenhaus geparkt hatten, mussten wir erst mal den Besitzer suchen. Zögerlich wagten wir uns zu klingeln, und ein spärlich bekleideter Jugendlicher öffnete uns die Tür. Auf unsere Frage, ob es noch einen Platz zum Zelten gäbe, rief er ins Haus hinein und teilte uns dann mit, dass alles belegt sei. Zum Glück wusste er noch einen gewöhnlichen Campingplatz in der Nähe. Der erste Versuch, unsere Zelte bei einem Bauern aufzuschlagen, verlief also erfolglos, aber wir wollten noch nicht aufgeben.
Am nächsten Morgen packten wir schnell unsere Sachen, um dem SchrankenSpielplatzSupermarktDisco-Campingplatz zu entfliehen, auf dem wir genächtigt hatten. Das folgende Ziel hieß Ferme du Creulet bei Crouay, zwölf Kilometer von Bayeux entfernt. Diesmal war das Glück mit uns. Ein netter älterer Herr erschien kurz nach unserer Ankunft. Lächelnd erklärte er uns, wir könnten einen Platz aussuchen, wo wir wollten, um die Zelte aufzubauen. Größer als im Internet beschrieben, teilte der Platz sich in zwei Bereiche, einen baumbestandenen, mit den von den Franzosen so geliebten Mobilehomes, und einer Weide, die zum Zeltplatz umfunktioniert wurde. Die fünfzig Milchkühe des Bauern grasten keine zwanzig Meter von uns entfernt. Der ältere Herr entpuppte sich als niederländischer Rentenaussteiger, der nicht nur fließend Deutsch sprach, sondern auch noch die gute Seele des Platzes war. Bald schon nahm er unsere Frühstücksbestellung auf. Frische Croissants mit Baguette und euterwarmer Kuhmilch. Die Kinder entdeckten noch am gleichen Tag das Pony, die Hühner und das Trampolin.
„Arromanches-les-Bains“ war unser erstes Ausflugsziel. Wer mit neunjährigen Jungen in die Region der Landungsstrände der Normandie fährt, muss sich darauf vorbereiten, das er jedes Denkmal, vor dem ein Panzer steht und auch jedes noch so kleine Landungsmuseum besuchen muss. In dem kleinen 690 Einwohner zählenden Örtchen befand sich einer der beiden künstlichen Landungshäfen der Normandie.
Hier landeten in den ersten vier Monaten der Operation Overlord (militärischer Tarnname für die Landung in der Normandie) ca. 900.000 Soldaten und unzähliges Militärmaterial. Am Strand liegen unförmige, löchrige Betonartefakte in der Größe eines 40-Tonners-Pontons, die ehemals schwimmend von den Amerikaner von England hierher geschleppt wurden. Eine Frühfrom des Globalisierungsmüll. Wir müssen erstmal den Metalldetektor auspacken, um Hinterlassenschaften des Krieges im Sand aufzufinden. Ich bin froh, dass Kosmos die Dinger so schlecht baut, dass sie eigentlich nur losgehen, wenn man sie in eine Hosentasche mit einem Haufen Kleingeld steckt. Es erspart mir das buddeln.
Collville Sur Mere, Saint Eglise, Utah Beach, Batterie Grisberg und Omaha Beach sind einige der Orte, die wir in den nächsten Tagen und Wochen besuchen. Sie haben alle gemeinsam, dass sie von der Erinnerung leben. Amerikaner, Niederländer, Briten besuchen zu Tausenden die Orte der Befreiung. Nur Deutsche sehen wir kaum. Meine Tochter schlussfolgert daraus, dass sich die Deutschen schämen, hierher zu kommen, weil sie an ihre Schuld erinnert werden. Endgültig möchte ich das nicht beurteilen.
Einige Male habe ich mich selbst mit Tränen in den Augen erlebt, was nicht an den altertümlichen Präsentationen der meisten Gedenkstätten und Museen lag, sondern an dem emotionalen Nackenschlag, den ich bekam bei der Vorstellung, dass hier zwanzigjährige Jungen aus dem amerikanischen Hinterland ihr Leben ließen, um UNS zu befreien. Innerlich bedankte ich mich häufig dafür. Die Kinder entwickeln während dieser zwei Wochen Intensivkurs deutsche Geschichte eine differenzierte Position zu Krieg und Tod, was ich nicht erwartet hätte.
Zur Halbzeit des Urlaubes haben wir den Campingplatz gewechselt und sind in die südöstliche Ecke der Halbinsel Caretain gefahren. Der Campingplatz der Familie Trotteur war eine Offenbarung. Simpel in seiner Ausstattung, zwei Toiletten und zwei Duschen und ein Spülbecken, dafür gab es Lamas, Ziegen, Meerschweinchen, Pferde und die herzliche Familie Trotter. Sie arbeitet als Krankenschwester, um ein festes Einkommen zu haben. Der Bauer ist eigentlich kein Bauer, sondern ein Experte für Pferdezucht, künstliche Befruchtung und Philosoph. Auf meine Frage hin, warum er sich hier im Norden Frankreichs zwei Lamas hält, antwortet er, dass „sie schön anzusehen sind, und das ist gut fürs Herz.
Am ersten Abend dürfen die Kinder auf Ponys reiten, am Tag darauf mit dem Sulky über den Campingplatz rasen. Zwischendurch füttern wir Lamas, Ziegen und Meerschweinchen, gehen an den leeren kilometerlangen Sandstrand und bauen Burgen gegen die Flut. Die gewinnt leider immer – Pech gehabt. Der Hofhund Lori adoptiert uns, was an den Würstchen lag, und wir schauen uns jeden Bunker dieses Teils von Hitlers wahnwitzigem Atlantikwall an.
Als wir nach einer Woche aufbrechen müssen überfällt, uns alle das wehmütige Gefühl, gute Freunde verlassen zu müssen. Wir schwören uns, dass wir wieder kommen.
Adressen der Campingplätze:
Ferme de La Tournerie
La Outnerie 50500 Raids
02 33 46 57 62
Ferme du Creulet
14400 Crouay
02 31 92 45 27
Harras Dngueville – Le Trotteur
3 La rivière
50480 St Germain de Varreville
02 33 21 18 18
Sehenswürdigkeiten die sich anzuschauen lohnen:
Cean Momorial
Esplanade Général Eisenhower
BP 55026 – 14050 Caen cedex 4
Arromanches les bain
ein Besuch des Strandes lohnt sich.
Colleville-sur-Mere
Normandy American Cemetery
Batterie de Crisbecq
Route des Manoirs
50310 St Marcouf de L´Isle
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