Tempo 30 – nein danke!?
Freitag, 13. August 2010 | Text: Gastbeitrag | Bild: Tamara Soliz
Geschätzte Lesezeit: 2 Minuten
Unfallursache Nummer eins im Straßenverkehr ist nach wie vor zu hohe oder nicht angepasste Geschwindigkeit. Um die Raserei gerade in Wohngebieten zu vermeiden, können Tempo 30-Zonen eingerichtet werden. Nach § 45 der Straßenverkehrsordnung sind sie insbesondere in Wohngebieten und Gebieten mit hoher Fußgänger- und Fahrradverkehrsdichte sowie hohem Querungsbedarf einzurichten. Ihr Zweck: Die Wohnbevölkerung, Fußgänger und Fahrradfahrer sowie vor allem Kinder schützen.
Aber was ist schon Tempo 30? Klingt, wenig, ist aber viel. Denn dass man die Geschwindigkeit und seine Folgen aber schnell unterschätzt, zeigen Untersuchungen sehr deutlich. Laut Verkehrsclub Deutschland VCD sinkt die Zahl der Unfälle, Schwerverletzten und Toten bei Tempo 30 um mindestens 20 Prozent. Denn: Je langsamer ein Auto fährt, desto kürzer ist der Anhalteweg, also Reaktions- plus Bremsweg. Bei 50 km/h beträgt der Anhalteweg fast 28 Meter. Bei Tempo 30 kann ein Auto dagegen schon nach 13 Metern stehen. Die Wucht des Aufpralls steigt im Quadrat der Geschwindigkeit. Die Folge: Bei Tempo 50 enden acht von zehn Unfällen mit Fußgängern tödlich. Bei Tempo 30 sterben hingegen nur zwei bis drei von zehn Angefahrenen (Quelle: VCD). ADAC-Crashtests zeigen: Die Wucht eines Aufpralls ohne Gurt aufs Lenkrad bei Tempo 30 entspricht einem Sturz aus vier Metern Höhe! Ein Mensch mit 75 Kilogramm Körpergewicht müsste 750 Kilo stemmen können, um sich bei einem Aufprall ohne Gurt selber halten zu können. Das schaffen nicht einmal gedopte Gewichtheber.
So weit, so gut. Langsamer fahren, um Unfälle, Verletzungen und Tote zu vermeiden das würde (fast) jeder unterschreiben, sogar Schumi-Atrappen. Die Frage ist nur, warum sich scheinbar nur wenige daran halten. Beispiel Bayenthal. Hier besteht schon seit langem eine Tempo-30-Zone. Das macht Sinn, denn in Bayenthal sind viele Kinder unterwegs. Vor allem auf der Goltsteinstr. Sie ist für viele der tägliche Weg zur Schule, zum Kindergarten, zum Spielplatz und zur Bus- und Straßenbahnhaltestelle. Hier gibt es zudem eine sehr gut besuchte Eisdiele, einen Kinder-Second-Hand- und einen Spielwarenladen. Und doch hat man den Eindruck, dass sich hier kaum jemand an Tempo 30 hält.
Einige Anwohner und Geschäftsleute wollten es genau wissen und leihten sich bei der Kölner Firma Impact ein Messgerät. Eine Woche erfasste der kleine, unscheinbare Kasten die Geschwindigkeit von PKW, LKW und Bussen. Das Ergebnis ist erschütternd: Von fast 20.000 gemessenen Fahrzeugen fuhren 69% schneller als 30km/h, bei den LKW liegt die Quote bei 85%! Zwischen 7.00 Uhr und 9.00 Uhr, wenn also Schul- und Kindergartenkinder unterwegs sind, wurde immer eine Höchstgeschwindigkeit von über 50 km/h gemessen. Busse schaffen sogar Höchstgeschwindigkeiten von über 60 km/h.
Der Express nahm sich der Story an und schrieb am 21.6.2010: Tempo 30 aber selbst die Busse rasen. Vor allem nachmittags mutiert die Goltsteinstraße zum schnellen Transit zurück nach Hause oder in die Firma. Zudem fahren immer wieder PKW und LKW gegen die Einbahnstraße laut Messung im Schnitt täglich rund 30! Ein zusätzliches Gefahrenpotenzial vor allem für Kinder, die diese Gefahr nicht abschätzen können. Inzwischen hat auch die Stadt Köln nach Anwohnerbeschwerden reagiert und führt seit Mai 2010 regelmäßig Geschwindigkeitskontrollen an mehreren Stellen auf der Goltsteinstr. durch. Ein erstes Zeichen.
Ob diese Aktionen die Goltsteinstraße und Bayenthal sicherer machen, kann erst in einigen Monaten beurteilt werden. Wenn der ein oder andere Raser ein saftiges Knöllchen bekommen hat und die Blitzerei ihre abschreckende Wirkung entfaltet. Das Engagement der Bürger hat aber auf jeden Fall gezeigt, dass es sich lohnt, selber aktiv zu werden. Und Tempo 30-Zonen gibt es viele im Kölner Süden.
Heino Schütten
Jeder Interessierte kann sich bei Impact systems, Widdersdorfer Str. 240, Tel. 17076900, www.impact.de ein Messgerät für 300.- Euro pro Woche ausleihen, ausführliche Auswertung inbegriffen. Es ist so groß wie ein Schuhkarton und kann mühelos überall befestigt werden (Abwasserrohre, Laternenpfähle, Gitter etc.).
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